Absicht, sich nicht auf den anderen einzulassen, reagierte Charlies Schwanz, der sich sofort aufrichtete.
»Du machst es mir schwer, dir zu widerstehen«, gestand Charlie. »Aber ich mach sowas nicht in der Öffentlichkeit.«
»Kann ich in deinem Fall verstehen. Ich würde mir auch Gedanken über Paparazzi machen. Treffen wir uns in der Toilettenanlage? In fünf Minuten?«
Charlie sog scharf die Luft ein, als der Druck der Finger zunahm. Sein neuer Freund hatte ihn also erkannt. Möglicherweise war das der Grund, weshalb er sich mit ihm vergnügen wollte. Zumindest schien es sich um keinen liebestollen Fan zu handeln, der ihn um ein Autogramm anbetteln wollte. Aus einem Impuls heraus wollte Charlie dem Mann eine Chance geben. Wenn er bereit wäre, sich an ein paar Regeln zu halten, würde Charlie vielleicht darauf einsteigen.
»In fünf Minuten. Nur oral. Kein Gequatsche. Keine Verpflichtungen. Keine Bitte um einen Gefallen. Sonst wird das nichts mit uns.«
Der Fremde nickte. Er beugte sich näher, drückte Charlie mit seinen warmen Lippen einen schnellen Kuss auf die Wange und stand dann auf. Bevor er seine Hände von Charlie nahm, streifte er dabei wie unabsichtlich seinen Schritt. Dann verließ er den Kinosaal.
Tief durchatmend lehnte Charlie sich zurück. Wollte er das wirklich durchziehen? Nein, auch wenn es noch so verlockend war. Er würde einfach gehen und den attraktiven Mann vergessen. Er wollte sich auf seine Karriere konzentrieren und keinen Skandal riskieren. Zu lange wartete er jetzt bereits auf die Rückmeldung seines Agenten. Heimlich hoffte er auf eine Rolle in einem Blockbuster, was wieder einmal zum Greifen nah erschien. Die Besorgnis, dass es nicht klappen könnte, setzte ihn gehörig unter Druck. Den könnte er mit einem Ausflug in die Toilettenanlage gut abbauen. Dennoch würde er nicht darauf eingehen.
Der Mann hatte ihn erkannt. Möglicherweise war er bloß scharf darauf, mit einer kleinen Berühmtheit rumzumachen. Unter Umständen ging es ihm allerdings darum, an Informationen zu gelangen, die er irgendeinem Klatschmagazin verkaufen konnte. So etwas war Charlie bereits einmal passiert und hatte für ziemlichen Ärger gesorgt. Das Risiko würde er also nicht eingehen.
Er stand auf und verließ das Kino, bevor dem Kerl klar wurde, dass Charlie nicht kommen würde.
Als Alondra ihm am nächsten Tag die Tür öffnete, wirkte sie über seinen Besuch nicht sonderlich erfreut. »Was machst du hier?«, fragte sie mehr als direkt. Ihre Augen, ebenso braun wie seine, funkelten misstrauisch. »Ich wüsste, wenn wir verabredet wären.«
»Ich bringe dir bloß ein paar Brötchen und dachte, ich nutze diesen wunderschönen Sonntagmorgen für ein Frühstück mit meiner großen Schwester. Willst du hier essen oder darf ich dich einladen?«
»Weder noch. Ich habe eigentlich in einer Stunde etwas vor.«
»Ach, dann reicht das für ein schnelles Frühstück. Ein paar Minuten Verspätung bin ich dir bestimmt wert.« Er schob sich an ihr vorbei in die Wohnung und sah sich dabei möglichst unauffällig um.
Der kleine Raum, der als Wohn- und Esszimmer mit integrierter Kochzeile fungierte, wirkte sauber und aufgeräumt. Alondra besaß nur wenige Möbel. Er hatte ihr mehrmals angeboten, ihr eine größere Wohnung zu finanzieren oder zumindest mit ein paar Sachen auszuhelfen. Seine sture Schwester wollte allerdings nichts von ihm annehmen, was über eine kleine Zuwendung hinausging. Weil sie es allein schaffen wollte. Als müsste sie sich das Leben unnötig schwer machen.
Er blieb stehen und drehte sich zu ihr um. »Soll ich mit den Brötchen in die Küche?«
»Wenn es sein muss.« Sie schloss die Eingangstür und folgte ihm dann zur Küchenecke.
»Hast du Butter und Marmelade? Die Bäckerei die Straße runter hatte nichts im Angebot.«
»Im Kühlschrank steht alles, was du brauchst, aber eigentlich habe ich bereits gefrühstückt.«
So wie er. Schließlich war es bereits kurz vor zehn. »Einen Kaffee trinkst du doch trotzdem mit mir?«
Sie nahm ihm die Tüte mit den Brötchen ab und verstaute sie in einer Brotdose. »Haben wir nicht vor gut einem Jahr besprochen, dass diese Überraschungsbesuche meine Pläne durcheinanderbringen? Struktur ist mir wichtig, wie du weißt. Du sollst anrufen, bevor du bei mir auftauchst.«
Damit sie ihre Wohnung für seinen Besuch vorbereitete?
Diesen Verdacht hatte sie nicht verdient. Dennoch meldete sich sofort wieder seine Besorgnis zu Wort.
»Ich wollte dich sehen«, sagte er und bemühte sich um einen harmlosen Tonfall. »Zuerst war es zu früh, um durchzuklingeln, und dann hat es keinen Unterschied mehr gemacht.«
»Warum bist du wirklich hier, Ramón?« Sie stemmte die Hände in die Hüften und kniff die Augen zusammen.
»Muss ich das wirklich aussprechen?«
»Habe ich dir in den letzten Jahren Anlass zu Misstrauen gegeben?«, fragte sie mit nörgelndem Tonfall. »Hattest du in den vergangenen Monaten den Eindruck, deine Sorge wäre angebracht? Denkst du wirklich, du müsstest mich wieder rund um die Uhr kontrollieren?«
Auf so eine Diskussion ließ sich Charlie gar nicht erst ein. »Ich bin für dich verantwortlich. Egal, wie viel Zeit vergangen ist, ich werde mir immer Sorgen um dich machen.«
»Ich habe vor kurzem fünf Jahre Drogenfreiheit feiern dürfen. Du kannst stolz auf mich sein.«
»Das bin ich.« Er trat auf sie zu und zog sie in seine Arme. Vielleicht konnte er auf diese Art ihren Unmut besänftigen. Natürlich war er sich darüber im Klaren, dass sie ihr Leben dem Anschein nach endlich im Griff hatte. Ihr Job machte ihr Spaß. Sie hatte sich einen Freundeskreis aufgebaut, der sie nicht in Schwierigkeiten bringen würde. Regelmäßig besuchte sie Treffen mit anderen Drogenabhängigen, hatte sogar die Patenschaft für einen anderen Süchtigen übernehmen dürfen. Inzwischen war sie für ihr Verantwortungsgefühl und ihre Verlässlichkeit bekannt. Niemand zweifelte daran, dass sie ihre dunkle Vergangenheit hinter sich gelassen hatte.
Niemand außer Charlie.
Natürlich war es ihr gegenüber nicht fair. Sie hätte sein Vertrauen verdient, nachdem sie sich schon so lange gut schlug. Für ihn würde sie allerdings niemals ganz gesund sein. Wenn er die Augen schloss, sah er sie wieder in ihrer schlechtesten Version ihrer selbst vor sich. In seinem Kopf verwandelte sie sich in die zitternde, verängstigte Frau, die für den nächsten Schuss alles aufs Spiel gesetzt hätte. Er hatte damals nicht genug auf sie achtgegeben, aber dieser Fehler würde ihm nicht noch einmal passieren.
Sie versuchte, sich von ihm freizumachen, um die Diskussion fortzusetzen, doch er war nicht in der Lage, sie loszulassen. Er schlang seine Arme noch ein wenig fester um sie.
»Du erdrückst mich, Ramón«, sagte sie gepresst. »Bitte, ich verstehe, weshalb du das Bedürfnis hast, mich vor der Welt zu beschützen, aber du schnürst mir die Luft ab.«
»Tut mir leid. Ich klammere mich gerne an die Vorstellung, dass ich alles unter Kontrolle habe, wenn ich über jeden Aspekt deines Lebens informiert bin.«
Alondra klopfte ihm auf den Rücken. »Nein, im Ernst, Ramón. Du erdrückst mich. Ich kriege keine Luft. Mir wird schon ganz schwindelig.«
Erschrocken ließ er sie los und trat zurück. »Und wieder etwas, das mir leid tut.«
»Du musst aufhören, dich ständig einzumischen. Ich weiß zu schätzen, dass du mir bei jedem Besuch Geld zusteckst, doch dadurch fühle ich mich schlecht. Mein Job ernährt mich, und du kannst unmöglich so viel verdienen. Wenn ich mich nicht irre, ist dein letzter Film vor ein paar Wochen abgedreht worden. Hast du etwas Neues am Start?«
»Ich habe mehrere Eisen im Feuer. Inzwischen gibt es Regisseure, die gezielt nach mir fragen. Ich habe mir einen Ruf erarbeitet.« Auch wenn er nicht sicher war, ob er sich darauf zu viel einbilden durfte. Immerhin würde er es in Hollywood aufgrund seines Outings niemals zu Ruhm bringen. »Tatsächlich werde ich mir aussuchen können, an welchem Projekt ich mich beteiligen will.«
»Das