Lili B. Wilms

Luft an Land


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handelt es sich bei Ihrem Anliegen denn?«

      »Verkehr. Ich habe meinen Führerschein verloren.« Fabian schluckte und fuhr sich mit den Händen über das Gesicht.

      »Einen Moment. Wann passt es Ihnen denn?«

      »Es müsste so schnell wie möglich sein. Auf dem Zettel steht, man hat zwei Wochen Zeit, Einspruch zu erheben, und das Datum darauf ist schon von vor drei Tagen.« Ihm war zum Heulen.

      »Keine Sorge, Herr Maier. Ich habe Ihnen einen Termin bei Herrn Galea für morgen um 16:30 Uhr eingetragen. Passt das?«

      »Aber sicher. Klar. Ich werde da sein. Aber wie geht es dann weiter? Was muss ich …?«

      »Herr Galea ist Fachanwalt für Verkehrsrecht und Strafrecht. Er wird mit Ihnen alles weitere klären und besprechen.«

      »Okay. Danke.«

      Erschöpft beendete Fabian den Anruf. Knappe zwanzig Stunden würde er sich gedulden müssen, um Antworten zu erlangen. Herr Galea würde ihm helfen müssen. Koste es, was es wolle.

      Kurz nach vier Uhr nachmittags am Folgetag stand Fabian vor dem modernen Eingang des Bürogebäudes in einer Seitenstraße des Marienplatzes.

      Er hatte zu einer schwarzen Jeans ein schwarzes Hemd angezogen. Auch wenn dies seine Laune etwas überdeutlich zum Ausdruck brachte, waren es mit Sicherheit auch seine besten Klamotten. Nervös wischte er sich die Handinnenflächen an seiner Hose ab, während er das Klingelschild inspizierte. Lutz, Meier, Höfling Rechtsanwälte PartG befanden sich im sechsten und somit obersten Stock.

      Er drückte den Klingelknopf und sofort ertönte das typische Summen eines Türöffners. Fabian drückte die Tür zum elegant restaurierten Foyer auf und durchschritt es zügig.

      Die Sekretärin hatte ihm – als er sich den Termin heute nochmals telefonisch hatte bestätigen lassen – beschrieben, dass der Aufzug in dem historischen Gebäude nachträglich auf der Seite des Innenhofs angebaut war. Daher musste ihn Fabian erst mal hinter verwinkelten Ecken finden. Unter dem Aspekt waren all die alten mehrstöckigen Gebäude in München ähnlich gebaut und er entdeckte ihn sofort. Die Glaskabine trug ihn ohne Zwischenhalt bis direkt in das sechste Stockwerk.

      Wäre ihm nicht zum Erbrechen übel, hätte Fabian die Sicht über die Stadt genießen können. Er hatte ihr jedoch den Rücken zugekehrt und wartete darauf, dass sich die automatischen Türen öffneten. Mit einem leisen, hauchenden Geräusch gingen sie auf und gaben den direkten Blick auf den Empfang der Kanzlei frei.

      Dort saß eine Frau mit perfektem Bob und Make-up, das wie tätowiert aussah. Die weiße Bluse, die sie trug, schien keine Falten zu haben. Unsicher strich sich Fabian über sein Hemd, das sicher an der einen oder anderen Stelle faltig war. Sein Arm schoss nach vorne, um die sich schließende Lifttür aufzuhalten und Fabian betrat das mondäne Entree.

      Die Dame mit Bob sah auf und lächelte ihn steril an. »Willkommen bei Lutz, Meier, Höfling. Kann ich Ihnen behilflich sein?«

      »Ich habe einen Termin um halb fünf. Maier. Fabian.«

      »Aber sicher Herr Maier, nehmen Sie doch Platz.« Sie ging um den Empfangstresen auf Fabian zu und deutete auf eine Sitzreihe von Sesseln, die die Wand entlangliefen. »Sie sind ein bisschen früh dran. Wollen Sie vielleicht etwas trinken?«

      »Nein, danke. Doch. Oder? Ein Wasser?«

      »Ein Wasser. Mit oder ohne Kohlensäure?«

      »Ohne. Bitte.«

      Die ganze Zeit über trug die Empfangsdame dasselbe monotone Lächeln und Fabian war sich nicht sicher, wie er darauf reagieren sollte. »Ich bereite das Besprechungszimmer kurz vor und hole Sie dann.«

      Auf ihren hohen Absätzen schwebte sie fast lautlos über das Parkett, während sie von Zimmer zu Zimmer lief und Wasser und eine Akte in einen Raum am Ende des weiten Flures brachte. Fabian wippte sein Bein schnell auf und ab. Die Nervosität jagte durch jede Faser seines Körpers und suchte einen Ausgang, den sie anscheinend über seinen Fuß gefunden hatte. Zum wiederholten Male griff er zu seiner Hosentasche und fühlte dort den Umschlag.

      »Herr Maier?« Die Dame stand wieder vor ihm, mit ihrem seltsamen Lächeln, und hatte eine Hand in Richtung Ende des Flurs gerichtet. »Wenn Sie mir folgen wollen?«

      Ohne zu zögern, sprang Fabian auf und ging ihr hinterher. Er setzte sich auf den Platz am Fenster mit Blick zur Tür, den sie ihm zuwies. »Ich gebe Herrn Galea Bescheid, dass Sie schon hier sind.« Mit einem leisen Klicken schloss sie die Tür hinter sich.

      Der Tisch, um den acht Stühle standen, war riesig. Hastig griff er nach dem Glas Wasser vor sich und nahm einen großen Schluck. Am Kopf des Tisches lag eine dünne Mappe. In der Mitte befand sich eine Schale, gefüllt mit Keksen. Gab es wirklich Mandanten, die sich entspannt zurücklegten und Gebäck knabberten, während ihr Anwalt ihnen ihr Schicksal offenbarte?

      Ein kurzer Blick auf die Uhr zeigte ihm, dass er sich vermutlich auf eine längere Wartezeit einrichten musste, da es bis zu seinem Termin noch fünfzehn Minuten waren. Er seufzte. Gerade als er sich im Stuhl zurücklehnte, öffnete sich die Tür zum Besprechungsraum und automatisch stand Fabian auf, allein schon der Höflichkeit wegen, um seinem Anwalt die Hand zu reichen.

      Die Finger noch auf dem Tisch abgestützt, hielt er in seiner Bewegung inne. Der Mann, der da durch die Tür trat, kam ihm irgendwie vertraut vor. Was nicht sein konnte, da er keine Anwälte kannte.

      Jedoch zogen die strahlend klaren blauen Augen mit einem Hauch von grün Fabians ganze Aufmerksamkeit auf sich. Der Besitzer, zu dem sie gehörten, kam im dunkelgrauen dreiteiligen Anzug, der ihm auf den Leib geschneidert zu sein schien, in den Raum und stockte kurz, bevor er schnell die Tür schloss.

      Fabian hätte Izi auf den ersten Blick fast nicht erkannt. Sein etwas längeres Deckhaar, das normalerweise natürlich über eine Seite seines Kopfes hing, war streng nach hinten gegelt. Es gab ihm ein kaltes, hartes Aussehen, wären da nicht diese Augen, die ihn so überrascht und forschend ansahen.

      »Du bist Anwalt.« Es hörte sich fast wie ein Vorwurf an.

      Izis Kopf zuckte leicht zurück. »Und du bist zu schnell gefahren.«

      Richtig. Für einen Augenblick hatte Fabian vergessen, warum er eigentlich hier war. Izi kam ihm mit einem kleinen Kärtchen zwischen den Fingern entgegen. Er legte es vor Fabian auf den Tisch und zuckte mit den Schultern, während er auf Fabians Stuhl deutete. »Wollen wir uns setzen?«

      Mit einem Seufzer ließ sich Fabian zurücksinken und nahm die Visitenkarte vor ihm in die Hand.

      Izaak Galea, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Verkehrsrecht, Fachanwalt für Strafrecht

      Fabians Stirn legte sich wie von selbst in Falten und er bemerkte, wie er seinen Mund spitz zusammenkräuselte.

      »Es tut mir leid, Fabian, das zu sagen war unangebracht – und wenn dir das unangenehm ist, müssen wir das hier nicht machen. Du kannst dir selbstverständlich einen anderen Anwalt suchen.«

      Kopfschüttelnd sah Fabian auf. »Ich hab recherchiert. Und deine Kanzlei wird überall empfohlen. Ich brauche wirklich dringend einen Anwalt, aber das hier ist echt schräg.«

      »Ich weiß.« Izi – oder vielmehr Izaak – sah ihn mit unschlüssiger Miene an. »Lass mich versuchen, einen Kollegen zu finden, der deinen Fall übernehmen kann. Das ist wirklich nicht optimal.« Er stand auf und schob seinen Stuhl zurück.

      »Ist es denn irgendwie verboten?« Fabian dachte krampfhaft nach. Zuerst das Fahrverbot und jetzt diese Wendung. Er hatte wirklich genug von irgendwelchen Überraschungen.

      Izi sah ihn fragend an. »Wie meinst du? Weil wir … « Er deutete zwischen ihnen beiden hin und her. »Äh, weil wir intim waren?«

      Fabian merkte, wie die Hitze über seinen Nacken in den Kopf stieg und seine Wangen fingen an zu brennen. Er räusperte sich und nickte. »Äh, ja das.«

      Izi schien diese Scheu nicht zu haben, denn er lächelte