durch das dreieinige Wesen Gottes ermöglichte Verhältnis von „Gegenüber und Nähe“ eröffnet im Unterschied zu dualistischen und identifizierenden Gottesvorstellungen eine freie personale Gemeinschaft zwischen Gott und Mensch. So kann Gott als Vater das Gegenüber der Menschen bleiben, während er ihnen als Sohn und Heiliger Geist ganz nahe ist – ja sogar im Sohn selbst Mensch werden kann.4 Gegenüber der abstrakten Jenseitigkeit Gottes in einem unitarischen Monotheismus und gegenüber polytheistischen sowie emanatorischen Gottesvorstellungen erschließt das biblische Zeugnis also einen konkreten Monotheismus5, der die lebendige dreieinige Liebe in Gott als Voraussetzung einer persönlichen Gottesbeziehung in freier Gemeinschaft und Liebe offenbart.
Im Blick auf seine allgemeine Verwendung haftet dem Gottesbegriff immer wieder der Horizont der letztgültigen Wahrheit und Seinsgrundlage an – und damit die Dimension des Geheimnisses, das sich aus den weltlichen Zusammenhängen nicht greifen lässt. Dahinter vermag sich eine unverfügbare Eigenwirklichkeit (Aseität) zu verbergen, die auf eine selbstursächliche Einzigartigkeit verweist. So scheint der Gottesbegriff verbreitet ein grundloses Sein zu enthalten, das aus sich selbst existiert – und sich deshalb eigentlich auch nur selbst erschließen kann. Der Gottesbegriff transportiert also ein Geheimnis, das sich dem Menschen zum einen als entzogen erweist, das ihn aber zum anderen als definitives „Woraufhin“ seines Lebens unbedingt angeht. Denn dieses Geheimnis verbindet sich mit der Ahnung einer ersten, aus sich existierenden und alles Sein umfassenden Ursache. Deshalb ist „die Rede von Gott [letztlich] nur dann sinnvoll […], wenn sie ‚Gott‘ als ein auf das Ganze gehendes Wort zu verstehen gibt, dessen besonderer Anspruch universale Geltung einschließt“: Was „im sachgemäßen Gebrauch des Wortes ‚Gott‘ zur Sprache kommt, geht jeden Menschen unbedingt an“6.
2.Die Transzendenz von Welt und Kosmos
In ihrer Endlichkeit weisen Welt und Kosmos zwischen ihrem „Woher“ und „Wohin“ über sich selbst hinaus. Diese Transzendenz erlaubt lediglich die Ahnung eines letzten Grundes und Ziels, so dass Gott nicht aus natürlichen Gegebenheiten zu rekonstruieren ist. Zwar finden sich in der Schöpfung Spuren des Schöpfers, doch aufgrund der von menschlicher Selbstbehauptung geprägten Erkenntnis bleiben sie ambivalent, weshalb angemessene Gotteserkenntnis auf die Selbsterschließung Gottes angewiesen ist. Diese bedarf allerdings um der universellen Nachvollziehbarkeit willen der natürlichen Anknüpfungspunkte. Erst die trinitarisch-heilsgeschichtliche Dynamik von Schöpfung, Erlösung und Vollendung erlaubt die sachgemäße Zuordnung von natürlichen Erkenntnisvoraussetzungen und göttlicher Selbsterschließung. Dabei behalten die drei Glaubensartikel die gesamte Schöpfungswirklichkeit von Welt und Kosmos im Blick, die mit der Glaubenswirklichkeit übereinstimmen muss, wenn der Glaube nicht in innere Widersprüche führen soll.
Den aufgezeigten Horizonten des Gottesbegriffs korrespondiert die Transzendenz von Welt und Kosmos, welche über sich selbst hinausweisen (lat. transcendo). Denn sowohl der Wirklichkeit von Welt und Kosmos als auch der Universalhistorie und dem Menschen haften eine Selbsttranszendenz an, die sich zwischen den Dimensionen des „Woher“ und des „Wohin“ bewegt, wobei niemand diese Dimensionen letztgültig kennt oder in der Hand hat. Aufgrund der Kontingenz (Möglichkeit statt Notwendigkeit) und Endlichkeit ist die gesamte Wirklichkeit einer radikalen Fraglichkeit unterworfen, die im Staunen über das Wunder des Seins Frag-Würdigkeit enthält und die die Ahnung eines letzten Grundes beinhaltet. Damit verbunden ist die Frage nach einem letzten Sinn oder Ziel sowie das Phänomen der Gottesidee – alles Dimensionen, die „die Form eines unthematischen Gewahrseins haben“, weil „der Mensch von allem Anfang an in ein ihn übersteigendes ‚Geheimnis‘ hineingestellt ist, und zwar in der Weise, daß sich ihm ‚die unverfügbare […] Unendlichkeit der Wirklichkeit als Geheimnis dauernd zuschickt‘“7.
Weil die Selbsttranszendenz lediglich die Ahnung eines letzten Grundes bzw. eines Gottes ermöglicht, erlaubt sie keine spekulative Rekonstruktion Gottes aus natürlichen Gegebenheiten, seien sie kosmologischer oder anthropologischer Natur. Zwar ist laut alt- und neutestamentlichem Zeugnis die Erkennbarkeit Gottes aus seiner vom Schöpfergeist durchdrungenen Schöpfung gegeben (z.B. Ps 8; 19; 29; 104; 148; Act 14,16f.; 17,22ff.; Röm 1,19f.), weshalb es sich als unentschuldbar erweist, wenn der Mensch Gott die Ehre verweigert (Röm 1,20). Das bezeugt auch das menschliche Gewissen, insofern als das Gesetz Gottes dem Menschen ins Herz geschrieben ist (Röm 2,14f.). Der Mensch, dem sich auf diesen Wegen die Ahnung eröffnet, dass Gott ist, aber noch nicht, wer Gott ist (Luther), neigt jedoch nach Röm 1,18ff. zur Identifikation Gottes mit Geschöpflichem oder mit sich selbst – statt zu einer sich öffnenden Anerkennung Gottes. Denn die in Gen 3 erkennbare Versuchung des Menschen, sein eigener Gott sein zu wollen, zieht notwendig eine Selbstbehauptung und Selbstbegründung (Selbstvergöttlichung) nach sich, die auch das Gottesbild betrifft, weil der Mensch dann auch versucht ist, Gott selbst zu konstruieren bzw. zu rekonstruieren. Deshalb bedarf es zunächst der hermeneutischen Umkehr von selbstbehauptendem und spekulativem Denken zu empfangender Anerkennung der Kreatürlichkeit des Seins, was mit der Einsicht verbunden ist, dass Gott sich nur selbst erschließen kann.
Aufgrund der gezeigten Ambivalenz „natürlicher“ Gotteserkenntnis müssen „Natur und Gnade“ sowie „Vernunft und Glaube“ aufeinander bezogen bleiben, da sich die Gnade die Natur voraussetzt und der Glaube die Vernunft in Dienst nimmt. „Deshalb ist die Natur kein eigenständiger, in sich abgeschlossener und aus sich vollendbarer Wirklichkeitsbereich. Sie ist dynamisch über sich hinaus auf eine Erfüllung ausgerichtet, die sie sich selbst nicht geben kann, die sie vielmehr allein durch die Gnade erhält. Erst durch die Gnade erlangt die Natur ihre eigentliche Bestimmung. Wo sie sich dagegen sündhaft gegen die Gnade versperrt, da gerät sie in Widerspruch mit sich selbst, da wird sie zutiefst verkehrt.“8 Somit ist der Zusammenhang zwischen Schöpfungs- und Heilsordnung bzw. zwischen allen drei Artikeln des Glaubensbekenntnisses gegeben. Entgegen der linear trennenden Stufenordnung von natürlicher (De Deo uno) und übernatürlicher Gotteserkenntnis (De Deo trino) besteht eine trinitarisch-heilsgeschichtliche Dynamik von Schöpfung, Erlösung und Vollendung. In ihr kommt sowohl das jeweils spezifische Handeln von Vater, Sohn und Heiligem Geist in den drei heilsgeschichtlichen Phasen zum Ausdruck als auch deren gemeinsames Handeln in jeder dieser Phasen. Die Trinitätslehre lässt so im Kontext von Gesetz und Evangelium den hermeneutisch relevanten Zusammenhang von Schöpfungs- und Heilsordnung erkennen. In der dynamischen Zuordnung von natürlichen Erkenntnisvoraussetzungen und göttlicher Selbsterschließung ist neben den natürlichen Anknüpfungspunkten der Selbsterschließung auch die mit der Kreuzestheologie hervortretende Krisis zu beachten, welche die sündhafte Verkehrung und Ambivalenz der natürlichen Grundlagen offenlegt. „Die Schöpfung muß daher so interpretiert werden, daß sie von Anfang an auf die Verwirklichung der vollendeten Gemeinschaft des trinitarischen Gottes mit seiner Schöpfung abzielt, die angesichts des Widerspruchs der Sünde nur durch die von Gott gewirkte Versöhnung verwirklicht werden kann. Die Versöhnung muß in dieser Weise als Ausdruck der Treue Gottes zu seiner Schöpfung und in dieser Weise als erneute Einbeziehung des Gott widersprechenden Menschen in die ursprüngliche Zielsetzung der Schöpfung verstanden werden. Die Vollendung der Welt darf darum nicht nach apokalyptischer Manier als radikale Neuschöpfung verstanden werden, sondern muß als Vollendung der versöhnten Schöpfung interpretiert werden, also als neuschöpferisches Handeln Gottes an der ursprünglichen Schöpfung.“9
Als Schöpfung des dreieinigen Gottes enthält die Schöpfung naturgemäß Spuren der Trinität (lat. vestigia trinitatis). Denn das „Geschaffene ist auf Grund seines Ursprungs und seiner Entfaltung vom dreieinen Gott durchwirkt und deshalb dessen Abbild“10. Die vielen Spuren analoger Einheit in Vielfalt im Kosmos und im Menschen haben zwar unter anderem in der Gottebenbildlichkeit des Menschen (imago Dei, Gen 1,26f.) ihre Berechtigung, aber es bleiben aufgrund des Unterschieds zwischen Gott und seiner Schöpfung analoge Spuren. So ist Gott zum Beispiel die Gleichzeitigkeit von inner- und zwischenpersonaler Struktur (ein Gott und zugleich die Gemeinschaft dreier Personen), während der Mensch beide Aspekte auch hat, aber nur in Gemeinschaft mit anderen Menschen oder mit Gott (siehe Kap. IX,2). Durch die Analogie zwischen geschöpflicher und göttlicher Wirklichkeit ist es allerdings überhaupt erst möglich, die Offenbarung Gottes verstehen zu können und die Universalität der