– vielleicht weniger wegen ihres Bekenntnisses als vor allem wegen ihrer daraus resultierenden Praxis. Wenn die Glaubenden von der Auferweckung Jesu durch Gott sprachen, dann war der Gott Israels gemeint; die jüdischen heiligen Schriften wurden gelesen, aber sie wurden nun auf das mit Jesus verbundene Geschehen bezogen, man las diese Schriften aus »christlicher« Perspektive. Zumindest die Nichtjuden unter den Jesusgläubigen vollzogen aber nicht die Beschneidung, sie feierten offenbar auch nicht den Sabbat,[29] und |28|sehr wahrscheinlich hielten sie sich auch nicht in vollem Umfang an die biblischen Speisegebote,[30] wodurch sie sich von den toratreuen Juden unterschieden. Diese Praxis konnte innerhalb »gemischter« Gemeinden zu Konflikten führen, wie die von Paulus in Gal 2,11–14 geschilderte Szene zeigt:[31] In der Gemeinde in Antiochia hatte Petrus mit nichtjüdischen Gemeindegliedern gemeinsame Mahlzeiten eingenommen, diese Gemeinschaft dann aber unter äußerem Druck[32] aufgekündigt, worin Paulus einen fundamentalen Widerspruch zur »Wahrheit des Evangeliums« sah (Gal 2,14). Es gab eine heftige Kontroverse zwischen Paulus und Petrus, und es kam möglicherweise zur Spaltung der Gemeinde; über den Ausgang des Konflikts erfahren wir allerdings nichts.
Die Jesusgläubigen, die »Christen«, bringen ihre Identität zum Ausdruck durch ihr Bekenntnis, dass der gekreuzigte Jesus von Gott auferweckt und von Menschen gesehen worden war.[33] Dabei wird Jesu Auferweckung nicht als ein Mirakel verstanden, vergleichbar etwa den Auferweckungen verstorbener Menschen, von denen alt- und neutestamentliche, aber auch heidnische Wundererzählungen sprechen. Der gekreuzigte, gestorbene und begrabene Jesus ist nicht einfach »wieder lebendig« geworden, sondern Gott hat ihn auferweckt und »erhöht«,[34] wie in Anlehnung an Ps 110,1 gesagt wird. Der Psalmist spricht vom Sitzen des Königs »zur Rechten Gottes« (V. 1), aber diese Aussage wird nun auf die Erhöhung Jesu hin gedeutet. Der durch Gottes Handeln erhöhte Jesus wird von den Glaubenden als »der Messias/Christus«, oder als »der Herr« oder als »der Sohn Gottes« bezeichnet.
|29|Diese und weitere auf Jesus bezogene Hoheitstitel sind allerdings nicht neu, sondern sie haben eine Vorgeschichte. Dabei kann der häufig gebrauchte Titel ὁ Χριστός, »der Gesalbte«, eigentlich nur im jüdischen Kontext verstanden werden – gemeint ist der kommende Messias aus der Nachkommenschaft des Königs David, der das Volk Israel befreien wird.[35] Der Titel »Herr«, κύριος, ist dagegen in der jüdischen und in der nicht-jüdischen Antike sehr weit verbreitet, sowohl im religiösen wie auch im politischen Raum.[36] Die Bezeichnung »Sohn Gottes« findet sich in einigen alttestamentlichen Texten als bildlich zu verstehende Bezeichnung des Königs;[37] aber auch der römische Kaiser heißt »Sohn Gottes«, seitdem Octavian als Adoptivsohn des nach seinem Tod vergöttlichten Caesar als divi filius Augustus bezeichnet wurde. Die Christen bezogen solche Hoheitstitel auf Jesus, und dabei stand für sie fest, dass diese Titel und die mit ihnen verbundenen Vorstellungen allein Jesus zukommen.
Das Bekenntnis »Jesus ist der Sohn Gottes« gilt unabhängig von der Antwort auf die Frage, ob sich Jesus selber als Sohn Gottes verstanden und so bezeichnet hat. Der Satz »Jesus war der Sohn Gottes« hätte ja, selbst wenn er historisch einer Selbstaussage Jesu entsprechen sollte, die Vergangenheit im Blick; dagegen bezieht sich der Satz »Jesus ist der Sohn Gottes« nicht auf die Vergangenheit, und er soll auch nicht etwas historisch Beweisbares aussagen. Vielmehr bringen die Glaubenden auf diese Weise zum Ausdruck, dass sie im Leben und in Tod und Auferweckung Jesu das Handeln Gottes erkennen und dass der gekreuzigte und von Gott auferweckte Jesus derjenige ist, auf dessen Botschaft von Gott sie vertrauen.
In den urchristlichen Schriften, die später das Neue Testament bilden, wird das Bekenntnis zu Jesus als dem Sohn Gottes auf ganz unterschiedliche Weise gedacht und ausgesprochen. In den Evangelien des Matthäus und des Lukas ist der Gedanke der Gottessohnschaft Jesu mit der Vorstellung verbunden, Gott sei in einem quasi |30|»biologischen« Sinn der Vater Jesu und seine Mutter sei bei der Geburt ihres ersten Kindes Jungfrau gewesen; dabei liegt aber diesen Texten, anders als in der griechischen Mythologie, der Gedanke einer »Zeugung« Jesu durch Gott, der in der Rolle eines Mannes gesehen wäre, ganz fern.[38] Für das Johannesevangelium besteht Jesu Beziehung als »der Sohn« zu Gott als dem »Vater« schon vor aller Zeit; Johannes spricht von Jesu Präexistenz und von Jesu Kommen in die Welt, ohne Jesu Geburt auch nur zu erwähnen; in Joh 6,42 sagen die Ἰουδαĩοι sogar, dass sie Jesu Vater und Mutter kennen, ohne dass diese Aussage vom Evangelisten korrigiert wird.[39] Das Markusevangelium, das älteste der Evangelien, erzählt, wie Jesus bei seiner durch Johannes den Täufer vollzogenen Taufe von Gott die Anrede hörte: »Du bist mein geliebter Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe« (1,11). Auch Markus erwähnt Jesu Geburt nicht, aber er spricht ohne Vorbehalt von den Geschwistern Jesu (3,31–35; 6,3). Der Glaube an Jesu Gottessohnschaft ist offensichtlich nicht von der Vorstellung einer übernatürlichen Zeugung und Geburt abhängig.
Paulus schreibt in Röm 1,3f., Jesus stamme »nach dem Fleisch aus Davids Samen« und sei »eingesetzt als Sohn Gottes in Macht gemäß dem Heiligen Geist aufgrund der Auferstehung von den Toten«. Die Bezeichnung »Sohn Davids« ist eine Messiasbezeichnung, die hier besagt, dass sich die jüdische Hoffnung auf den kommenden Messias in Jesus erfüllt hat. Die Aussage »eingesetzt zum Sohn Gottes aufgrund der Auferstehung von den Toten« besagt, dass Jesus in seiner Auferstehung eine neue Würde erhalten hat. Das ist insofern ein erstaunlicher Satz, als Jesus für Paulus eigentlich nicht zum Sohn Gottes »wurde«, sondern immer schon »der Sohn Gottes« war, vor aller Zeit und über alle Zeiten hinweg. Paulus spricht in Röm 1,3a von Jesus als von »seinem«, also Gottes »Sohn«, und in V. 4b nennt er »Jesus Christus« ausdrücklich »unseren Herrn«. Möglicherweise spielt Paulus mit den für ihn ungewöhnlichen Aussagen in Röm 1,3b.4a auf ihm eigentlich fremde Vorstellungen an; vielleicht vermutet er, dass die Adressaten in Rom diese Aussagen kennen, denen er durch die von |31|ihm formulierte Rahmung die in seinen Augen »richtige« Deutung gibt, ohne ihnen ausdrücklich zu widersprechen.[40]
Ob Jesus selber vom Glauben an seine Person gesprochen und ein Bekenntnis zu ihm erwartet hat, lässt sich angesichts der Quellenlage nicht sicher sagen. Im Matthäus- und im Lukasevangelium wird eine Selbstaussage Jesu überliefert, die vermutlich aus der von beiden Evangelisten benutzten Logienquelle Q stammt und die in der Fassung von Lk 12,8f. so lautet: »Jeder, der sich zu mir bekennt vor den Menschen, zu dem wird sich auch der Menschensohn bekennen vor den Engeln Gottes. Wer aber mich verleugnet vor den Menschen, der wird verleugnet werden vor den Engeln Gottes.« Die Bezeichnung »Menschensohn« meint in Anknüpfung an Dan 7,14 mit der darauf folgenden apokalyptischen jüdischen Tradition eine Gestalt, die am Ende aller Zeiten vom Himmel kommen und Gericht halten wird;[41] jenes Logion sagt also, das im Endgericht ergehende Urteil werde abhängig sein vom Bekenntnis bzw. Nicht-Bekenntnis zu Jesus. Ähnliches wird in Mk 8,38 gesagt. Ob Jesus in dieser Weise von einem Bekenntnis zu seiner Person gesprochen hat, ist umstritten;[42] jedenfalls sind die Menschen, die an Jesus glauben, davon überzeugt, dass ihr Glaube und ihr Bekenntnis zu Jesus im kommenden Endgericht die entscheidende Rolle spielen wird, und das bringen sie durch die Jesus zugelegte Eigenaussage zum Ausdruck.
4. Bekenntnisaussagen in den Briefen des Apostels Paulus
Der Apostel Paulus überliefert in seinen Briefen, den ältesten uns erhaltenen Schriften des Urchristentums, unterschiedliche Bekenntnissätze, von denen einige hier kurz dargestellt werden sollen.
|32|1. In den Kapiteln 9–11 des Römerbriefs schreibt Paulus eingehend über die Beziehung des Volkes Israel zum Glauben an Jesus Christus. Paulus war Jude, oder, wie er selber von sich sagt, »Israelit« (11,1), und sein Problem ist die Frage, warum das Volk Israel in seiner Mehrheit die Christusbotschaft nicht annimmt. Er schreibt in diesem Zusammenhang in 10,3, dass »sie«, die nicht an Jesus glaubenden Israeliten, Gottes Gerechtigkeit nicht erkannt und stattdessen die eigene Gerechtigkeit aufzurichten versucht und sich also der Gerechtigkeit Gottes nicht untergeordnet haben. Das erläutert Paulus in V. 4 mit dem Satz: »Christus nämlich ist das Ende des Gesetzes (τέλος νόμου[43]) zur Gerechtigkeit für jeden Glaubenden (εἰς δικαιοσύνην παντὶ τῷ πιστεύοντι)« (V. 4), und dies wiederum erläutert er (V. 5–8), indem er zwischen der »Gerechtigkeit aus dem Gesetz« und der »Gerechtigkeit aus dem Glauben« unterscheidet. Mose habe