Jünger begegnen auf dem Weg nach Emmaus dem auferstandenen Jesus; sie erkennen ihn nicht, sondern sie »informieren« ihn auf seine entsprechende Frage über Jesu Kreuzigung und über ihre Enttäuschung darüber. Daraufhin erfahren sie von dem ihnen Unbekannten, dass »der χριστός dies alles leiden und dann in seine Herrlichkeit eingehen musste« (V. 26), und das wird »aus der ganzen Schrift« belegt (V. 27).[63] Am Abend erkennen sie dann ihn beim Brotbrechen, woraufhin er verschwindet. Die Jünger kehren nach Jerusalem zurück (V. 33), und dort wird ihnen von den anderen Jüngern ganz unvermittelt gesagt: »Der Herr ist wirklich auferweckt worden und dem Simon erschienen« (V. 34). Das passt nicht in den Erzählzusammenhang, der in V. 35 weitergeht; es entspricht auch nicht der vorangegangenen Ostergeschichte des Lukas, der zufolge zuerst Frauen und dann auch Petrus am leeren Grab gewesen waren, Jesus aber nicht gesehen hatten (Lk 24,1–12). Die als Formel gestaltete Aussage, der auferstandene Jesus sei zuerst dem Petrus erschienen, ist offenbar schon sehr früh entstanden, und sie wurde als solche von Lukas in seinen Erzähltext eingefügt. Im Matthäus- und im Johannesevangelium sind es Frauen, die am Grab als erste den Auferstandenen sehen. Vermutlich sind diese Erscheinungserzählungen später entstanden als die Petrus-Überlieferung; aber gerade dann wird deutlich, dass die Gemeinde im Zusammenhang der Osterüberlieferung ausdrücklich auch von Frauen sprechen wollte. Im literarisch ältesten »Ostertext« Mk 16,1–8 kommen die Frauen zum leeren Grab, wo sie aus dem Munde eines »weißgekleideten Jünglings« die Botschaft von der Auferweckung des gekreuzigten Jesus erhalten (Ἰησοῦν ζητεῖτε τὸν Ναζαρηνὸν τὸν ἐσταυρωμένον· ἠγέρθη – »ihr sucht Jesus, den gekreuzigten Nazarener: er ist auferweckt worden«, V. 6), verbunden mit der Ankündigung der Erscheinung des Auferstandenen in Galiläa (V. 7). Da eine solche Erscheinung dann aber nicht erzählt wird, richtet sich |38|die Botschaft des »Jünglings« direkt an die Leserinnen und Leser des Markusevangeliums, denn es heißt abschließend ausdrücklich, dass die Frauen schweigen und niemandem etwas sagen (V. 8).[64]
3. Wie sah die christliche Mission unter den »Heiden« aus? Paulus schreibt in 1 Thess 1,8–10, nicht nur in Makedonien und in Achaja, sondern »überall« sei bekannt, auf welche Weise der Glaube nach Thessalonich gekommen war: »Ihr habt euch hingewandt zu Gott, weg von den Götzen, um zu dienen dem lebendigen und wahren Gott und zu erwarten seinen Sohn vom Himmel her, den er auferweckt hat von den Toten und der uns rettet vor dem kommenden Gericht« (V. 9b.10). Hier wird deutlich, dass im nicht-jüdischen Umfeld der Christusglaube verbunden war mit der Abkehr von den bisher verehrten, nun aber als falsch erkannten Gottheiten und der Hinwendung zu dem einen, einzigen Gott, dem Gott Israels. Was eine solche Konversion in einer »heidnischen« Stadt konkret bedeutete, brauchte Paulus den Adressaten nicht zu schreiben, denn das wussten sie ja selber am besten. Vermutlich hatten sie aus ihren Wohnungen die Götterbilder und -altäre entfernt, und sie nahmen auch nicht mehr teil an den offiziellen städtischen Kultfeiern. Das dürfte zu erheblichen Problemen geführt haben. Die für das jüdische Volk charakteristische alleinige Verehrung des einen Gottes wurde im Römischen Reich toleriert; aber die »heidnischen« Frauen und Männer, die die Christus-Botschaft angenommen hatten, wurden nicht Juden; sie hatten sich von ihren bisherigen Göttern getrennt, sie gehörten aber nicht zum jüdischen Volk, und so wurden sie zu Fremden in der eigenen Heimat. Es kam, wie Paulus in 1 Thess 2,14 schreibt, zu Verfolgungen durch die eigenen Landsleute.
Für Christen ist mit dem Glauben an den einen Gott die Hoffnung auf das Kommen »seines Sohnes vom Himmel her« verbunden, der »uns retten wird vor dem kommenden Gericht« (1 Thess 1,10); darin ist die Botschaft von der Auferweckung und Erhöhung Jesu indirekt mitgesagt. Im Endgericht werden die Menschen vor Gott Rechenschaft ablegen über das eigene Leben; die Zusage des |39|rettenden Handelns Christi ist also die Einladung, in diesem Gericht auf Jesus zu vertrauen. Dieser Glaube und diese Hoffnung bestimmt die ganze Existenz des Menschen und bedeutet eine neue Ausrichtung des ganzen Lebens. Damit verbunden ist dann die Hoffnung, dass Gott, der Jesus auferweckt hat, auch die verstorbenen Menschen auferwecken wird; dadurch, so schreibt Paulus in 1 Thess 4,13–18, unterscheiden sich die Glaubenden von den anderen Menschen, »die keine Hoffnung haben«.
4. Einige Jahrzehnte später fordert der unter dem Namen des »Paulus« schreibende Verfasser des 1. Timotheusbriefs den »Timotheus« und damit zugleich alle seine Leser auf, der Gerechtigkeit, der Frömmigkeit, dem Glauben, der Liebe, der Geduld und der Sanftmut nachzujagen (6,11).[65] Es heißt dann weiter (V. 12): »Kämpfe den guten Kampf des Glaubens; ergreife das ewige Leben, zu dem du berufen worden bist, und der du bekannt hast das gute Bekenntnis (ὡμολόγησας τὴν καλήν ὁμολογίαν) vor vielen Zeugen.« Christus Jesus selber hat ja, so schreibt der Autor, das gute Bekenntnis bezeugt vor Pontius Pilatus (V. 13), und »so sollst auch du das Gebot unbefleckt, untadelig halten bis zum Erscheinen (μέχρι τῆς ἐπιφανείας) unseres Herrn Jesus Christus«. Jetzt gehören Bekenntnis und Gebot unmittelbar zusammen; das geht nicht zuletzt auf die gegenüber der Zeit des Paulus veränderte historische Situation zurück: Die Zahl der Gemeindeglieder ist gewachsen, die Erwartung des nahen Gerichts tritt zurück, die Kirche braucht und erhält festere Strukturen, nicht zuletzt »Ämter«. Die Glaubenden richten sich in der gesellschaftlichen Wirklichkeit ein, und das bringt die Gefahr einer möglicherweise zu großen Anpassung mit sich; darum ruft der Verfasser seine Leser dazu auf, die Ordnung der Gemeinden und auch die Ordnung des persönlichen Lebens dauerhaft zu wahren und zu achten.[66]
|40|5. Situationen und Anlässe für Bekenntnisse im frühen Christentum
In welchen Situationen und aus welchem Anlass legten Christen in der Antike ein Bekenntnis ab? Nicht jede Äußerung von Christen ist ja als ein Bekenntnis anzusehen.
1. In unseren Kirchen hat das Glaubensbekenntnis eine besondere Funktion bei der Taufe: Die Gemeinde spricht das Bekenntnis zum dreieinigen Gott, »auf dessen Namen« die Taufe vollzogen wird. Jesus war von Johannes dem Täufer getauft worden; die an Jesu Auferweckung Glaubenden hatten diese Praxis übernommen, ohne dass wir die genauen Gründe dafür kennen. Die »christliche« Taufe erfolgt anfangs »auf den Namen Jesu« und zeigt so die enge Beziehung zwischen dem getauften Menschen und Jesus Christus; Paulus verwendet dafür in Gal 3,27f. das Bild, die Getauften hätten in der Taufe Christus »angezogen«, geradezu so wie ein Kleid. Später wird dann die dreigliedrige Taufformel üblich; sie steht am Ende des Matthäusevangeliums (Mt 28,19) und in der Didache (7,1–3), einer frühen Kirchenordnung. Jetzt geschieht das Taufen »auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes«.[67] Indem Matthäus den auferstandenen Jesus diese Taufformel im Kontext des Missionsauftrags aussprechen lässt, führt er die tatsächlich ja längst bestehende christliche Taufpraxis auf dessen Weisung zurück; es heißt dann weiter: »[…] und lehret sie halten alles, was ich euch geboten habe« (28,20), und damit wird deutlich, dass zur Taufe der Unterricht über die Inhalte des Glaubens und über die damit verbundene Lebenspraxis gehört, so wie Matthäus es als Wort und Tat Jesu in seinem Evangelium darstellt.[68] Dass die Taufe auch mit der Gabe des Geistes verbunden ist, wird schon bei Paulus und dann vor allem in der Apostelgeschichte vorausgesetzt und betont (Apg 2,38 u.ö.).
|41|Keine der neutestamentlichen Schriften bietet einen genauen Bericht über den konkreten Vollzug einer Taufe, obwohl durchweg vorausgesetzt ist, dass die Gemeindeglieder getauft sind. Wir wissen zum Beispiel nicht, ob die Täuflinge ein Bekenntnis ablegten und ob im Fall der Taufe Unmündiger das Bekenntnis gleichsam stellvertretend von anderen gesprochen wurde.[69] In der Apostelgeschichte wird bisweilen erzählt, dass viele Menschen auf einmal getauft wurden (2,41; 10,48),[70] ohne dass dazu Einzelheiten genannt werden. Eine Ausnahme ist die Erzählung in Apg 8,26–40, wo Lukas relativ ausführlich von der Taufe eines Einzelnen spricht: Der Missionar Philippus, der vom Engel des Herrn den Auftrag erhalten hatte, an die von Jerusalem nach Gaza führende Straße zu gehen, trifft dort einen Mann, der in Jerusalem den Tempel besucht hatte; er ist ein Eunuch, »Schatzkanzler« der äthiopischen Königin. Auf seinem Wagen sitzend[71] liest er im Buch des Propheten Jesaja die Worte vom leidenden Gottesknecht: »Wie ein Schaf wurde er zur Schlachtbank geführt; und wie ein Lamm, das vor seinem Scherer verstummt, so tut er seinen Mund nicht auf« (Jes 53,7f.). Philippus fragt ihn: »Verstehst du auch, was du liest?« Daraufhin