auf »das Wort vom Glauben, das wir verkündigen« (τοῦτ’ ἔστιν τὸ ῥῆμα τῆς πίστεως ὃ κηρύσσομεν, V. 8b).[47]
Das erläutert Paulus nun in V. 9 in zwei Sätzen, die vom Bekennen bzw. vom Glauben sprechen: »Wenn du mit deinem Munde bekennst: Jesus ist der Herr, und in deinem Herzen glaubst: Gott hat ihn von den Toten auferweckt, so wirst du gerettet (σωθήσῃ).« Im ersten dieser Sätze geht es um das »Bekennen« (ἐὰν ὁμολογήσῃς κτλ.), ausgesagt in dem Satz: »Herr ist Jesus« (κύριος Ἰησοῦς). Dieser Satz wird mit dem Munde (ἐν τῷ στόματί σου) bekannt, das Bekenntnis wird also offen |33|ausgesprochen und so von anderen gehört. Der zweite Satz bringt die Aussage des Glaubens zum Ausdruck (καὶ πιστεύσῃς κτλ.): »Gott hat ihn – also Jesus – auferweckt von den Toten« (ὁ θεὸς αὐτὸν ἤγειρεν ἐκ νεκρῶν). Dass man »in seinem Herzen« an Jesu Auferweckung glaubt (πιστεύσῃς ἐν τῇ καρδίᾳ σου), setzt die Vorstellung vom Herzen als dem Sitz des Verstandes und des Verstehens voraus.[48] Zwei Aspekte sind in der Glaubensaussage enthalten, ohne dass sie ausgesprochen werden: Der Gott, der Jesus auferweckt hat, ist der Gott Israels, der eine, einzige Gott. Und der von den Toten auferweckte Jesus war wirklich tot.[49] Glauben, so fügt Paulus dann in V. 10 hinzu, führt zur Gerechtigkeit, also zur Annahme durch Gott (καρδίᾳ γὰρ πιστεύεται εἰς δικαιοσύνην), Bekennen führt zur (endzeitlichen) Rettung (στόματι δὲ ὁμολογεῖται εἰς σωτηρίαν); dafür wird in V. 11 ein Bibelzitat aus Jes 28,16 angeführt (πᾶς ὁ πιστεύων ἐπ’ αὐτῷ οὐ καταισχυνθήσεται – »jeder, der auf ihn vertraut, wird nicht beschämt werden«).
Das Bekenntnis »Herr ist Jesus« und der Glaubenssatz »Gott hat ihn von den Toten auferweckt« sind in dieser Form vermutlich nicht nach außen gerichtete Aussagen; die uns erhaltenen Briefe des Paulus richten sich durchweg an Menschen, die bereits für den Glauben an Jesus Christus gewonnen worden sind, und so haben solche Sätze wie in Röm 10,9 eher die Funktion, den bereits vorhandenen Glauben knapp zusammenfassend zur Sprache zu bringen. In seiner missionarischen Predigt etwa auf der Agora in Korinth oder auf dem Markt in Ephesus wird Paulus nicht solche kurzen Formeln vorgetragen haben; andererseits wissen wir nicht, in welcher Weise er bei seiner Missionsbotschaft gepredigt hat.[50]
Die Menschen, die an die Auferweckung Jesu glauben und ihn als den »Messias/Christus« oder den »Sohn Gottes« bzw. als den »Herrn« bekennen, sehen sich in ein neues Welt- und Selbstverständnis geführt; sie gehen Wege, die den bisher von ihnen für richtig |34|gehaltenen religiösen Traditionen zumindest teilweise widersprechen. Sie glauben, dass Gott dem Menschen seine Sünde, also seine Gottferne, ja geradezu seine Gottlosigkeit, nicht anrechnet, sondern sich dem Menschen gnadenvoll zuwendet.[51] Und sie sind davon überzeugt, dass diese Botschaft jedem Menschen gilt – unabhängig von der Zugehörigkeit zu einem bestimmten Volk oder zu einer sozialen Gruppe und auch unabhängig vom Geschlecht: »Hier ist nicht Jude noch Grieche, weder Sklave noch Freier, nicht männlich und weiblich, sondern ihr seid alle Einer in Christus Jesus«, schreibt Paulus in Gal 3,28.
Möglicherweise hätte Jesus eine solche Aussage nicht unterschrieben. Aber manche Überlieferungen in den Evangelien könnten doch dafür sprechen, dass die hier bei Paulus sichtbar werdende Tendenz dem Denken und Handeln Jesu nicht allzu fern steht. Das gilt etwa für die Erzählung von der Heilung der Tochter einer syro-phönizischen, also heidnischen Frau (Mk 7,24–30)[52] oder auch für Jesu kritische Aussagen über die religiöse Bedeutung von Rein und Unrein (Mk 7,1–16); aber es lässt sich nicht sicher sagen, welche dieser Überlieferungen historisch auf Jesus selber zurückgehen.
In Röm 10 fügt Paulus dem Schriftzitat in V. 11 (s. oben) die Aussage hinzu (V. 12), es bestehe kein Unterschied zwischen »dem Juden« und »dem Griechen«;[53] denn, so erläutert er, »es ist derselbe Herr über alle, der reich macht alle, die ihn anrufen«, womit die Differenz zwischen Juden und Nichtjuden als aufgehoben gilt. Paulus unterstreicht das (V. 13) mit dem Zitat von Joel 3,5: »Jeder, der den Namen des Herrn (τὸ ὄνομα κυρίου) anruft, wird gerettet werden.«[54] Der Prophet spricht von dem nahe bevorstehenden Ende des Kosmos und dem damit verbundenen Gerichtstag (3,4: »Die Sonne soll in Finsternis und der Mond in Blut verwandelt werden, ehe denn der große und schreckliche Tag des Herrn kommt«), und dann folgt die Verheißung: »Wer des HERRN Namen anrufen wird, der soll errettet werden«, was sich natürlich auf die Anrufung des Gottes Israels bezieht. In |35|Röm 10,13 ist dagegen Jesus dieser »Herr« – wer ihn anruft und sich so zu ihm bekennt, wird im Gericht bewahrt werden, schreibt Paulus, und das gilt für jeden Menschen, unabhängig von seiner jüdischen oder nicht-jüdischen Herkunft. Aus dem mit Christus verbundenen Geschehen folgt für Paulus die allen Menschen zugesagte Universalisierung der Gottesbeziehung. Daraus leitet er seinen Auftrag ab, die Botschaft von Jesus Christus in der ganzen Welt bekannt zu machen, und daher nennt er sich in Röm 11,13 ausdrücklich »Apostel der Völker« (εἰμι ἐγὼ ἐθνῶν ἀπόστολος). Zugleich aber hofft er (V. 14), auf diese Weise Menschen aus seinem eigenen Volk »eifersüchtig« zu machen (εἴ πως παραζηλώσω μου τὴν σάρκα) und so »einige von ihnen zu retten« (καὶ σώσω τινὰς ἐξ αὐτῶν). Welches Geschick diejenigen erwartet, die sich nicht »retten« lassen (wollen), sagt Paulus nicht.
Das Bekenntnis »Herr ist Jesus« meint, dass Jesus »der Herr« ist, niemand sonst. Dieses Bekenntnis steht also im Widerspruch zu allen anderen Bekenntnissen, die sich auf einen »Herrn« oder auf eine »Herrin« beziehen. In 1 Kor 8,5 schreibt Paulus, zwar gebe es in der Welt »viele Götter und viele Herren«,[55] »aber«, so fährt er in Anspielung auf das »Schema Jisrael« fort, »für uns ist nur ein Gott (ἡμῖν εἷς θεός), der Vater, von dem her alles ist und wir auf ihn hin, und ein Herr Jesus Christus (εἷς κύριος Ἰησοῦς Χριστός), durch den alles ist und wir durch ihn«.[56]
2. Zu Beginn des ausführlich von der Auferstehung der Toten sprechenden Kapitels 1 Kor 15 erinnert Paulus die korinthischen Christen an das ihnen von ihm verkündigte εὐαγγέλιον, die »gute Botschaft«; er hatte sie selber empfangen und weitergegeben, und er zitiert sie nun offensichtlich im Wortlaut (1 Kor 15,3b–5):
|36|»Christus ist gestorben für unsere Sünden gemäß der Schrift,
und er ist begraben worden,
und er ist auferweckt am dritten Tage gemäß der Schrift,
und er ist erschienen dem Kephas, danach den Zwölf.«
Dieses formelhafte Bekenntnis spricht vom Tod und von der Auferweckung Jesu, und es verbindet diese Aussagen jeweils mit einer Deutung: Christus[57] ist gestorben »für unsere Sünden«, d.h. Jesu Tod kommt den Menschen zugute, weil ihre Verfehlungen gegenüber Gott durch diesen Tod vergeben werden;[58] dies gilt »gemäß der Schrift«, also entsprechend der biblischen Überlieferung, ohne dass dazu ein bestimmter Text zitiert wird oder auch nur anklingt.[59] Der dann folgende Hinweis auf das Begräbnis unterstreicht, dass Jesus wirklich tot war.[60] Zu der Aussage »er ist auferweckt«[61] gehört die Zeitangabe »am dritten Tag«, die in den Evangelien häufig begegnet, bei Paulus aber nur hier belegt ist; wieder folgt ein Verweis auf »die Schrift«, wobei auch hier offenbar kein bestimmter Text im Blick ist.[62] Die abschließende Aussage, der Auferstandene sei »dem Kephas erschienen, danach den Zwölf« entspricht dem vorangegangenen Verweis auf das Begrabensein des Gestorbenen, und sie unterstreicht so die Gewissheit des Auferstehungsglaubens. Mit den Erscheinungen des Auferstandenen beginnt der Glaube an Jesu Auferweckung und zugleich die Geschichte der Kirche. Wie der zweimalige Hinweis, dies sei geschehen »gemäß der Schrift«, zeigt, kommt es der hier zitierten |37|Formel offenbar auf die Einsicht an, dass das Christusereignis