(12.–8. Jh.v. Chr.), bestimmte Gebiete an den Rändern der antiken Welt (zum Beispiel weite Teile des heutigen Deutschlands), und auch bestimmte Fragestellungen wie die Siedlungsgeschichte. Überall dort sind wir völlig oder fast völlig auf schriftloses Material, konkret auf die Erkenntnisse der Archäologie angewiesen. Deshalb darf man sich durchaus fragen, ob die oben angesprochene Arbeitsteilung zwischen (Alter) Geschichte und (prähistorischer) Archäologie nicht lediglich pragmatisch betrachtet werden sollte. Andererseits ist aber unstrittig, dass zum Beispiel Politik- und EreignisgeschichteEreignisgeschichte, IdeengeschichteIdeengeschichte (auch Details der ReligionsgeschichteReligionsgeschichte) und MentalitätsgeschichteMentalitätsgeschichte nicht oder nur unvollkommen ergründet werden können, wenn Schriftquellen ganz fehlen. Schriftliches Material vervielfacht also die Möglichkeiten der historischen Forschung, und vor diesem Hintergrund ist es vielleicht doch gerechtfertigt, die Geschichte im engeren Sinne mit der SchriftlichkeitSchriftlichkeit beginnen zu lassen.
2.1.4 Quellengattungen und Hilfswissenschaften
Bei der weiteren Untergliederung der schriftlichen und nichtschriftlichen Quellen sind mehrere Varianten denkbar. Man kann die Schriftquellen in Literaturgattungen oder Textsorten einteilen, man kann die schriftlosen Quellen danach unterscheiden, ob es sich um Kunstgegenstände handelt oder um Alltagsrealien usw. Für die folgenden Ausführungen wurde ein anderes Prinzip als Leitfaden gewählt, nämlich die Orientierung an wichtigen Hilfs- und Nachbardisziplinen, die sich im Laufe der Zeit mit den jeweiligen Quellengattungen verbunden haben und auf deren Spezialkenntnisse auch die Historiker immer wieder zurückgreifen müssen. Auf diese eher praktische Weise kann man die Quellen der Alten Geschichte unterteilen in:
1 Literarische Quellen – gemeint sind damit die durch die mittelalterliche Handschriftentradition überlieferten Texte, mit denen sich die Latinistik und die Gräzistik beschäftigen;
2 Inschriften, mit denen sich die Epigraphik befasst;
3 auf PapyrusPapyrus überlieferte Texte, die von der Papyrologie bearbeitet werden;
4 Münzen, um die sich die Numismatik kümmert, und
5 die materielle Hinterlassenschaft, die der Gegenstand der verschiedenen archäologischen Fächer ist.
Literatur
H. Bengtson, Einführung in die Alte Geschichte, 8. Aufl., München 1979.
E. Bernheim, Einleitung in die Geschichtswissenschaft, ND Leipzig 1912.
J.G. Droysen, Historik: Vorlesungen über Enzyklopädie und Methodologie der Geschichte, hg. von P. Leyh und H.W. Blanke, Stuttgart 1977ff. (Erstveröffentlichung: „Grundriß der Historik“, 1858).
P. Kirn/J. Leuschner, Einführung in die Geschichtswissenschaft, 6. Aufl., Berlin/New York 1972.
K. Meister, Einführung in die Interpretation historischer Quellen. Schwerpunkt: Antike, 2 Bde., Paderborn u.a. 1997–99.
2.2 Literarische Quellen – die Philologien
2.2.1 Die Handschriftenüberlieferung
Nur ein Bruchteil der griechischen und lateinischen Literatur des Altertums existiert heute noch. Wie die genauen Zahlen aussehen, ist ungewiss. Manfred FuhrmannFuhrmann, Manfred geht beispielsweise davon aus, „dass nicht einmal ein Hundertstel der römischen Literatur – der lateinischen Werke also, die in dem halben Jahrtausend von etwa 250 v. Chr. bis 250 n. Chr. entstanden sind – erhalten blieb“. Diese Schätzung ist vielleicht zu pessimistisch, und für die antike griechische Literatur oder die lateinische Literatur der Zeit nach 250 n. Chr. mögen die Verhältnisse teilweise etwas besser aussehen. Dennoch ist unbestreitbar, dass in der Tat der Löwenanteil des antiken Schrifttums – höchstwahrscheinlich für immer – verloren gegangen ist. Dies ergibt sich schon daraus, dass in den erhalten gebliebenen antiken Schriften sowie in späteren EXZERPTEN und Katalogen eine Vielzahl von Autoren und Werken erwähnt werden, die eben nicht überliefert wurden. Dabei trat ein Teil der Verluste bereits in der Antike selbst auf, doch die meisten Fäden rissen – im Osten wie im Westen – erst im 7. und 8. nachchristlichen Jahrhundert ab.
Handschrift auf Papyrus in jüngerer römischer Kursive aus dem 4. Jh. n. Chr., gefunden in Ägypten
Die auf uns gekommene antike Literatur wurde größtenteils in Klöstern durch die Jahrhunderte des Mittelalters hindurch handschriftlich tradiert. Als man dann in der frühen Neuzeit begann, sich für diese Texte wieder stärker zu interessieren, stellte man fest, dass verschiedene Handschriften ein und desselben Werkes mitunter voneinander abweichen konnten. Das ständige Abschreiben hatte im Laufe der Zeit also zu zahlreichen Fehlern geführt, und darüber hinaus war es offenbar auch zu anderen Veränderungen des ursprünglichen Wortlautes gekommen, wie z.B. zu Anmerkungen, INTERPOLATIONEN oder gar irrtümlichen ‚Verbesserungen‘ der Kopisten. All dieses bezeichnet man als KORRUPTELEN, d.h. als verderbte Textstellen. Die Konsequenz aus dieser Beobachtung musste daher sein, durch genaue Handschriftenvergleiche (KOLLATIONKollation) und darauf aufbauende Überlegungen einen ‚Urtext‘ zu erschließen. Dieses Bemühen, die so genannte TextkritikTextkritik, die sich besonders seit dem 15.Jahrhundert erkennen lässt, war letztlich die Geburtsstunde der Klassischen PhilologiePhilologie. Nach reflektierten methodischen Regeln, und damit als Wissenschaft betrieben, wird die Klassische Philologie freilich erst seit dem 19.Jahrhundert; damals verfestigte sich im Zuge der allgemeinen akademischen Institutionalisierung auch ihre Aufspaltung in die beiden sprachlichen Teilbereiche der Gräzistik und der Latinistik.
2.2.2 Die wissenschaftliche TextkritikTextkritik
Die wissenschaftliche TEXTKRITIKTextkritik nun hat noch heute ihren festen Platz in diesen Fächern. Dabei geht es, wie gesagt, darum, zu einem möglichst originalgetreuen Text eines antiken Werkes zu gelangen. Der erste Arbeitsschritt, der in diesem Zusammenhang zu leisten ist, besteht darin, alle Handschriften, in denen ein Werk überliefert ist, zusammenzutragen (HEURISTIKHeuristik). Falls es daneben Zitate aus dem betreffenden Werk bei anderen antiken, seltener bei mittelalterlichen Autoren gibt, müssen selbstverständlich auch diese – als sehr alte Textversionen – berücksichtigt werden. Diese werden als TESTIMONIEN bezeichnet. Im Einzelfall mag es ferner notwendig sein, frühe Drucke hinzuzuziehen, wenn diese noch auf mittlerweile verschollene oder nicht mehr gut lesbare Handschriften zugreifen konnten. Bei manchen Werken wiederum, die in einer sehr großen Zahl von MANUSKRIPTEN vorliegen (so gibt es etwa über eintausend Vergilhandschriften), zwingt die Arbeitsökonomie dazu, in einer sehr groben Sichtung die Masse der jüngeren Handschriften auszuscheiden und sich ganz auf die alten Versionen zu konzentrieren. Danach gilt es, aus den auf diese Weise gesicherten Überlieferungsvarianten einen ‚Handschriftenstammbaum‘, ein so genanntes STEMMAStemma, aufzustellen (→ Abb. 5). Dies geschieht dadurch, dass die einzelnen Handschriften in Gruppen eingeteilt werden, die dieselben Fehler enthalten bzw. bei denen man anhand der Fehler erkennen kann, wie sie sich auseinanderentwickelt haben. Das Resultat dieser Rekonstruktion der Überlieferungsgeschichte ist im Idealfall eine – unter Umständen aber immer noch mit Fehlern behaftete – hypothetisch erschlossene älteste Überlieferungsversion, der so genannte ARCHETYPUSArchetypus. Von diesem Ausgangspunkt wird dann, gegebenenfalls mithilfe von Testimonien, der Text hergestellt (RECENSIORecensio). Hierbei kommt es immer wieder vor, dass verschiedene gleichrangige Textvarianten (Lesarten) gegeneinander abgewogen werden müssen. In diesem Zusammenhang ist üblicherweise der Grundsatz leitend, dass die schwierigere Lesart vorzuziehen ist, da es sich bei ihr, angesichts der Vereinfachungstendenzen in der Überlieferung, wahrscheinlich um die ursprünglichere handelt (lectio difficilior potior). Ferner gibt es in beinahe jedem aus dem Altertum stammenden Text Stellen, die aus sprachlichen oder sachlichen Gründen, obwohl sie eindeutig überliefert sind, als Fehler identifiziert und verbessert werden (EMENDATIONEmendation/ KONJEKTURKonjektur).