empfindet oder mit den äußerlichen Sinnen erkennt. Deshalb ist Empfinden wider den Glauben, Glaube wider das Empfinden (10I.2, 222, 20–26). Gott möchte, dass man auf seine Güte baut, ehe man sie erfährt oder fühlt (8, 359, 5–11). Gott handelt so wunderbar, dass es wider alle Vernunft und Erfahrung ist (14, 370, 25–27). Es ist dem Fleisch und der Vernunft unmöglich zu verstehen, dass da solle Leben anfangen, wo das Leben endet. Denn es ist zu sehr wider und über Sinn, Brauch und Erfahrung aller Welt (19, 352, 19–23). Das ist die Art göttlichen Wortes, dass es höhere und widersinnige Dinge vorhält, als alle Sinne und Vernunft begreifen und alle Erfahrung fühlt (19, 394, 22f.). Dass bei Gott nichts ist als Wohltun, Lieben, Sorgen, glaube ich; auch wenn das Gegenteil in Sinn, Erfahrung, Tatsache, Wirklichkeit erscheint, gebe ich darauf nichts. Ich folge nicht dem Sinn, der Sache, sondern dem Wort (40III, 372, 8–10). Wie sehr würden wir irren, wenn wir immer, nachdem wir das Wort empfangen haben, dem Sinn und unserer Erfahrung folgen wollten (40III, 372, 17–19).
3. Der heilige Schrift ist gewisser als alles Erfahren (10II, 299, 10f.). Die heilige Schrift will nicht allein durch Nachdenken verstanden werden, sondern durch Erfahrung ganz verdeutlicht werden (26, 55, 36).
4. Wer lernt, sorgfältig das Gesetz vom Evangelium zu unterscheiden, nicht nur durch Worte, sondern auch mit dem Gefühl und der Erfahrung, das heißt in Herz und Gewissen, unterscheidet beide wohl voneinander (40I, 209, 17–20).
📖 Ulrich Köpf, Erfahrung III. Theologiegeschichtlich, III / 1 Mittelalter und Reformationszeit, in: TRE 10 (1982) 109–116. Hans Michael Müller, Erfahrung und Glaube bei Luther, 1929. Sebastian Degkwitz, Wort Gottes und Erfahrung, 1998. Karl-Heinz zur Mühlen, Mystische Erfahrung und Wort Gottes bei Martin Luther, in: Johannes Schilling, Hg., Mystik, 2003, 45–66.
Erfüllung
→ Erhörung; vgl. Figur, Verheißung
1. Das Gesetz und die Propheten werden nur durch die Liebe erfüllt (1, 502, 23). Bei den Zehn Geboten müssen wir begreifen, dass die Erfüllung besteht in der Liebe gegen andere und nicht gegen uns, denn der Mensch tut, lässt und sucht sich selbst schon zuviel (10II, 388, 11–13). Wo Glaube und Liebe sind, da sind alle Gebote erfüllt und aufgehoben und frei gemacht, also dass nach Christi Ankunft kein Gebot mehr not |62|ist, es sei denn von Glauben oder Liebe (12, 128, 2–25; vgl. 10I.1, 12, 12–17). Gottes Gebot wird mit Werken nicht erfüllt (10I.1, 258, 9).
2. Niemand kann das Gesetz erfüllen, er sei denn vom Gesetz los und nicht mehr darunter (10I.1, 359, 21f.). Gott will freiwillige Wohltäter haben (10I.1, 363, 9).
3. Wir haben durch das Gesetz Erkenntnis, aber allein durch Christus seine Erfüllung und Durchführung (2, 523, 15). Christus hat das Gesetz erfüllt und alles getan aus freiem Willen, nicht aus Not und Zwang des Gesetzes. Ohne ihn kann niemand das Gesetz erfüllen (10I.1, 362, 4–6). Das Gesetz fordert einen freien, fröhlichen, lustigen Willen, den der Glaube Christi allein gibt, wo derselbe ist, da hört das Gesetz auf zu fordern, ihm ist genug geschehen und es ist erfüllt (10I.1, 466, 16–20). Das Evangelium lehrt, wie das Gesetz Gottes geistlich und unmöglich der Natur zu erfüllen sei, sondern der Geist Gottes müsse es durch den Glauben erfüllen (10I.1, 670, 4–6). Die Gerechtigkeit, die das Gesetz fordert, geschieht nicht durch das Gesetz, das die Sünde offenlegt und Zorn wirkt, sondern durch Christus, der allein den Willen Gottes erfüllt hat und das Gesetz erfüllte und den heiligen Geist annahm. Wer immer also diese Wohltat Christi durch den Glauben annimmt, der hat das Gesetz durch Anrechnung erfüllt und den Geist erhalten, der das Gesetz, das dem Fleisch verächtlich und lästig ist, erfreulich und süß macht (39I, 388, 1–6; vgl. 373, 23f.). Durch den Glauben wird uns die Erfüllung des Gesetzes möglich. Durch Christus werden wir gerechtfertigt, und als Gerechtfertigte erfüllen wir das Gesetz. Also geschieht die Erfüllung des Gesetzes wegen der Rechtfertigung (39I, 443, 7–10). Der Glaube allein bewirkt, dass uns alle Sünden vergeben werden und so ist der ganze Dekalog erfüllt durch den Glauben, weil allein der Glaube mir Christus schenkt, der die Erfüllung und das Ende des Gesetzes ist (39I, 482, 13–16). Die Gnade ist im eigentlichen Sinn die Erfüllung des Gesetzes, die Vergebung der Sünden, die Gerechtigkeit und das Leben in Christus (39I, 368, 11f.).
Erkenntnis
→ Vernunft, Wissen
Erkennen heißt nicht mit den Augen ansehen, wie die Kuh das Tor ansieht, sondern von Herzen sich eines Dinges annehmen (51, 38, 39–39, 17).
1. Erkenntnis Christi: Christus kann niemand erkennen aus Fleisch und Blut, sondern der Vater im Himmel muss ihn offenbaren (2, 246, 30f.), allein durch Gottes Gnade (10I.1, 580, 12–15). Wer Christus nicht erkennt, der mag das Evangelium hören oder das Buch in den Händen tragen, aber seinen Verstand hat er noch nicht, denn Evangelium ohne Verstand haben ist kein Evangelium haben. Die Schrift haben ohne Erkenntnis Christi, ist keine Schrift haben (10I.1, 628, 3–7). Unmöglich ist es, dass Christus und sein Evangelium erkannt werden durch Vernunft, sondern allein der Glaube ist hier die Erkenntnis (10I.1, 628, 18–20). Die Erkenntnis Christi darf nicht als spekulative aufgefasst werden, durch die Christus nur objektiv erkannt würde. Denn diese ist tot, und die Dämonen besitzen sie so weit, so dass sie die Häretiker und Vermessenen durch sie leicht in die Irre führen. Sondern sie ist als praktische zu verstehen, d.h. als Leben, Wesen und Erfahrung am Beispiel und Bild Christi, damit |63|schon Christus nicht der Gegenstand unserer Erkenntnis sei, sondern eher wir der Gegenstand seiner Erkenntnis. Dies heißt, dass Gott zuerst Fleisch geworden ist, bevor das Fleisch Gott wird. Deshalb muss sich Gott in allen zuerst inkarnieren, bevor sie in Gott verwandelt werden, und daher hat der platonische Satz recht: Gleiches wird durch Gleiches erkannt (57II, 94, 4–13). Christus erkennen heißt nichts anderes, als ihn zu erkennen erstens als eine Gabe und Geschenk, zum andern als ein Exempel. Das heißt Christus recht erkennen, dass er uns mit allem, was er hat, aus lauter Güte Gottes geschenkt ist, und dass er für uns genug getan, die Seligkeit und das ewige Leben erworben hat, und dass uns dies alles ohne unser Verdienst gegeben wird durch ihn und um seinetwillen (10I.2, 247, 28–37). Zur Befreiung vom Tod und von den Sünden gibt es keinen anderen Grund als Christus zu erkennen und um ihn zu wissen. Allein diese Erkenntnis wird uns befreien und es gibt keinen anderen Trost. Diejenigen, die die Erkenntnis als aktive verstehen, haben Unrecht. Sie ist gemeint von einer Erkenntnis, durch die Christus erkannt und gewusst wird durch die Predigt, nämlich dass Christus der Sohn Gottes sei. Das ist eine wunderbare Definition der Gerechtigkeit, dass sie die Erkenntnis Gottes sei, damit das Herz sich nur auf die Erkenntnis des gekreuzigten Christus verlässt. Die menschliche Vernunft kann diese Gerechtigkeit weder finden noch verstehen, die ihrem Wesen nach nichts anderes ist als die Erkenntnis Christi, d.h. der Glaube, durch den Christus ins Herz aufgenommen wird (25, 337, 10–27).
2. Gotteserkenntnis: Der Apostel lehrt, dass unser Erkennen Gottes unser Erkanntwerden durch Gott sei (57II, 90, 3f.). Wer sicher zur Liebe und Erkenntnis Gottes aufsteigen will, der weise die menschlichen und metaphysischen Regeln der Erkenntnis der Gottheit zurück und übe sich zuerst in der Menschheit Christi (57III, 99, 5–8). Der erkennt Gott recht, der weiß, dass Gott auf die Niedrigen sieht und aus der Erkenntnis folgt dann Liebe und Vertrauen zu Gott, so dass sich der Mensch ihm willig ergibt und folgt (7, 564, 20–22). Wir sind von Gott erkannt und schon begriffen, aber wir erkennen und begreifen ihn noch nicht. Denn unsere Erkenntnis ist noch im Glauben zugedeckt und verschlossen (10I.1, 109, 11–13). So muss die Erkenntnis herkommen nicht aus unseren Gedanken, nicht aus unserem Vermögen, nicht aus unseren Herzen, sondern der heilige Geist muss sie geben (21, 6, 38–7, 15; vgl. 31I, 405, 3–5). So erkennt nun die Vernunft Gott aus dem Gesetz Mose, aber nach dem Evangelium weiß die Vernunft nichts von Gott, denn es ist eine neue Offenbarung, die vom Himmel gekommen ist und nicht allein uns anbietet und lehrt die Zehn Gebote, sondern dass wir Menschen alle in Sünden empfangen und verloren sind und niemand das Gesetz halte, aber die da wollen selig werden, die müssen allein aus lauter Gnade und Wahrheit durch Jesus Christus selig werden (46, 671, 26–32).
3.