Reinhold Rieger

Martin Luthers theologische Grundbegriffe


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und jeden Christen durch die Selbsterkenntnis und durch die Gotteserkenntnis (4, 132, 26–29). Weil wir in Adam zur Ähnlichkeit mit Gott aufstiegen, deshalb stieg Christus herab in die Ähnlichkeit mit uns, damit er uns zur Selbsterkenntnis führte. Dies geschah durch das Geheimnis der Menschwerdung (5, 128, 39–129, 1). Soll der Mensch geistlich werden und den Glauben bekommen, ist ihm not, dass er zuvor unter dem Gesetz sei. Darum niemand sich selbst ohne das Gesetz erkennt, was ihm gebricht, wer sich aber nicht erkennt, der sucht nicht Gnade (10I.1, 426, 1–4). Also ist diese theologische Erkenntnis notwendig, dass der Mensch sich selbst erkennt, d.h. dass er weiß, empfindet und |64|erfährt, dass er der Sünde angeklagt ist und dem Tod verfallen, dann auch, dass er das Gegenteil weiß und erfährt, dass Gott der Rechtfertigende sei und der Erlöser dieses Menschen, der sich so erkennt (40II, 328, 30–33).

      📖 Gerhard Ebeling, Cognitio Dei et hominis, in: ders., Lutherstudien, Band 1, 1971, 221–271. Joachim Ringleben, Die Einheit von Gottes- und Selbsterkenntnis, in: ders., Arbeit am Gottesbegriff Band 1, 2004, 18–28.

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      Erleuchtung

      → Offenbarung

      1. Das Gesetz wurde der Vernunft hinzugefügt, damit es den Menschen erleuchte und ihm helfe und zeige, was zu tun und was zu lassen ist (40I, 396, 17f.). Das Evangelium erleuchtet zum Geistlichen und verhüllt das Fleischliche (4, 397, 40f.).

      2. Christus erleuchtet jeden Menschen, der in die Welt kommt, durch das Evangelium. Das Evangelium wird gepredigt jedem Geschöpf (5, 267, 14–18; 10I.1, 235, 9–13; 522, 1–3). In uns sind wir Sünder und gottlos, in der Erleuchtung Christi sind wir gerecht und heilig (31II, 513, 14–18).

      3. Ich glaube, dass ich nicht aus eigener Vernunft noch Kraft an Jesus Christus meinen Herrn glauben oder zu ihm kommen kann, sondern der heilige Geist hat mich durchs Evangelium berufen, mit seinen Gaben erleuchtet, im rechten Glauben geheiligt und erhalten, gleichwie er die ganze Christenheit auf Erden beruft, sammelt, erleuchtet, heiligt und bei Jesus Christus erhält im rechten einigen Glauben (30I, 367, 4–368, 3; vgl. 40I, 400, 32f.).

      4. Glauben ist durch Gott erleuchtet werden und Gott erkennen, wodurch wir wissen, was Gott für uns tun will (9, 481, 5). Erleuchtet werden ist glauben und den heiligen Geist empfangen (31II, 500, 27f; vgl. 5, 118, 1–3).

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      Erlösung

      → Heil

      1. Dass Christus bestimmt kein Gesetzgeber, sondern Versöhner und Erlöser ist, das fasst der Glaube auf (40I, 232, 29–31).

      2. Nicht die Hand vom Werk, nicht die Person vom Orden, nicht den Leib vom Stand, sondern die Seele von dem falschen Wahn und das Gewissen von dem falschen Glauben erlöst Christus. Er ist ein Erlöser der Gewissen (10I.1, 492, 12–15). Christus hat uns geistlich vom Gesetz erlöst, nicht das Gesetz zerbrochen und abgetan, sondern unser Herz, das zuvor ungern darunter war, so verwandelt, so viel Gutes ihm getan und das Gesetz so lieblich gemacht, dass es keine große Lust noch Freude hat als in dem Gesetz (10I.1, 459, 16–20). Nicht unsere Werke, sondern Christi Blut hat uns erlöst, wenn wir dies glauben (12, 155, 12–16). Obwohl dies Werk unserer Erlösung durch sein Blut am Kreuz einmal geschehen und genug ist, aller Welt Sünde wegzunehmen, so hat er es doch so gestiftet, dass dessen Kraft ewig bleibe und durch den heiligen |65|Geist täglich ausgeteilt und uns dargereicht werde (21, 287, 16–20). Erlösung bedeutet Befreiung und zwar eine allgemeine sowohl von der Schuld wie von der Strafe, wenngleich mehr von der Schuld (40III, 373, 23f.).

      3. Der Glaube erlöst von Sünden, Tod und Hölle, und macht alle Dinge überwinden (10I.1, 12, 9f.). Der Glaube vertilgt die Sünde und erlöst vom Tod. Nun ist Seligkeit nichts anderes als Erlösung von Sünden und vom Tod (10I.1, 422, 2–11). Weil allein der Glaube, bevor und ehe die Werke folgen, den Erlöser ergreift, so muss es wahr sein, dass allein der Glaube, vor und ohne Werke, solche Erlösung fasse, welches nichts anderes sein kann als gerecht sein oder werden. Aber nach solchem Glauben oder empfangener Erlösung oder Sündenvergebung oder Gerechtigkeit folgen gute Werke als Früchte des Glaubens (30III, 367, 22–34).

      4. Christus erlöst vom Gesetz nicht durch Zerbrechen und Abtun des Gesetzes, sondern durch Gabe eines freiwilligen Geistes, der alles tut ungetrieben, ungezwungen, unangesehen von Drohen und Lohn, gerade als wäre das Gesetz nicht. Diesen Geist bekommt man nicht anders als durch den Glauben. Denn wer glaubt, dass Christus gekommen sei und alles solches getan habe, dass er uns erlöst, der ist gewiss erlöst, denn wie er glaubt, so geschieht ihm. Der Glaube bringt mit sich den Geist, der ihn zum Kind Gottes macht (10I.1, 362, 10–363, 2).

      5. Die Werkheiligen erlösen sich selbst und andere durch Gesetz oder ihre Vernunft und freien Willen von Ungerechtigkeiten, das ist, die äußeren Werke lassen sie wohl durch Gebote, Pein, Strafe oder Lohn und Genuss, aber das ist der Schaum von der Ungerechtigkeit, das Herz bleibt dennoch voll ungöttlichen, gnadenlosen Wesens und weltlicher Begierden, und sie sind weder an Leib noch Seele gerecht. Christus erlöst aber durch den Glauben von aller Ungerechtigkeit (10I.1, 51, 12–18).

      6. Es gibt einen Unterschied zwischen Erlösung und Predigt der Erlösung. Durch das Werk Christi, das er am Kreuz vollbracht hat, hat er die Erlösung erworben, durch das Wort, wenn es gepredigt wird, ist Christus dein und du wirst erlöst (17I, 166, 7–20).

      📖 Albrecht Beutel, Hg., Luther Handbuch, 3. Aufl. 2017, 428–439. Theodosius Harnack, Luthers Theologie 2, 1886. Wilhelm Rau, Das Zeugnis Luthers von der Verlorenheit des Menschen und seiner Erlösung durch Christus, 1991.

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      Erwählung

      1. Die beste und unfehlbare Vorbereitung zur Gnade und die einzige Bereitung ist die ewige Erwählung Gottes und Vorherbestimmung (1, 225, 27f.). Die Vorherbestimmung und die Festigkeit der Erwählung, nicht die Gerechtigkeit des menschlichen Willens sind die Ursache des Heils. Die Erwählung und nicht die Gerechtigkeit errettet (56, 89, 15–18). Gott verwirft sein Volk nicht, er nimmt auch den, der verzweifelt war, an und beweist so, wie fest seine Vorherbestimmung und Erwählung ist, dass sie auch nicht durch eine so große Verzweiflung beirrt werden könnte (56, 429, 1–3). Da die göttliche Verheißung und Vorherbestimmung nicht täuschen können, wird es unzweifelhaft und unfehlbar konsequent sein, dass alles, was verheißen wird, zuverlässig ist, und so besteht der Glaube an die Verheißungen nicht in der Notwendigkeit der Werke und des Vertrauens auf sie, sondern auf der Gewissheit der göttlichen |66|Erwählung (2, 513, 6–9). Es liegt nicht an unserem Willen, sondern an Gottes Willen und Erwählung (12, 262, 12–13). Gott hat beschlossen, er wolle uns nicht selig machen durch unsere Werke, und will auch damit nichts zu schaffen haben, will unseren Willen und Erwählen nicht annehmen, sondern dass wir annehmen, was er will, erwählt und setzt (12, 428, 38–41).

      2. Was ist die Angst um die Vorherbestimmung anderes als über die Ungewissheit des göttlichen Ratschlusses ungeduldig sein? Was macht die Ungeduld anderes, als dass sie Gott versucht, wenn sie seines Ratschlusses gewiss sein will? Sie hasst, dass Gott Gott ist, weil sie ihn nicht anders wissen will, als sie es weiß (5, 173, 2–6). Wegen der Vorsehung soll man sich keine vorwitzige Sorge machen. Denn Gott hat seine Gebote gegeben, sich im Glauben und in der Liebe zu üben. Die Vorsehung ist Gott zu überlassen (10III, 112, 1–4). Wer große Furcht hat, nicht erwählt zu sein oder über seine Erwählung beunruhigt ist, stattet mit dieser Furcht Dank ab und freut sich in ihr, da er mit Vertrauen weiß, dass Gott nicht täuschen kann. Also begibt er sich aus der Vorsehung des erschreckenden Gottes getrost in die Wahrheit des verheißenden Gottes, und wird gerettet und erwählt (56, 387, 20–26).

      3. Es gibt drei Grade des Anzeichens der Erwählung: Erstens bei denen, die mit diesem Willen Gottes zufrieden sind und nicht gegen Gott murren, vertrauen wahrhaft darauf, erwählt zu sein, und