Reinhold Rieger

Martin Luthers theologische Grundbegriffe


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und doch noch auf Erden sind, zeigt an, dass der ganzen Christenheit kein anderes Haupt ist, auch auf Erden, als Christus, da sie keinen anderen Namen hat, als von Christus (6, 295, 6–9). Die Christenheit ist eine geistliche Versammlung der Seelen in einem Glauben, und niemand wird seines Leibes halben für einen Christen geachtet, damit er wisse, die natürliche, eigentliche, rechte, wesentliche Christenheit bestehe im Geist und in keinem äußerlichen Ding, wie das genannt werden mag. Denn alle anderen Dinge mag ein Nichtchrist haben, ausgenommen den rechten Glauben, der allein Christen macht (6, 296, 5–12). Alle Christen sind wahrhaftig geistlichen Standes und es ist unter ihnen kein Unterschied als allein des Amts halben. Das kommt daher, dass |51|wir eine Taufe, ein Evangelium, einen Glauben haben und gleiche Christen sind, denn Taufe, Evangelium und Glauben machen allein geistlich und zum Christenvolk (6, 407, 13–18). Wenn du Christus fasst als eine Gabe, dir zu eigen gegeben, und zweifelst nicht daran, so bist du ein Christ, der Glaube erlöst dich von Sünden, Tod und Hölle, macht, dass du alle Dinge überwindest (10I.1, 12, 7–10). Der ist ein Christ, der glaubt; wer glaubt, der hat den heiligen Geist. Darum hat jeder Christ die Gewalt, die der Papst, Bischöfe, Pfaffen und Mönche haben, die Sünde zu behalten oder zu erlassen (10I.2, 239, 17–20). Christsein besteht nicht im Tun oder Geben, sondern im Nehmen, im Empfangen von Christus (10I.2, 432, 1–6). Christus gibt Macht allen Christen, Richter zu sein über alle Lehre und zu urteilen, was da recht sei oder nicht (10I.2, 334, 9f.). Jeder Christenmensch ist zweierlei Natur, geistlicher und leiblicher. Nach der Seele wird er ein geistlicher, neuer, innerlicher Mensch genannt, nach dem Fleisch und Blut wird er leiblicher, alter und äußerlicher Mensch genannt (7, 21, 12–15). Die zwei Teile des Christen sind das innerliche Wesen, das der Glaube ist, und das äußerliche, das Fleisch. Als Glaubender ist er geistlich König und Priester, als fleischlicher lebt er noch in Sünde (12, 322, 26–323, 6). Der Christ ist als Glaubender Herr über alles, denn er ist geistlich von nichts Weltlichem abhängig (7, 27, 17–24). Ein Christ hat äußerlich viel Leiden und Anfechtung, aber doch kann er ein getrostes, fröhliches Herz und Mut zu Gott haben (45, 472, 40–473, 2). Der Christ muss zweifach betrachtet werden, nach der Kategorie der Relation und nach der der Qualität. Wenn er nach der Relation betrachtet wird, dann ist er heilig, wie ein Engel, durch die Anrechnung der Gerechtigkeit Christi. Aber der Christ nach der Qualität betrachtet ist voll von Sünde (39II, 141, 1–6). Wir definieren den Christen nicht als solchen, der keine Sünde hat oder nicht empfindet, sondern dem sie von Gott wegen des Glaubens an Christus nicht angerechnet wird. Diese Lehre bringt einen festen Trost den Gewissen, die in großer Angst sind (40I, 235, 15–18). Die Christenheit ist eine geistliche Gemeinde, die unter die weltliche Gemeinde nicht gezählt werden kann, so wenig wie der Glaube unter die zeitlichen Güter (6, 295, 22–24).

      2. Werden: Die Christenheit wird nicht mit Menschenlehre oder Werk gebaut, sondern mit dem Wort und der Gnade Gottes allein (1, 202, 7f.; 7, 22, 3–5). Christus als eine Gabe nährt den Glauben und macht zum Christen. Aber Christus als ein Exempel übt die Werke, die machen nicht zum Christen, sondern sie gehen aus dem schon zuvor gemachten Christen hervor (10I.1, 12, 17–20). Also wird nun einer Christ nicht aus Werken und menschlichen Satzungen, sondern aus der Gnade und Gütigkeit Christi (10I.2, 438, 11f.). Wir sind Christen, wenn wir das Wort Gottes hören, es annehmen und glauben, dass das Wort gewiss und wahrhaftig sei (33, 397, 32–36).

      3. Leben, Ergehen: Das christliche Leben ist Versuchung, Kampf und Auseinandersetzung (2, 584, 28f.). Christen stecken in großen Anfechtungen und Verfolgungen von Sünden und allerlei Übel, dass ihnen dies Leben sauer und hässlich wird (10I.2, 109, 30f.; 10I.2, 254, 14f.). Der Glaube bringt und gibt dir Christus zueigen mit allen seinen Gütern. Die Liebe gibt dich deinem Nächsten mit allen deinen Gütern, und in diesen zweien besteht ein lauteres und vollkommenes christliches Leben. Danach folgen Leiden und Verfolgung um solches Glaubens und Liebe willen, daraus wächst dann Hoffnung in der Geduld (10I.2, 38, 2–7). Es kann einer wohl fromm sein, aber nicht ein Christ. Ein Christ weiß von seiner Frömmigkeit nichts zu sagen, er findet in sich nichts Gutes noch Frommes, und soll er fromm sein, so muss er sich nach einer |52|anderen und fremden Frömmigkeit umsehen (10I.2, 430, 30–35). Der wahre Christ wird in Widrigkeiten erhoben, indem er Gott vertraut, im Glück niedergedrückt, indem er Gott fürchtet, er wird nicht verstört, wenn er leidet, und rühmt sich nicht, wenn er geehrt wird, er ist immer gleichmütig (2, 613, 3–6). Ein Christ tut kein Werk, als sei er dazu gedrungen, sondern mit einem fröhlichen Mut, als wäre es nicht geboten (9, 662, 6–10). Ein christliches Leben besteht darin, dass wir durch fremde Werke fromm und gerecht werden müssen, nämlich durch Christi Werke, den wir allein durch den Glauben haben können. Dieser Glaube bringt mit sich natürlich die Liebe, durch die wir unserem Nächsten tun, wie wir erkennen, dass uns Gott getan hat (17II, 297, 4–8). Glaube und Liebe sind die zwei Teile des Christentums. Der Glaube ist das Versöhnungsmittel, das die Sünden versöhnt, durch die wir schuldig vor Gott sind. Die Liebe zügelt die Sünden äußerlich, wenngleich sie durch viele Sünden vor Gott verunreinigt ist (20, 707, 15–20).

      4. Wirken: Ein Christenmensch, der in der Zuversicht gegenüber Gott lebt, weiß alle Dinge, vermag alle Dinge, vermisst sich aller Dinge, was zu tun ist, und tut es alles fröhlich und frei, nicht um viele gute Verdienste und Werke zu sammeln, sondern dass es ihm eine Lust ist, Gott wohlzugefallen dient er umsonst Gott (6, 207, 26–30). Alle Christen sind wahrhaftig geistlichen Standes und es ist unter ihnen kein Unterschied als des Amts halben allein, denn sie haben eine Taufe, ein Evangelium, einen Glauben, und sind alle gleich Christen, denn Taufe, Evangelium und Glauben machen allein geistlich und ein Christenvolk. Demnach werden wir allesamt durch die Taufe zu Priestern geweiht (6, 407, 13–23). Ein christlicher Wandel und Liebe bestehen nicht darin, dass sie fromme, gerechte, heilige Menschen finden, sondern dass sie fromme, gerechte, heilige Menschen machen, wie ein Christ nicht darum lebt, dass er reiche, starke, gesunde Menschen finde, sondern aus den armen, schwachen, kranken solche Leute mache (10I.2, 69, 14–20). Die christliche Lehre, die die Gewissen befriedet, macht die Christen zu Richtern über alle Lehren und zu Herren über alle Gesetze der ganzen Welt (40I, 236, 17–19).

      5. Einigkeit: Da die Christenheit eine Taufe, einen Glaube, einen Herrn hat, besitzt sie eine geistliche Einigkeit (6, 293, 1–12).

      6. Unterscheidung zwischen Christ und Weltperson: Ein Christ soll keinem Übel widerstehen, als eine Weltperson soll er allem Übel wiederstehen, so weit sein Amt geht (32, 393, 23–39). Christsein ist ein anderes Ding als ein weltliches Amt oder Stand haben (32, 394, 14–16).

      📖 Friederike Portenhauser, Identität als Nichtidentität. Zum Verständnis des Christen nach Paulus, Luther und Bultmann, in: Ulrich H. Körtner, Hg., Bultmann und Luther, 2010, 209–231. Luthers Ethik, in: LuJ 76 (2010).

       [Zum Inhalt]

      Dank

      → Ehre

      Danksagen ist nichts anderes als Bekennen der empfangenen Wohltat und des Wohltäters Güte und des Bedürftigen Unwürdigkeit; wer solches erkennt und bekennt, der dankt rechtschaffen (10I.1, 437, 20–438, 3).

      |53|1. Es ist kein Menschenwerk, Gott mit Freuden loben. Es ist mehr ein fröhliches Erleiden und allein ein Gotteswerk, das sich mit Worten nicht lehren, sondern nur durch eigene Erfahrung kennen lässt (7, 550, 9–11). Wir können nichts Gott geben; denn es ist schon alles sein, und wir haben alles von ihm, allein Lob, Dank und Ehre können wir ihm geben (10I.1, 714, 12–14). Lob Gottes ist nichts anderes als die von Gott empfangene Wohltat zu bekennen und dieselbe nicht uns, sondern allein ihm zuschreiben. Dies Loben und Bekennen geschieht zweierlei Weise: einmal vor Gott allein, zum andern vor den Menschen, und ist eigentlich Werk und Frucht des Glaubens (10I.1, 715, 1–5). Das ist auch der einzige, rechte, christliche Gottesdienst, Gott loben und danken (10I.2, 61, 2–6; 31I, 404, 32–34). Wer Gott danken soll, der muss erkennen und bekennen von Herzen, dass es lauter Gottes Gnaden und Gaben seien, wofür er dankt. Niemand kann Gottes Gaben erkennen durch seine Vernunft, sondern der heilige Geist muss es seinem Herzen zeigen (31I, 405, 2–5).

      2. Wer nicht dankt, sondern verdienen will, der hat keinen Gott und macht inwendig in seinem Herzen und auswendig in seinen Werken einen anderen Gott aus dem rechten Gott (30II, 602, 33–35).

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