Reinhold Rieger

Martin Luthers theologische Grundbegriffe


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Amt zu strafen, und ein anderes, hassen und rachgierig sein oder Böses wünschen und nicht vergeben wollen (21, 416, 21–33).

      📖 Ingolf Dalferth, Malum, 2010. Hans-Martin Rieger, Das radikal Böse, in: ThPh 82 (2007) 65–96. Volker Stümke, Zwischen gut und böse, 2011.

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      Buchstabe/Geist

      → Allegorie, Auslegung, Schrift, Sinn, Theologie

      1. Auch wenn die Unterscheidung zwischen historischem und allegorischem Sinn der heiligen Schrift abgelehnt wird, muss doch an der Unterscheidung zwischen Buchstabe und Geist, buchstäblichem und geistlichem Verständnis festgehalten werden. Der Buchstabe ist das Gesetz ohne die Gnade. Jedes Gesetz ist Buchstabe, sei es allegorisch oder tropologisch verstanden, also alles, was geschrieben, gesagt, gedacht werden kann ohne Bezug auf Gnade. Allein die Gnade aber ist der Geist. Daher wird geistliches Verständnis nicht genannt, was mystisch oder anagogisch ist, wie die Gottlosen vorgeben, sondern das eigentliche Leben und die Erfahrung des durch den Finger |46|Gottes und seine Gnade in die Seele eingeschriebenen Gesetzes und die vollkommene Erfüllung dessen, was das Gesetz vorschreibt und fordert (2, 551, 27–34). Jedes Gesetz ist geistlich, wenn seine Forderung im Geist als erfüllt verstanden wird. Es ist nur dann Buchstabe, wenn die Gnade, die es erfüllt, nicht da ist. Also ist es nicht an sich Buchstabe, sondern für mich, besonders dann, wenn es so verstanden wird, dass die Gnade nicht notwendig wäre (2, 551, 37–552, 2; vgl. 7, 653, 35–654, 8). Der Buchstabe ist nichts anderes als das Gesetz ohne Gnade. Aber der Geist ist nichts anderes als die Gnade ohne Gesetz. Wo nun der Buchstabe ist oder Gesetz ohne Gnade, da ist kein Aufhören mit Gesetz zu machen, lehren und wirken. Wo der Geist Gottes ist, da ist Freiheit, da bedarf man keiner Lehre noch Gesetz, und geschieht doch alles, was geschehen soll (7, 659, 26–32).

      2. Umgang: Der Apostel will, dass man den Buchstaben predige und klar mache (7, 656, 3–6). Wo man allein das Gesetz predigt und den Buchstaben treibt, wie im Alten Testament geschehen, und nicht darauf den Geist predigt, da ist Tod ohne Leben, Sünde ohne Gnade, Pein ohne Trost, da werden elende gefangene Gewissen, die zuletzt verzweifeln und in ihren Sünden sterben müssen und durch solche Predigt ewig verdammt werden (7, 657, 22–27).

      3. Buchstaben und Geist hat man so verstanden aus Origenes und Hieronymus, dass Buchstabe heiße den schriftlichen Sinn und Verstand, den schriftlichen Sinn heißen sie die Erzählung einer Geschichte, wie sie da liegt in der Schrift nach den Worten und in dem Verstand, den die Worte natürlich geben. Geistlichen Sinn aber heißen sie, wenn man unter den Worten einen anderen heimlichen Verstand gibt (22, 218, 22–29). Wie sie allenthalben in der Schrift vorgeben, der Text oder Historia an ihm selbst sei nichts als ein toter Buchstabe, aber ihre Deutung sei der Geist, und haben doch solche Deutung nicht weiter geführt als auf die Lehre des Gesetzes, das doch nicht anders ist, als eben das, was Paulus den Buchstaben heißt (22, 219, 17–22). Das Wort Buchstabe heißt er alles, was da gelehrt, geordnet, geschrieben wird, so dass es bleibt Wort oder Schrift oder auch Gedanken, die man malen, schreiben, reden kann, aber nicht ins Herz geschrieben sind oder im Herzen leben, als da ist das ganze Gesetz Mose oder Zehn Gebote (22, 219, 28–32). Mit diesen zwei Worten, Buchstaben und Geist, will Paulus nun die zweierlei Predigten gegeneinander halten: Gesetz und Evangelium (22, 220, 15–19). Das alte Testament predigt den Buchstaben, das neue predigt den Geist (7, 653, 17f.; vgl. 654, 29–36). Der Buchstabe macht, dass niemand vor Gottes Zorn bleiben kann. Der Geist macht, dass niemand vor seiner Gnade verderben kann (7, 659, 3f.).

      📖 Oswald Bayer, Neuer Geist in alten Buchstaben, 1994. Gerhard Ebeling, Luther, 1964.

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      Bund

      In der Schrift zeigen die Wörter: Bund, Vertrag, Verheißung, Testament, Bogen des Bundes, Zeichen des Bundes, Zeugnis, Kelch des neuen und ewigen Testaments gewisse Zeugnisse der göttlichen Dinge an (9, 348, 9–11).

      1. Der alte Bund: Wo in der Schrift Gottes Testament durch die Propheten genannt wird, ist zu verstehen gegeben, dass Gott sollte Mensch werden, sterben und |47|auferstehen, auf dass sein Wort erfüllt und bestätigt würde, und es ist also das kleine Wörtlein Testament ein kurzer Begriff aller Wunder und Gnaden Gottes durch Christus erfüllt (6, 357, 20–27).

      2. Der neue Bund: Christus spricht, es sei ein neues, ewiges Testament in seinem eigenen Blut zur Vergebung der Sünde, womit er das Alte Testament aufhebt, denn das Wörtlein neu macht das Testament des Mose alt und untüchtig, das hinfort nicht mehr gelten soll. Das Alte Testament war ein Versprechen durch Mose dem Volk Israel getan (6, 357, 28–33). Stücke in diesem Testament der Messe: Es ist zum ersten der Testator, der das Testament macht, Christus, zum anderen die Erben, denen das Testament beschieden wird, das sind wir Christen, zum dritten das Testament an ihm selbst, das sind die Worte Christi, da er sagt: das ist mein Leib. Zum vierten, das Siegel oder Wahrzeichen ist das Sakrament, Brot und Wein, worunter sein wahrer Leib und Blut zu verstehen ist, denn es muss alles leben, was in diesem Testament ist, darum hat er es nicht in tote Schrift und Siegel, sondern in lebendige Worte und Zeichen gesetzt, die man täglich wieder vollzieht (6, 359, 13–22; vgl. 8, 521). Neues Testament ist Verheißung, ja viel mehr, Schenkung der Gnade und Vergebung der Sünden, das ist das rechte Evangelium (26, 468, 32–34). Die Worte: Bund, Vertrag, Testament des Herrn, sind in der Schrift sehr geläufig, mit denen Gott anzeigt, dass er einst sterben werde. Denn wo ein Testament ist, da tritt der Tod des Gebers ein. Gott ist aber der Geber, also war es notwendig, dass er stürbe. Er konnte aber nicht sterben, es sei denn, er würde Mensch. So sind in dem einen Wort Testament sowohl die Menschwerdung als der Tod Christi kurz angedeutet (6, 514, 4–10). Seinen Bund nennt Christus nicht mehr die Zehn Gebote oder das alte Gesetz, sondern das Neue Testament, das Evangelium, darin er sich mit uns so verbindet, dass, wer an ihn glaubt, selig werden soll durch sein Blut und Leiden (30I, 417, 23–32).

      3. Vor Gott sind wir ungerecht und unwürdig, so dass wir, was immer wir auch tun könnten, nichts vor ihm sind. Auch Glaube und Gnade, durch die wir heute gerechtfertigt werden, rechtfertigen uns nicht aus sich selbst heraus, wenn es nicht der Bund Gottes täte. Genau daraus nämlich, weil er ein Testament und einen Bund mit uns geschlossen hat, dass jeder, der glaubt und getauft wird, gerettet werde, sind wir gerettet. In diesem Bund ist Gott wahrhaftig und treu, und wie er verheißt, so tut er. Deshalb ist es wahr, dass wir vor ihm immer in Sünden sind, damit er selbst in seinem Bund und Testament, das er uns gelassen hat, der Rechtfertigende sei (3, 289, 1–7). Der Bund des guten Gewissens mit Gott ist nun der Glaube, kein äußerliches Werk, das du tun kannst (12, 370, 30–371, 4).

      📖 Bertold Klappert, Promissio und Bund, 1976.

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      Buße

      → Ablass, Bekehrung, Genugtuung, Reue, Versöhnung

      Das griechische Wort metanoia bedeutet die Veränderung des Geistes und Affektes, aber nicht nur das, sondern auch die Weise der Veränderung, nämlich durch die Gnade Gottes (1, 526, 2–5). Das lateinische Wort poenitentia in der Wendung poenitentiam agere deutet eher eine Handlung an als eine Veränderung des Affekts wie im |48|griechischen metanoia (ebd. 13f.). Beichten heißt Bekennen (30III, 567, 29–31; vgl. 19, 513, 15–19).

      1. Wesen: Jesus Christus wollte, als er sagte: Tut Buße, dass das ganze Leben der Glaubenden Buße sei. Dieses Wort kann nicht von der sakramentalen Buße (d.h. der Beichte und der Genugtuung) verstanden werden. Er wollte nicht nur die innere Buße, da die innere nichts ist, wenn sie nicht außen wirkt in vielen Abtötungen des Fleisches (1, 233, 10–15; vgl. 39I, 350, 20f.). Es ist ein großer Irrtum, dass jemand meine, er solle genugtun für seine Sünde, so doch Gott dieselben allezeit umsonst aus unschätzbarer Gnade verzeiht und nichts dafür begehrt, als hinfort gut zu leben (1, 245, 21–23). Die wahre Buße fließt aus der Liebe, nicht aus der Liebe zum Vorteil oder aus der Furcht