Reinhold Rieger

Martin Luthers theologische Grundbegriffe


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Christus zeigt klar an, dass die Speise und Sättigung, wodurch das Leben der Seele erhalten wird, bestehe in der Anhörung und Betrachtung des göttlichen Wortes (9, 143, 12–14). Das Evangelium ist so klar, dass es nicht viel Auslegens bedarf, sondern es will nur wohl betrachtet, angesehen und tief zu Herzen genommen sein (10I.1, 62, 5–8). Gott hat die heilige Schrift uns armen sündigen Menschen gegeben, dass wir sollen nicht allein lesen, sondern auch forschen, nachdenken oder betrachten. So wird man darin das ewige Leben finden (48, 141, 4–7). Es gibt zweierlei Betrachtung des Lebens, Sterbens und Auferstehens Christi: Erstens die Historie, die anzeigt, wie die Geschichte ergangen ist mit allerlei Umständen. Zweitens, was das nötigste ist und um welches willen die Historie auch gepredigt wird, Kraft, Nutzen und Trost der fröhlichen Auferstehung des Herrn und wie man diese durch den Glauben gebrauchen soll (21, 214, 6–22). Der Glaube soll durch beständige Behandlung der heiligen Schrift und fromme Betrachtung genährt und bestärkt werden (40III, 686, 19f.).

      4. Betrachtung, Versuchung, Gebet machen einen Theologen aus (48, 276; vgl. 50, 659, 3f.).

      📖 Oswald Bayer, Oratio, Meditatio, Tentatio, in: LuJ 55 (1988) 7–59. Manuel Goldmann, Oratio – Meditatio – Tentatio, in: Luther 82 (2014) 115–124. Martin Nicol, Meditation bei Luther, 2. Aufl. 1991. Rolf Schäfer, Oratio, meditatio, tentatio, in: Oswald Bayer, Hg., FS Friedrich Lang, 1978, 671–681.

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      |41|Bild

      → Abgott, Allegorie, Figur, Mensch, Metapher

      1. Bildnisse anbeten hat Gott verboten, und es ist wahr, dass sie gefährlich sind, und es wäre gut, es wären keine auf den Altären. Aber sie deshalb verbrennen und schänden, ist nicht recht (10II, 33, 18–23). Die Bilder in den Kirchen sind unnötig, aber es ist frei gelassen, sie zu haben oder nicht zu haben, obwohl es besser wäre, wir hätten keines dieser Bilder um des leidigen Missbrauchs und Unglaubens willen (10III, 26, 21–24; 28, 716, 23–717, 11). Man darf Bilder machen und haben, aber nicht anbeten (10III, 28, 21f.). Wo solcher Missbrauch und Irrtum geschieht in Anbetung der Bilder, sollte man die Kreuze oder Bilder abreißen, wegtun, die Kirche einreißen, obwohl die Bilder nicht gänzlich zu verwerfen sind, denn wir haben davon eine Figur im Alten Testament von der durch Mose in der Wüste aufgerichteten ehernen Schlange (10III, 7–17). Nach dem Gesetz Mose ist kein anderes Bild verboten ist als Gottes Bild, das man anbetet, ein Kruzifix aber oder sonst eines Heiligen Bild ist nicht verboten (18, 68, 28–30). Weniger das Anbeten von Bildern ist schädlich, als das Anbeten falscher Götter.

      2. Gleichnis, Parabel: Die Erschaffung der leiblichen Dinge ist der Anfang und das Bild und der Schatten der Erlösung und der geistlichen Dinge, die ihr Ziel sind, ohne die sie vergeblich wären. Deshalb werden sie als Gleichnisse des Geistlichen aufgefasst (3, 550, 33–35). Jedes sichtbare Geschöpf ist ein Gleichnis der Weisheit Gottes (3, 560, 35–561, 2). Auslegung der Gleichnisse nach dem Skopus: Deshalb muss man die Gleichnisse nicht in allen Stücken ansehen, sondern auf das Hauptstück achten, was es damit wolle (17II, 137, 4–17). Wer aber in Gleichnissen redet, der macht aus allgemeinen Worten neue und andere Wörter, sonst wären es nicht Gleichnisse, wenn er die allgemeinen Worte gebraucht in der bisherigen Bedeutung (26, 277, 27–29). Wo ein Tropus oder erneuertes Wort in der heiligen Schrift verwendet wird, da werden auch zwei Deutungen gebraucht, eine neue nach der ersten, alten oder bisherigen (26, 379, 24–33; vgl. 382, 25–383, 3). Voraussetzung für eine Figur, Symbol oder Gleichnis ist, dass es etwas Gemeinsames gibt, auf das sich das Bild gründet (26, 391, 29–31).

      3. Christus als Bild Gottes: In der Theologie kann nicht mit Begriffen verstanden, sondern muss mit Bildern verkündigt werden. Man kann die geistlichen Sachen nicht begreifen, es sei denn, dass man sie in Bilder fasse (46, 308, 8f.). So bezeichnet Luther Christus als ein Bild Gottes und erklärt das mit der Menschwerdung (46, 308, 22f.). Denn wer das Bild hat, der hat die Erkenntnis und Offenbarung (29, 361, 33). Wenn Christus nicht Gott gleich wäre, so könnte er nicht Gottes Ebenbild sein, da keine Kreatur Ebenbild des göttlichen Wesens sein kann. Wenn er nicht unterschiedene Person wäre, so könnte er nicht Gottes Ebenbild sein (45, 274, 36–38). Wir Menschen sind anfänglich nach dem Bild und zu dem Bild Gottes geschaffen, sind aber nicht das Ebenbild Gottes noch Gott gleich, sondern sind als Kreaturen von Gott geschaffen. Aber Christus ist das Ebenbild Gottes und ein solches Ebenbild, welches Gott ganz und gar gleich ist, nicht nach dem Bild Gottes geschaffen noch gemacht, sondern das Ebenbild Gottes selbst, vom Vater in Ewigkeit geboren und ein solches Bild, das Gott gleich ist oder Gott selbst ist, gleicher Natur und Wesens mit Gott (45, 275, 27–34). Christus ist aber nicht nur ein Abbild, er ist die Wirklichkeit, die er darstellt. Die Differenz zwischen Bild und Abgebildetem ist aufgehoben. Wenn nach einem Menschen ein Bild gemacht wird, so ist das Bild nicht ein Bild des menschlichen Wesens oder |42|der Natur, denn es ist nicht ein Mensch, sondern Stein oder Holz, und es ist ein Bild des steinernen oder hölzernen Wesens nach dem Menschen gemacht. Alle Bilder, die gemacht werden, sind eines anderen Wesens und Natur als das, dessen Bild sie sind. Aber hier ist der Sohn ein solches Bild väterlichen Wesens, dass das väterliche Wesen das Bild selbst ist (10I.1, 155, 8–19). Christus ist ein Götterbild, das, so wahr als jenes Bild Holz ist, so wahr ist dieses Bild Gott. In allen Kreaturen ist das Bild eines anderen Wesens als der, dessen Bild es ist. Aber hier ist das Bild und der, dessen Bild es ist, eines Wesens (10I.1, 156, 2–11). Am Kreuz hat Christus uns sich selbst bereitet ein dreifaltiges Bild für unseren Glauben gegen die drei Bilder des Todes, der Sünde, der Verdammnis: Er ist das lebendige und unsterbliche Bild wider den Tod, den er erlitten, und doch mit seiner Auferstehung von den Toten überwunden in seinem Leben hat. Er ist das Bild der Gnade Gottes wider die Sünde, die er auf sich genommen und durch seinen unüberwindlichen Gehorsam überwunden hat. Er ist das himmlische Bild, der verlassen von Gott als ein Verdammter und durch seine allmächtigste Liebe die Hölle überwunden hat und bezeugt, dass er der liebste Sohn sei und uns allen dasselbe zu eigen gebe, wenn wir glauben (2, 691, 12–21). Diese Einheit des Bildes Gottes mit Gott selbst hat zur Folge, dass Gott uns in Christus das Bild des Lebens, der Gnade, der Seligkeit zeigt und gibt, dass wir uns vor des Todes, der Sünde, der Hölle Bild nicht entsetzen (2, 697, 15–18; vgl. 10I.1, 160, 10–14).

      4. Die Gottebenbildlichkeit des Menschen besteht darin, dass die Seele nach Augustin eine Ähnlichkeit mit der heiligen Trinität hat: sie ist im Körper verborgen wie Gott in der Welt unsichtbar ist, sie regiert in ähnlicher Weise den Körper (4, 599, 19–21). Der Mensch ist dazu geschaffen, dass er Gottes Bild sein soll und eben dazu Gottes Bild, dass Gott durch ihn soll und will erkannt werden, darum sollte Gott ja auch in das ganze Leben des Menschen als in einen Spiegel scheinen und leuchten, und deshalb soll es keine höhere noch größere Sorge eines Christen sein, als so zu leben, dass nicht Gottes Name verunehrt werde (22, 294, 31–36). Der Mensch muss ein Bild sein entweder Gottes oder des Teufels, denn nach welchem er sich richtet, dem ist er ähnlich. Der Mensch ist am Anfang geschaffen als ein Bild, das Gott ähnlich war, voll Weisheit, Tugend und Liebe. Nun ist er nicht so geblieben und das Bild ist verloren gegangen, und wir sind dem Teufel ähnlich geworden (24, 51, 12–24; vgl. 37, 453, 15–32). Die scholastischen Lehrer folgten Augustin, der die Unterscheidung des Aristoteles übernahm, und sagten, dass das Bild Gottes die Vermögen der Seele seien, Gedächtnis, Geist oder Verstand, und Wille. Die Ähnlichkeit, sagen sie, bestehe in den Gnadengaben. Wie nämlich die Ähnlichkeit eine Vervollkommnung des Bildes sei, so meinen sie, werde die Natur durch die Gnade vervollkommnet. So besteht die Ähnlichkeit mit Gott darin, dass das Gedächtnis durch die Hoffnung geschmückt werde, der Verstand durch den Glauben und der Wille durch die Liebe. Auf diese Weise, meinen sie, ist der Mensch zum Bild Gottes geschaffen, d.h. der Mensch hat einen Verstand, Gedächtnis und Willen. So ist der Mensch auch geschaffen zur Ähnlichkeit mit Gott, d.h. der Verstand ist erleuchtet durch den Glauben, das Gedächtnis befestigt durch die Hoffnung und die Beständigkeit und der Wille geschmückt durch die Liebe (42, 45, 5–17). Das Evangelium handelt davon, dass wir zu diesem noch besseren Bild wiederhergestellt werden, weil wir im ewigen Leben oder vielmehr in der Hoffnung auf das ewige Leben wiedergeboren werden durch den Glauben, damit wir in Gott und mit Gott leben und mit ihm eins sind (42, 48, 12–15). Wenn Mose |43|sagt, der Mensch sei zur Ähnlichkeit mit Gott geschaffen, zeigt er, dass der Mensch sich nicht nur so auf Gott bezieht,