Reinhold Rieger

Martin Luthers theologische Grundbegriffe


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Christus: Allein Christus ist Licht, Wahrheit, Weisheit (1, 612, 3f.). Allein Christus ist das Licht und Leben aller Menschen, nicht unsere Vernunft (2, 538, 15f.). Niemand wird aus sich, sondern nur durch Christus gerettet (3, 174, 13; 316, 8f.). Nicht durch Vertrauen auf Werke, sondern allein durch Christus und nur durch Glauben an Christus kann jemand Vergebung der Sünde und Gnade erlangen, fromm und selig werden (10I.1, 684, 16–24). Es soll kein anderer Weg zum Himmel und Leben sein als Christus allein (45, 319, 20f.; vgl. 508, 18–21). Die Papisten verneinen, dass wir allein durch den Glauben oder durch das erfüllte Werk Christi gerechtfertigt werden (39II, 188, 24f.). Jesus ist wahrer, einer, alleiniger Gott. Wer den hat, hat keinen anderen Gott (1, 399, 29–400, 3).

      2. Glaube: Nach Röm 3, 28 gilt: Allein durch den Glauben werden wir gerechtfertigt, nicht durch Werke (2, 425, 2; 10I.1, 343, 25–344, 1). Luther begründet die Einfügung des ‚allein‘ an dieser Stelle damit, dass Paulus noch entschiedener bejahe, dass wir nur durch den Glauben gerechtfertigt werden, obwohl er das Wort ‚allein‘ nicht benutzt (11, 300, 1f.; vgl. 30II, 636, 31–637, 7). Wie zurecht gesagt wird: Allein Gott erschuf Himmel und Erde, obwohl die Schrift nur sagt: Gott erschuf Himmel und Erde, da es doch keinen anderen Schöpfer gibt, so erfordert unsere Redeweise zu sagen: Allein |33|der Glaube rechtfertigt, obwohl die Schrift nur sagt: Der Glaube rechtfertigt, da sie selbst klar beweist, dass nichts außer dem Glauben rechtfertigt (11, 306, 3–7). Das Wort Gottes kann nicht durch Werke, sondern allein durch den Glauben erfasst und gepflegt werden. So ist klar, wie die Seele nur des Wortes bedarf zum Leben und zur Gerechtigkeit, so wird sie nur durch den Glauben und nicht durch Werke gerechtfertigt (7, 51, 21–23; vgl. 10I.1, 257, 13–15). Der Glaube will allein fromm und selig machen, danach alle Werke frei wirken, fröhlich tun und leiden, was Gott schickt und der Nächste bedarf (10I.1, 368, 21–24).

      3. Wort Gottes: Allein Wort und Glaube regieren in der Seele (7, 24, 31–33). Allein durch das Wort Gottes empfängt die Seele den Glauben, aus dem die guten Werke erwachsen (9, 572, 1–5).

      4. Schrift: Man soll die Lehre der Väter nicht weiter gebrauchen, als in die Schrift zu kommen, wie sie gekommen sind, und dann bei der Schrift allein bleiben (7, 641, 11–13).

      5. Gnade: Die Gnade allein im Glauben ist nötig zum Heil (15, 588, 3). Jeder Glaubende wird ohne irgendein menschliches Werk, allein durch die Gnade Gottes und die Wirkung des heiligen Geistes gerechtfertigt und wiedergeboren (3, 468, 18f.).

      📖 Berndt Hamm, Einheit und Vielfalt der Reformation, in: Reformationstheorien, 1995, 57–127. Ders., Reformation als normative Zentrierung von Religion und Gesellschaft, in: Volk Gottes, Gemeinde und Gesellschaft 7 (1992) 241–279. Eberhard Jüngel, Das Evangelium von der Rechtfertigung des Gottlosen als Zentrum des christlichen Glaubens, 3. Aufl. 1999. Ulrich H.J. Körtner, Exklusiver Glaube – Das vierfache ‚Allein‘ reformatorischer Theologie, in: Petra Bosse-Huber, Hg., 500 Jahre Reformation, 2014, 68–87. Dieter Oesch, Hg., Solus Christus – sola scriptura, 1996. Martin Seils, Sola fide, in: Johannes Brosseder, Hg., FS Otto Hermann Pesch, 2007, 220–249.

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      Barmherzigkeit

      → Gnade

      1. Das Wort Barmherzigkeit, wie es in der Schrift steht, bedeutet, dass wir unseren Nächsten nicht richten noch verdammen sollen, ihm vergeben, und dem Bedüftigen zu Hilfe kommen (10I.2, 320, 10–14). Ehe wir Barmherzigkeit tun, müssen wir sie vorher von Gott empfangen (10III, 225, 24f.). Barmherzigkeit gehört in Gottes Reich und unter die Christen, nicht in das weltliche Reich, denn ein Christ soll nicht allein barmherzig sein, sondern auch allerlei leiden. Aber das weltliche Reich soll nicht barmherzig, sondern streng, ernst und zornig sein in seinem Amt und Werk (18, 389, 27–34).

      2. Barmherzigkeit erweist Gott denen, die an ihn glauben und auf ihn hoffen (3, 199, 37–39). Die Barmherzigkeit Gottes bleibt oft verborgen (3, 360, 13–15). Sie zeigt sich in seinem Gesetz, das die Sünde erweist und den Menschen auf die Barmherzigkeit Gottes verweist (5, 160, 31–38). Je tiefer jemand sich verdammt und seine Sünden groß macht, desto mehr ist er geeignet für die Barmherzigkeit und Gnade Gottes (3, 429, 1–10). Der Glaube an die Barmherzigkeit Gottes vermag mehr für die Rechtfertigung als die Furcht vor dem Gericht Gottes für die Verdammung unseres Gewissens (5, 400, 36f.). In Christus zeigt Gott seine Barmherzigkeit. (6, 216, 26–29; 10I.2, 386, 23–29). |34|Die übergroße Barmherzigkeit Gottes besteht darin, dass er umsonst und ohne unsere Verdienste uns annimmt und erlöst (24, 170, 17f.; 366, 31–33).

      📖 Regin Prenter, Der barmherzige Richter, 1961.

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      Bedeutung

      → Allegorie, Analogie, Auslegung, Metapher, Sinn

      1. Jedes Wort der heiligen Schrift soll man in seiner natürlichen Bedeutung stehen lassen und nicht davon abweichen, es zwinge denn der Glaube dazu (11, 436, 21f.). Da es gefährlich ist, offen verständliche Worte der Schrift in eine andere Bedeutung zu pressen, kann dies nicht leicht erlaubt werden, damit nicht die Autorität der ganzen Schrift wankt, außer wo dies die Umstände des Textes erforderten (57III, 181, 12–14). Den göttlichen Worten darf keine Gewalt angetan werden, sondern sie sind, so weit wie möglich, in ihrer einfachen Bedeutung zu erhalten, und, außer offensichtliche Umstände erfordern dies, nicht außerhalb der Grammatik und dem eigentlichen Sinn aufzufassen, damit nicht den Gegnern die Gelegenheit gegeben wird, sich über die ganze Schrift lustig zu machen (6, 509, 8–12; 512, 2–4; 18, 700, 31–35). Wie ein Wort, das aus dem natürlichen Bereich in den ethischen Bereich übertragen wird, ein anderes wird, so wird umso mehr ein Wort, das aus der Philosophie und dem Gesetz in die Theologie übertragen wird, ein anderes, so dass es hier eine neue Bedeutung hat (40I, 411, 25–27). Luther spricht von einer neuen Grammatik in der Theologie (40I, 418, 5f. 24). Wer von Gott sprechen will, muss die ganze Grammatik mit neuen Wörtern ausstatten (39II, 303, 23f.). In Christus gilt eine neue Grammatik und Dialektik, eine neue Sprache, neue Erkenntnis und Weisheit, das heißt: er macht alles neu (39II, 304, 6–8; vgl. 94, 17f.). Die Wörter bezeichnen also nicht eine neue oder andere Sache, sondern sie bezeichnen sie neu und anders (39II, 94, 25f.). Die Geschöpfe bezeichnen nach altem Sprachgebrauch die Sachen in ihrem unendlichen Abstand von Gott, nach neuem Sprachgebrauch aber bedeuten sie die Sachen in unlöslicher Verbindung mit Gott (39II, 94, 19–22).

      2. Sinn: Das Sakrament oder Zeichen der Taufe ist bald geschehen, wie wir vor Augen sehen, aber die Bedeutung, die geistliche Taufe, die Ersäufung der Sünde, währt, solange wir leben, und wird allererst im Tod vollbracht (2, 728, 12–15). Man soll bei dem Hauptsinn und schriftlichen Verstand bleiben, welches der Grund und Kern der heiligen Schrift ist. Wenn man dann Lust hat, auch heimliche, geistliche Deutung zu suchen, so beziehe man es auf den Glauben und das Predigtamt (16, 80, 19–24). Ein allgemeines Wort kann wohl erneuert werden, wenn es über seine allgemeine Deutung andere neue Deutung bekommt (26, 272, 24–27).

      3. Mehrdeutigkeit: Wir müssen im eigentlichen Sinn reden. Mehrdeutigkeiten müssen wir sorgfältig vermeiden. Es ist Eigenart der Sophisten, mit mehrdeutigen Aussagen die Menschen zu täuschen. Jeder mehrdeutige Sprecher ist ein Sophist. Wer andere lehren möchte, muss eindeutig lehren, sonst könnte er nicht vermeiden, dass seine Lehre viele Irrtümer hervorbringt, gemäß dem Sprichwort: Die Mutter des Irrtums ist immer die Mehrdeutigkeit (39I, 447, 26–448, 16). Ein ungebildeter Mensch |35|ohne menschliches Sinnverständnis kann nicht zwischen mehrdeutigen Wörtern unterscheiden (39II, 94, 29f.).

      📖 Hans Christian Knuth, Hg., Luther als Schriftausleger, 2010. Heikki Kirjavainen, Hg., Faith, Will, and Grammar, 1986.

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      Begierde

      → Sünde

      1. In der Natur gibt es nichts als den Akt des Aufbegehrens gegen Gott. Jeder Akt