wenn Gott sie nicht retten wollte, sondern zu den Verworfenen zählen. Drittens am besten die, die auch in Wirklichkeit sich nach dem Willen Gottes für die Hölle bestimmt glauben, wie es in der Stunde des Todes vielen geschieht. Diese werden am vollkommensten von dem eigenen Willen gereinigt und von der Klugheit des Fleisches (56, 388, 3–13).
📖 Markus Wriedt, Gnade und Erwählung. Eine Untersuchung zu Johann von Staupitz und Martin Luther, 1991.
Evangelisch
1. Die evangelische Wahrheit lehrt statt den Werken lauter Gottes Gnade, für das Gesetz lauter Glaube (10I.1, 630, 11–15).
2. Es ist verdrießlich vor Gott und vor den Menschen, dass wir unser christliches Wesen an dem äußerlichen Ding anfangen und lassen das rechte innerliche anstehen, wir wollen damit uns evangelisch beweisen, dass wir beider Gestalt des Sakraments nehmen, Bilder umreißen, Fleisch fressen, nicht fasten, nicht beten und dergleichen, aber den Glauben und die Liebe will niemand fassen, die doch allein not sind (10II, 36, 28–37, 4).
3. Alles, was evangelisch, christlich oder Glaube ist, das soll frei sein, dass die Leute ohne Gesetz und Treiben von sich selbst mit Lust und Liebe hinzudrängen (10II, 32, 20–22).
📖 Manuel Goldmann, Oratio – Meditatio – Tentatio. Impulse Martin Luthers für eine evangelische Spiritualität, in: Luther 85 (2014) 115–124.
|67|Evangelium
→ Gesetz/Evangelium, Schrift
Evangelium ist griechisch und heißt auf deutsch eine fröhliche Botschaft, darum dass darin verkündigt wird die heilsame Lehre des Lebens von göttlicher Zusagung, und angeboten wird Gnade und Vergebung der Sünde; darum gehört zum Evangelium nicht Werk, denn es ist nicht Gesetz, sondern allein Glaube, denn es ist bloßes Zusagen und Anbieten göttlicher Gnaden. Wer daran glaubt, der empfängt die Gnade und den heiligen Geist, davon wird das Herz fröhlich und lustig in Gott und tut dann das Gesetz freiwillig umsonst, ohne Furcht der Strafe und ohne Gesuch des Lohns (10I.2, 158, 20–27; vgl. DB 6, 3, 23–25).
1. Wesen: Die Predigt von der Vergebung der Sünde durch den Namen Christi, das ist das Evangelium (2, 466, 12f.). Evangelium ist nämlich die gute Rede, die Botschaft des Friedens vom menschgewordenen Sohn Gottes, der gelitten hat und durch den heiligen Geist auferweckt wurde zu unserem Heil. Wo immer die Gnade Gottes und die Vergebung der Sünden, die durch Jesus Christus geschehen ist, gepredigt wird, dort wird wahrhaft das Evangelium gepredigt (2, 467, 12–23). Das Evangelium ist das Wort der Gnade, des Lebens und des Heils, das Wort der Gerechtigkeit und des Friedens, dem Gesetz gänzlich entgegengesetzt und dennoch zugleich mit ihm übereinstimmend. Denn im Evangelium wird das Gegenteil der Begierde offenbart, also die Liebe und Gnade des heiligen Geistes, durch die die Verdorbenheit der Natur geheilt wird und der Mensch lernt, Gutes zu tun. Das Evangelium ist das Wort der Gnade, in dem die Vergebung der Sünden gepredigt wird und wie wir das Gesetz erfüllen können, also dass der, der sich das Gesetz hassen sieht und das Bewusstsein von der Sünde hat, Jesus Christus als Erlöser hört und glaubt und anruft, durch welchen Glauben er es verdient, den heiligen Geist zu empfangen, durch den er das Gesetz liebt und die Sünde hasst und so vor Gott gerechtfertigt wird (7, 504, 6–11). Das Evangelium ist seiner eigentlichen Definition nach die Verheißung von Christus, die von den Schrecken des Gesetzes befreit, von Sünde und Tod, und die Gnade, Vergebung der Sünden, Gerechtigkeit und ewiges Leben herbeibringt (39I, 387, 2–4). Evangelium ist eigentlich nicht ein Buch der Gesetze und Gebote, das von uns fordert unser Tun, sondern ein Buch der göttlichen Verheißungen, darin er uns verheißt, anbietet und gibt alle seine Güter und Wohltaten in Christus. Dass aber Christus und die Apostel viele gute Lehre geben und das Gesetz auslegen, ist zu rechnen unter die Wohltaten wie ein anderes Werk Christi (10I.1, 13, 3–8). Nachdem das Wort des Gesetzes Jammer und Armut im Herzen zugerichtet hat, kommt das Wort des Evangeliums und verspricht, Gnade und Hilfe zu geben, damit wir aus solchem Jammer herauskommen sollen und alle Sünden nicht allein vergeben, sondern auch vertilgt und dazu Liebe und Lust zur Erfüllung des Gesetzes gegeben sein sollen (10I.2, 158, 6–13). Es gibt kein Buch in der Bibel, worin nicht Gesetz und Zusagung sind. Weil aber im Neuen Testament die Zusagungen gehäuft stehen, und im Alten die Gesetze gehäuft, nennt man das eine Evangelium, das andere Gesetzbuch (10I.2, 159, 5–19). Also sind die Bücher Mose und die Propheten auch Evangelium, zumal sie eben das zuvor verkündigt und beschrieben haben von Christus, was die Apostel hernach gepredigt oder geschrieben haben. Doch ist ein Unterschied zwischen beiden. Denn obwohl beides dem Buchstaben nach auf Papier geschrieben ist, so soll doch das Evangelium oder das neue Testament eigentlich |68|nicht geschrieben, sondern in die lebendige Stimme gefasst werden, die erschalle und überall gehört werde in der Welt. Denn das Evangelium ist eine lebendige Predigt von Christus, der gekommen ist (12, 275, 5–15; vgl. 259, 8–19). Das Evangelium soll nur im Gewissen regieren, das Gesetz aber die Hände. Nicht durch Gesetze sollen die Gewissen regiert werden, nicht die Hand durch das Evangelium. Das Evangelium gehört ins Herz und Gewissen, das Gesetz zu den Händen (24, 481, 7–15). Die Papisten halten Christus für einen neuen Gesetzgeber, und die Fanatiker nehmen nichts aus dem Evangelium an, wenn sie es nicht als ein Buch verstehen, das neue Gesetze von den Werken enthält. Das Evangelium ist aber die Predigt von Christus, der Sünde vergibt, Gnade gibt, rechtfertigt und die Sünder rettet. Wenn aber Gebote im Evangelium gefunden werden, sind sie nicht Evangelium, sondern Auslegungen des Gesetzes und Anhänge an das Evangelium (40I, 259, 30–260, 14; vgl. 14, 650, 22–25).
2. Inhalt: Das Evangelium ist nach Paulus Röm 1 die Predigt vom menschgewordenen Sohn Gottes, der für uns ohne unser Verdienst zum Heil und Frieden gegeben worden ist. Es ist das Wort des Heils, das Wort der Gnade, das Wort des Trostes, das Wort der Freude, die Stimme des Bräutigams und der Braut, das gute Wort, das Wort des Friedens. Das Gesetz aber ist das Wort der Verlorenheit, das Wort des Zorns, das Wort der Traurigkeit, das Wort des Schmerzes, die Stimme des Richters und des Klägers, das Wort der Unruhe, das Wort des Fluches (1, 616, 20–26). Das ganze Evangelium lehrt nicht mehr als Glauben an Gott und den Nächsten zu lieben (8, 15, 6f.). Das Hauptstück und der Grund des Evangeliums ist, dass man Christus, bevor man ihn als Vorbild erfasst, aufnimmt und erkennt als eine Gabe und Geschenk, das von Gott zueigen gegeben sei (10I.1, 11, 12–12, 2). Das Evangelium soll nichts anderes predigen noch verkündigen als allein die einzige Person Christus, auch Maria nicht, geschweige denn den Papst oder irgendein Werk, es sei so köstlich, wie es immer wolle (10I.2, 434, 1–11). Das Evangelium ist der Schlüssel, der das Alte Testament öffnet (20, 336, 26f.). Das Alte Testament wird durch das Evangelium ausgelegt (10I.1, 17, 7–11; vgl. 12, 556, 9–17). Wovon anderes handelt das ganze Evangelium, als dass es uns den Willen des Vaters erklärt und uns seiner Barmherzigkeit um Christi willen gewiss macht? (39I, 330, 7–9). Das ist die Summe des Evangeliums: Tut Buße, das Reich Gottes ist nahe (Mt 4, 17) (38, 456, 38f.).
3. Einheit: Es gibt nur ein Evangelium, das aber durch viele Apostel beschrieben wurde (10I.1, 9, 6–20; vgl. 12, 259). Wie nun nicht mehr als ein Christus ist, so ist und kann nicht mehr als ein Evangelium sein (10I.1, 10, 8f.). In den Briefen des Paulus ist das Evangelium klarer und lichter als bei den vier Evangelisten. Paulus schreibt nichts von dem Leben Christi, drückt aber klar aus, warum er gekommen sei und wie man ihn gebrauchen solle (10I.1, 47, 2–7).
4. Die Sache des Evangeliums besteht nicht im Wissen, sondern im Affekt (31II, 21, 22f.). Derjenige, der dem Evangelium glaubt, muss schwach und töricht werden vor den Menschen, damit er mächtig und weise sei in der Kraft und Weisheit Gottes (56, 171, 8–10). Obwohl das Evangelium in aller Welt aufgegangen ist, haben es allein die aufgenommen, die es durchs Licht des Glaubens verstehen (10I.2, 11, 8–10). Das Evangelium wird nicht durch Vernunft oder Empfindung, sondern allein durch den Glauben verstanden (10I.1, 217, 20–23).
5. Wirkung: Das Evangelium hat eine doppelte Aufgabe: die erste ist, das alte Gesetz zu deuten. Die zweite, eigentliche und wahre Aufgabe des Evangeliums ist, dem |69|verzweifelten Gewissen Hilfe und Heilung