Reinhold Rieger

Martin Luthers theologische Grundbegriffe


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den Mangel des Worts. Glücklich ist also die Traurigkeit der Glaubenden, die eine solche Freude mit sich bringt. Unglücklich ist die Freude der Ungläubigen, die eine solche Traurigkeit mit sich bringt. Die Freude jener gründet auf das Wort des Herrn, das in Ewigkeit bleibt, dieser aber auf das Fleisch, das wie Heu ist und verbrannt wird (4, 382, 20–25). Man soll nicht warten einer leiblichen, sondern einer geistlichen Freude, die man nur durch Sagen und Hören mit dem Glauben des Herzens schöpfe (10I.2, 34, 6–8). Die eine Freude ist fleischlich, die entsteht aus der Fülle und der Sicherheit materieller Dinge, wie Gesundheit, Glück, Reichtum, |82|Gunst, Macht, Freundschaft und ähnliches. Das nützt nichts, sondern vermehrt nur die Traurigkeit in der Zeit der Widrigkeiten, denn wie die Dinge, an denen man sich freut, nicht echt sind, sondern täuschend und vergänglich, so ist auch die Freude an ihnen täuschend und vergänglich. Also ist eine geistliche Freude vonnöten, die aus geistlichen Dingen entsteht. Geistliche Dinge sind die unsichtbaren Gaben Gottes (10III, 81, 36–82, 2).

      3. Wo die innere Freude ist, da müssen alsbald die Werke folgen, welche diese Freude beweisen (10I.2, 439, 11f.). Wo diese Freude nicht aus dem Fleisch, sondern aus dem Geist kommt, da freut sich das Herz innerlich durch den Glauben an Christus, weil es gewiss wurde, dass er sein Retter und unser Mittler ist, und zeigt diese Freude nach außen durch Worte und Taten (40II, 117, 33–118, 14).

      📖 Sybille Rolf, Freude, die zum Herzen geht, in: Christian Polke, Hg., Niemand ist eine Insel, 2011, 181–202. Andreas H. Wöhle, Luthers Freude an Gottes Gesetz, 1998.

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      Friede

      → Versöhnung

      1. Der Friede ist ein doppelter: In Bezug auf Gott ist er das gute Gewissen, das sich auf die Barmherzigkeit Christi verlässt, aber jeden Sinn übersteigt, wenn Gott sich verbirgt und verwirrt und sein Gesicht abwendet. In Bezug auf den Nächsten, wenn seinem Willen nachgegeben wird. Denn der Friede mit den Menschen kann niemals bestehen, wenn jeder das Seine rechtfertigt, verteidigt, sucht, fordert (2, 594, 7–11). Der Friede Gottes bewahrt die Herzen und den Verstand, die Sinnen und Geister, d.h. den Affekt und den Verstand, der in Christus ist oder die Erkenntnis Christi, damit sie aushalten bis zum Ende und gerettet werden (7, 520, 11–13). Das ist der höchste Friede, wenn das Herz zufrieden ist (45, 623, 26f.). Luther sagt paradox, dass Frieden heißt auf Deutsch Angst in der Welt, das ist sei Sprache Christi: Frieden heißt Unfriede, Glück heißt Unglück, Freude heißt Angst, Leben heißt Tod in der Welt, und wiederum, was in der Welt heißt Unfriede, Angst, Tod, das heiße Friede, Trost und Leben. Leben ist es, Freude und Trost ist es, aber nicht in der Welt, sondern in Christus werdet ihr solches finden (46, 108, 38–109, 4).

      2. Es ist nicht möglich, dass ein Herz Frieden habe, es vertraue denn Gott und nicht seinen eigenen Werken, Fleiß und Gebeten (7, 387, 14–20). Der Friede kommt nur aus dem Glauben, das ist die gute Zuversicht auf die unsichtbare Gnade Gottes, der uns versprochen hat, uns fromm, gerecht und selig zu machen (7, 552, 21–26).

      3. Wer den Frieden auf anderem Wege sucht, etwa durch innere Erfahrung, der scheint Gott zu versuchen und den Frieden in der Sache, nicht im Glauben haben zu wollen. Je mehr wirst du Frieden haben, je mehr du dem Wort der Verheißung glaubst. Unser Friede ist Christus, nämlich im Glauben (1, 541, 6–9). Jetzt ist Christus unsere Gerechtigkeit und unser Frieden, den Gott uns gegeben hat. Durch diesen hat er uns gerechtfertigt, und so haben wir Frieden. Vor ihm gab es keinen Frieden, weil es auch für uns keine Gerechtigkeit gab, sondern Gottlosigkeit und deshalb Verwirrung. Auch vor den Menschen gibt es Frieden nur für die, die gerecht leben. Denn das bürgerliche Gesetz straft die Ungerechten. Dennoch ist dies kaum eine Figur der Gerechtigkeit und |83|des Friedens, die im Reich Gottes sind, die wahre Gerechtigkeit und der wahre Friede, weil dieser kommt aus der Barmherzigkeit und Wahrheit, die vorangeht, d.h. aus der wahren Gnade und Barmherzigkeit vor Gott (4, 16, 20–28).

      4. Wenn die Sünde weg und Gott durch Christus versöhnt ist, so wird dann einmal der rechte und ewige Friede kommen (23, 556, 35f.).

      📖 Volker Stümke, Das Friedensverständnis Martin Luthers, 2007. Ders., Krieg und Frieden bei Martin Luther, in: Luther 86 (2015) 148–162.

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      Frömmigkeit

      → Gebet, Gerechtigkeit

      Wenn wir auf deutsch sagen: das ist ein frommer Mann, da sagt die Schrift: der ist gerechtfertigt oder gerecht (10I.2, 36, 4–8).

      1. Die wahre Frömmigkeit bedarf nicht der Anstrengung, damit sie Frömmigkeit sei (5, 242, 25). Die Vernunft weiß wohl, dass man fromm sein soll und Gott dienen, aber wenn sie soll anzeigen, wie und warum man soll fromm werden oder Gott dienen, da kann sie gar nichts, da ist sie stockblind und spricht: man soll fasten, beten, singen und die Werke der Gesetze tun, und narrt also fortan mit den Werken, bis dass sie so tief kommt, dass sie meint, man diene Gott mit Kirchenbauen, Glockenläuten, Räuchern, Plärren, Singen.Wenn nun das Gnadenlicht kommt, Christus, der lehrt auch: man soll fromm sein und Gott dienen, löscht dasselbe natürliche Licht nicht aus, sondern ficht wider die Art und Weise, die die Vernunft gelehrt hat, fromm zu werden und Gott zu dienen, und spricht: fromm werden sei nicht, die Werke tun, sondern an Gott zuvor ohne alle Werke glauben und dann Werke tun, und ohne Glauben sei kein Werk gut (10I.1, 205, 4–21). Fromme Leute machen gehört dem Evangelium nicht zu, sondern es macht nur Christen. Es ist viel mehr ein Christ zu sein, als fromm zu sein, es kann einer wohl fromm sein, aber nicht ein Christ. Ein Christ weiß von seiner Frömmigkeit nichts zu sagen, er findet in sich nichts Gutes noch Frommes, soll er fromm sein, so muss er sich nach einer anderen und fremden Frömmigkeit umsehen (10I.2, 430, 30–35). Man muss unterscheiden die zwei Regimente oder zweierlei Frömmigkeit, eine hier auf Erden, welche Gott auch geordnet und unter die Zehn Gebote gestellt hat, und die heißt eine weltliche oder menschliche Gerechtigkeit und dient dazu, dass man hier auf Erden untereinander lebe und brauche der Güter, die uns Gott gegeben hat. Über diese äußerliche Frömmigkeit hinaus ist nun eine andere, die nicht auf Erden zu diesem zeitlichen Leben gehört, sondern allein vor Gott gilt und uns führt und erhält in jenes Leben nach diesem. Das ist die, die man heißt Gottes Gnade oder Vergebung der Sünde, welches ist nicht eine irdische, sondern himmlische Gerechtigkeit, nicht unseres Tuns und Vermögens, sondern Gottes Werk und Geschenk (29, 564, 23–569, 38). Unsere Frömmigkeit vor Gott heißt Vergebung der Sünde (29, 572, 20).

      2. Ursprung: Das Frommwerden fängt nicht mit eigenem Tun an, sondern mit dem Evangelium, das muss gepredigt und gehört werden (10I.2, 29, 5–31). Christus kommt, dass er dich fromm mache durch sich selbst und seine Gnade, deine Frömmigkeit soll nicht dein Tun, sondern seine Gnade und Gabe sein (10I.2, 36, 10–21; vgl. 233, 20–25).

      |84|3. Der Glaube des Herzens ist das Haupt und das ganze Wesen der Frömmigkeit (7, 26, 27f.), so dass allein der Glaube ohne alle Werke fromm, frei und selig macht (7, 23, 27f.; vgl. 35, 20–22; 321, 8). Also macht einen niemand fromm als der Glaube, und nichts macht einen böse als der Unglaube (10I.2, 340, 16f.). Darum will Gott haben, dass wir ganz an uns verzagen und uns allein der Güter vermessen, die er hat, und auf den Grund bauen lassen, welchen keine Kreatur kann umstoßen, dass sich keiner auf seine eigene Frömmigkeit, sondern auf Christi Gerechtigkeit verlasse und auf alles, was Christus hat (12, 312, 36–313, 3).

      4. Kein äußerliches Ding kann frei noch fromm machen, denn Frömmigkeit und Freiheit sind nicht leiblich noch äußerlich (7, 21, 20–23). Der Mensch hat zwei Naturen, Leib und Seele, in welchen er muss fromm sein. Es ist doch eine andere Weise nach dem Leib allein fromm werden, wie die tun, die viel wirken, beten, fasten und das außerhalb des rechten Glaubens und Zuversicht zu Christus (7, 239, 17–21).

      5. Falsche Frömmigkeit ist, dass man lehrt, wie man soll fromm werden mit Werken, und einen Gottesdienst aufrichtet nach unserer Vernunft. Darum ist die menschliche Frömmigkeit reine Gotteslästerung und die allergrößte Sünde, die ein Mensch tut. Also ist das, was die Welt für Gottesdienst und Frömmigkeit hält, vor Gott ärger