unserem freien Willen (2, 247, 3–21). Luther wollte, das Wörtlein ‚freier Wille‘ wäre nie erfunden worden, es stehe auch nicht in der Schrift und hieße billiger ‚eigener Wille‘, der keinen Nutzen hat, oder so man es ja behalten wolle, solle man es deuten auf den neu geschaffenen Menschen, dass dadurch werde verstanden der Mensch, der ohne Sünde ist, der ist gewiss frei, wie Adam im Paradies war, von welchem auch die Schrift redet, wo sie an unsere Freiheit rührt. Die aber in den Sünden liegen, sind unfrei und des Teufels gefangen. Doch weil sie können noch frei werden durch die Gnade, magst du sie nennen freiwillige (7, 449, 24–31). Der freie Wille ist ohne die Gnade Gottes nicht frei, sondern unwandelbar gefangen und Knecht des Bösen, da er sich nicht von sich aus dem Guten zuwenden könnte (18, 636, 5f.). Daraus folgt, dass der freie Wille nur ein Name Gottes ist und dass er niemand anderem zukommt als allein der göttlichen Majestät. Wenn er Menschen zugeschrieben würde, würde er ihnen um nichts richtiger zugeschrieben, als wenn ihnen die Gottheit zugeschrieben würde, was das größte Sakrileg wäre. Es ist Aufgabe der Theologen, auf diesen Begriff zu verzichten, wenn sie von den menschlichen Fähigkeiten reden wollen, und ihn nur Gott zu lassen, ihn aus dem Mund der Rede von Menschen wegzunehmen und als ein heiliger und verehrungswürdiger Name Gott zuzubilligen (18, 636, 27–637, 3). Das Gewissen wollen und sollen wir frei haben in allen Werken, die nicht zum Glauben oder der Liebe des Nächsten dienen (12, 157, 23–29).
5. Freiheit zum Handeln: Die geistliche Freiheit ist die, durch die wir ungezwungen und freudig tun, ungeachtet von Strafen oder Verdiensten, was im Gesetz gefordert wird, die Knechtschaft aber, durch die wir in knechtischer Furcht oder kindlicher Liebe handeln. Die Freiheit ist geistlich, im Geist zu bewahren, sie ist nicht jene heidnische Freiheit vom Gesetz, sondern der bei den Menschen entgegengesetzt. Die menschliche Freiheit besteht, wenn die Gesetze verändert werden, während die Menschen gleich bleiben. Aber die christliche Freiheit besteht darin, dass ohne Veränderung der Gesetze die Menschen verändert werden, so dass dasselbe Gesetz, das zuvor dem freien Willen verachtenswert war, durch die vom heiligen Geist in unsere Herzen |80|gelegte Liebe freudig geschieht (2, 560, 12–25). Die Gerechtigkeit des Glaubens wird vor allen Werken gegeben und ist das Prinzip der Werke selbst, also ist sie die Freiheit zum Handeln (2, 575, 17f.). Die Freiheit des Glaubens gibt nicht Erlaubnis zu Sünden, wird sie auch nicht decken, sondern gibt Erlaubnis, allerlei Werke zu tun und alles zu leiden, wie sie vor die Hand kommen, dass nicht an eines oder etliche Werke allein jemand gebunden sei (6, 213, 29–32).
6. Lehre von der Freiheit: Es ist nicht erlaubt etwas zu lehren, was gegen die evangelische Freiheit ist. Denn diese Freiheit ist göttlichen Rechts, die Gott bestimmt hat. Diese Freiheit ist nicht nur die, die im Geist und Gewissen regiert, durch die wir von keinen Werken angeklagt oder verteidigt werden, sondern auch die, der alle menschlichen Gebote unterworfen sind und was in äußeren Riten befolgt werden kann, damit es erlaubt ist, sie zu befolgen oder nicht zu befolgen (8, 613, 8–16). Armut, Gehorsam, Keuschheit können beständig eingehalten werden, gelobt, gelehrt, gefordert aber nicht. Denn wenn sie eingehalten werden, bleibt die evangelische Freiheit gewahrt, beim Lehren, Geloben, Fordern jedoch nicht, weshalb die Heiligen, die sie befolgt haben, sie frei befolgten. Es ist etwas völlig anderes, wenn etwas, das weder gelehrt noch gefordert wird, geschieht, als wenn dasselbe gelehrt und gefordert wird zu tun. Dies ist aus dem Geschehenen ein Gesetz zu machen, aus dem Werk ein Gebot, aus dem Beispiel eine Regel, aus dem Zufälligen ein Notwendiges. Das erste ist aus Gott, das andere aus den Menschen (8, 616, 26–35).
7. Grenzen: Wir müssen uns mit unserer Freiheit so halten, dass wir niemandem Ursache geben, sich an uns und unserer Freiheit zu ärgern, wir sollen auch nicht vergessen, wie uns Gott getragen und geduldet hat in unserer Schwachheit, unserem Unglauben lange Zeit, und also auch Geduld tragen mit unserem Nächsten (10III, 6, 21–24). Zwischen Gott und dir allein ist die Freiheit ganz rund und vollkommen, dass du vor ihm keines dieser Stücke musst halten, die er nicht geboten hat, hier ist Himmel und Erde voll deiner Freiheit, ja Himmel und Erde können sie nicht begreifen. Zwischen dir aber und deinem Nächsten oder deiner Obrigkeit ist sie nicht weiter, als so fern sie deinem Nächsten unschädlich ist, ja wo sie nützlich und förderlich sein kann, soll sie nicht frei sein wollen, sondern weichen und dienen (26, 582, 21–27).
8. Missbrauch: Wenn der Zwang der Menschenlehre aufgehoben und die christliche Freiheit gepredigt wird, so fallen aber herein die ruchlosen Herzen, die ohne Glauben sind, und wollen damit gute Christen sein, dass sie des Papstes Gesetze nicht halten, wenden diese Freiheit vor, dass sie solches nicht schuldig sind, und tun doch jenes auch nicht, das die rechtschaffene christliche Freiheit fordert, nämlich dem Nächsten dienen von fröhlichem Gemüt und unangesehen, dass es geboten ist, wie die wahrhaftigen Christen tun. Also machen sie die christliche Freiheit nur zu einem Deckel, unter welchem sie bloß Schande anrichten, und verunreinigen den edlen Namen und Titel der Freiheit, den die Christen haben (12, 332, 11–20). Wie die christliche Freiheit durch zweierlei gebrochen wird, wenn man gebietet, zwingt und dringt zu tun, was doch nicht geboten noch erzwungen ist von Gott, oder wenn man verbietet, wehrt und hindert zu lassen, was doch nicht verboten noch gewehrt ist von Gott. Denn mein Gewissen ist eben so wohl gefangen und verführt, wenn es etwas lassen muss, das nicht Not ist zu lassen, als wenn es etwas tun muss, das nicht Not zu tun ist, und christliche Freiheit sowohl untergeht, wenn sie lassen soll, was sie nicht lassen muss, als wenn sie tun soll, was sie nicht tun muss (18, 111, 14–24).
|81|📖 LuJb 62, 1995: Befreiung und Freiheit. Hans-Martin Barth, Luthers Verständnis von Freiheit und Gebundenheit, in: Una Sancta 62 (2007) 103–115. Oswald Bayer, Umstrittene Freiheit, Tübingen 1981. Reinhard Brandt, Die ermöglichte Freiheit, Hannover 1992. Berndt Hamm, Martin Luthers Entdeckung der evangelischen Freiheit, in: ders., Der frühe Luther, 2010, 164–182. Thorsten Jacobi, Christen heißen Freie. Luthers Freiheitsaussagen in den Jahren 1515–1519, Tübingen 1997. Eberhard Jüngel, Zur Freiheit eines Christenmenschen, München 1978. Dietrich Korsch, Freiheit als Summe, in: NZSTh 40, 1998, 139–156. Reinhold Rieger, Von der Freiheit eines Christenmenschen. De libertate christiana (KSLuth 1), Tübingen 2007. Ders., Frei im Glauben, gehorsam der Obrigkeit? In: Luther und die Fürsten, 2015, 35–43. Joachim Ringleben, Freiheit im Widerspruch, in: NZSTh 40 (1998) 157–170. Reinhard Schwarz, Luthers Freiheitsbewußtsein und die Freiheit eines Christenmenschen, in: Dietrich Korsch / Volker Leppin, Hg., Martin Luther – Biographie und Theologie, 2010, 31–68. John Witte, The Freedom of a Christian, in: EvTh 74 (2014) 127–135. Ernst Wolf, Libertas christiana und libertas ecclesiae, in: EvTh 9 (1949 / 50) 127–142. Werner Zager, Hg., Martin Luther und die Freiheit, 2010.
Freude
1. Freude besteht in Gott und im Nächsten. In Gott, wenn wir uns der göttlichen Barmherzigkeit erfreuen, auch mitten in den Stürmen der Welt Gott loben und preisen. Im Nächsten, wenn wir ihm nicht seine Güter neiden, sondern ihm dazu Glück wünschen wie zu unseren eigenen und die Gaben Gottes loben in ihm (2, 593, 24–28). Der Glaube an Gott und das Licht des Angesichts Gottes erfreuen das Herz und erfüllen das Innere des Menschen mit beständiger und wahrer Freude, da sie durch die Vergebung der Sünden Frieden und gewisses Vertrauen auf Gott bringen, auch mitten im Leiden. Es gibt nämlich keine Freude, kein Friede, außer durch ein reines Gewissen (5, 119, 26–30; vgl. 119, 39–120, 3). Was mag ein Herz größere Freude hören, als dass Christus ihm zu eigen gegeben wird? (10I.1, 79, 3–10). Glaubst du, so ist es nicht möglich, dass davon dein Herz nicht sollte vor Freuden in Gott lachen, frei, sicher und mutig werden. Denn wie mag ein Herz traurig oder unlustig bleiben, das nicht zweifelt, Gott sei ihm freundlich und halte sich gegen ihn als ein guter Freund, mit dem er alles Dinges wohl vermöge? Es muss solche Freude und Lust folgen; folgt es aber nicht, so ist gewiss der Glaube noch nicht recht da (10I.1, 101, 13–19). Je mehr Glauben da ist, je mehr solche Freude und Freiheit; je weniger Glaube, je weniger Freude (10I.1, 368, 1f.). Freude ist eine Frucht des Geistes nach Gal 5, 22 (10I.1, 447, 7). Das ist im Evangelium beschlossen, dass außerhalb Christus keine Freude ist, und wiederum wo Christus ist, da ist keine Traurigkeit (10I.2, 250, 29f.).
2. Alle unsere Freude besteht in der Hoffnung auf Zukünftiges, nicht in gegenwärtigen Dingen. Also freuen wir uns, weil wir die göttlichen Verheißungen glauben, und was er verheißt, das hoffen und lieben