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Einführung in die Publizistikwissenschaft


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Analyseebene. Bei Journalisten oder Moderatorinnen beispielsweise kann es zu Konflikten zwischen den von der Organisation vorgeschriebenen professionellen Rollen und dem (persönlichen oder berufsständischen) Rollenselbstverständnis kommen.

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      Die Rezipientengeschichte beschäftigt sich im Kern mit den Erwartungen der Rezipienten gegenüber den Massenmedien bzw. mit den Präferenzen beim Medienkonsum. Die Geschichte der Medienrezeption verweist–wie die Kommunikatorgeschichte–auf die Aussagengeschichte und die historische Entwicklung der Kommunikations- und Medientechniken.

      Quelle: eigene Darstellung

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      3 Interdependenz des medialen und gesellschaftlichen Wandels: Prozesse

      Gestaltende Prozesse

      Medien sind in den sozialen Kontext der Gesellschaft eingebettet und prägen die Gesellschaft zugleich mit. Diese Interdependenz kann analysiert werden, indem einzelne Momentaufnahmen von Kommunikations- und Medienstrukturen zu historischen Entwicklungslinien verdichtet und jene Prozesse aufgezeigt werden, welche den Strukturwandel der Medien und der Gesellschaft prägen. Die Suche nach der Interdependenz zwischen medialem und gesellschaftlichem Strukturwandel konkretisiert sich in folgenden zwei Kernfragen:

      1. Welche gesellschaftlichen Entwicklungsprozesse (in den Bereichen Politik, Wirtschaft, Recht, Technik usw.) beeinflussen (wie) die Ausgestaltung gesellschaftlicher Kommunikations- und Medienstrukturen?

      2. Inwiefern beeinflussen Kommunikations- und Medienstrukturen die gesellschaftliche Entwicklung?

      Nachfolgend werden drei für die Kommunikations- und Mediengeschichte als besonders zentral erachtete Strukturwandlungsprozesse kurz ausgeführt: 1. die funktionale Differenzierung der Gesellschaft, 2. die Technisierung öffentlicher Kommunikation und schliesslich 3. das Konzept der Medialisierung der Gesellschaft. Trotz dieser Fokussierung darf nicht vergessen werden, dass zur Beschreibung der historischen Entwicklung „moderner“ Gesellschaften weitere Metaprozesse wie beispielsweise Individualisierung, Mobilisierung oder Beschleunigung hinzugezogen werden müssen (guter Überblick in Schmidt/Spiess 1997: 53–104; Meier/Bonfadelli 2004).

      3.1 Wandel gesellschaftlicher Differenzierung

      Drei Strukturphasen gesellschaftlicher Differenzierung

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      Quelle: Luhmann 1997: 613; Schimank 2000: 150 f.

      Phase segmentärer Differenzierung

      Die erste Phase bezeichnet die Kommunikationsstrukturen in archaischen, segmentär differenzierten Gesellschaften. Sie führt von den Anfängen der Kulturgeschichte (ca. 37 000 v. Chr.) bis zur Entstehung erster „Hochkulturen“ (ca. ab 3500 v. Chr.).

      Phase stratifikatorischer Differenzierung

      In der zweiten Phase stehen die Kommunikations- und Medienstrukturen ständischer bzw. stratifizierter Gesellschaften im Zentrum. Diese in den „Hochkulturen“ (beispielsweise altägyptische Kultur, griechische Antike und Römisches Reich) entwickelte Gesellschaftsform war bis ins 18. Jahrhundert unserer Zeitrechnung dominant. Ständische Gesellschaften mit ihrer festen hierarchischen Gliederung in privilegierte Oberschicht und „gemeines“ Volk sind geprägt vom Grundprinzip der stratifikatorischen Differenzierung, das eine grundsätzlich ungleiche Verteilung von Ressourcen und Kommunikationsmöglichkeiten vorsieht.

      Für die kommunikations- und mediengeschichtliche Analyse segmentär differenzierter oder stratifizierter Gesellschaften ergeben sich folgende grundlegende Fragestellungen:

      • Inwiefern entsprechen die Kommunikations- und Medienstrukturen der gesellschaftlichen Differenzierung? Widerspiegelt sich die Segmentierung bzw. Stratifizierung der Gesellschaft in den Medienstrukturen? |85◄ ►86|

      • Welche Entwicklungsmöglichkeiten ergeben sich in segmentierten bzw. stratifizierten Gesellschaften für Medien? Was hemmt die Ausbreitung solcher Medien?

      Phase funktionaler Differenzierung

      Die dritte Phase umfasst den noch andauernden Prozess der funktionalen Differenzierung der Gesellschaft, der zur Herausbildung von in ihrer Funktion zwar ungleichen, aber prinzipiell gleichrangigen funktionalen Teilsystemen führt(e). Dieser Differenzierungsprozess findet seinen Niederschlag insbesondere auch auf der Ebene formaler Organisationen, die heute stark arbeitsteilig angeleitet sind und funktionsspezifische Rollen für ihre Mitglieder entwickeln. Trotz der prinzipiellen Gleichheit der Menschen bleiben bis heute Ressourcen und Kommunikationsmöglichkeiten ungleich verteilt. Die Entstehung von Massenmedien und die laufende Differenzierung des Medienangebotes zählen zu den prägenden Aspekten der neueren Gesellschaftsgeschichte.

      Anknüpfend an die Theorie der funktionalen Differenzierung, ergeben sich folgende zentrale Forschungsfragen:

      • Wie lassen sich die Entstehung des Systems der Massenmedien und die voranschreitende funktionale Differenzierung der publizistischen Angebote von Medienorganisationen empirisch erfassen? Gegenläufige Prozesse wie partielle Entdifferenzierung sind dabei zu berücksichtigen (beispielsweise die Verwischung der Grenzen zwischen Journalismus und PR).

      • Wie veränderten sich die Beziehungen der Massenmedien zu den verschiedenen Teilsystemen der Gesellschaft? Beispielsweise kann die Funktionslogik eines bestimmten Teilsystems der Gesellschaft auf die anderen „abfärben“, was dann als Ökonomisierung, Verrechtlichung, Politisierung usw. wahrgenommen wird.

      3.2 Technisierung von Medienkommunikation

      Stufen der Technisierung

      Mediengeschichte ist immer auch Technikgeschichte. So lassen sich die Medien entsprechend dem Grad ihrer Technisierung typologisieren (vgl. Abbildung 3). Harry Pross liefert eine einfache und einprägsame Typologisierung, indem er aufgrund der für das Zustandekommen von Medienkommunikation nötigen Geräte zwischen primären, sekundären und tertiären Medien unterscheidet (vgl. Pross 1970: 129). Diese |86◄ ►87| Typologisierung vermittelt die historische Entwicklungsrichtung von primären hin zu sekundären und schliesslich tertiären Medien. Dass auch heute noch primäre und sekundäre Medien eine bedeutende Rolle in der öffentlichen Kommunikation spielen und nicht weitgehend durch tertiäre Medien ersetzt wurden, verweist auf den Prozess der funktionalen Ausdifferenzierung des Mediensystems.

      Im Hinblick auf den durch die Digitalisierung ausgelösten Umbruch in der Medienlandschaft führt Roland Burkart den Begriff der „Quartären Medien“ ein (vgl. Burkart 2002: 38). Quartäre Medien beruhen auf der Technik der Digitalisierung unterschiedlichster Informationen (Text, Bild, Ton) und bedingen die Verfügbarkeit bzw. die Nutzung eines Computers mit Online-Verbindung. Online-Medien bieten zumindest von ihrer Technik her den Rezipienten die Möglichkeit, dem Kommunikator umgehend Rückmeldungen (siehe Interaktivität) zu geben.