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Einführung in die Publizistikwissenschaft


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Jahrtausenden als Instrument der Eliten langsam aus und diente zunehmend der profanen Kommunikation. Schätzungen gehen davon aus, dass im 3. Jahrtausend v. Chr. in Ägypten maximal ein Prozent der Bevölkerung lesen und schreiben konnte (vgl. Jochum 1993: 18). Mithilfe der Schrift liessen sich räumlich und zeitlich viel grössere Distanzen überbrücken (Enträumlichung und Entzeitlichung der Rezeption), als dies rein orale Kulturen bislang konnten. Parallel zur Verschriftlichung bildete sich der Beruf des Schreibers heraus. Nun entstanden Archive bzw. Frühformen von Bibliotheken, die eine gewisse Verbreitung gespeicherten Wissens ermöglichten (vgl. Kuckenburg 1989: 184).

      Theater und politische Reden

      Das griechische Theater entwickelte sich seit dem 8. Jahrhundert v. Chr. zum wichtigsten szenischen Medium (Theaterbauten mit bis zu 40 000 Plätzen) und spielte auch bei der politischen Kommunikation eine gewisse Rolle, da es die „Möglichkeit des Probehandelns“ vor einer grossen Öffentlichkeit bot (vgl. Schanze 2001: 226 f.). In der Antike erfuhr neben der Schauspielerei auch die Rolle des Redners eine |91◄ ►92| gezielte Professionalisierung. Seit dem 5. Jahrhundert v. Chr. erlebte die öffentliche politische Rede vor Präsenzpublikum durch systematische rhetorische Schulung (Rhetorik als Medialisierungstechnik) der Redner eine Blütezeit (vgl. Schanze 2001: 229–231).

      Zeit des christlichen Mittelalters

      Sozial differenzierte Kommunikationsräume

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      Quelle: Faulstich 1996: 270

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      Die Ausbreitung der Schriftlichkeit blieb weitgehend auf die Oberschicht begrenzt, ähnlich wie in den früheren Hochkulturen (vgl. Faulstich 1996: 269–272). Auf dem Land, wo über 90 Prozent der Bevölkerung lebten und nur eine kleine Minderheit lesen konnte, dominierten mündliche Kommunikationsformen. In den Dörfern verbreitete sich das zentral durchorganisierte Pfarrkirchensystem (vgl. Faulstich 1996: 22 f.). Mit der täglichen Frühmesse und weiteren Anlässen organisierte die Amtskirche einen wesentlichen Teil der öffentlichen Kommunikationsangebote.

      4.2 Kommunikationswandel im Zeitalter der Mechanisierung des Buchdrucks

      Rationalisierung des Buchdrucks

      Die Erfindung des Buchdrucks mit beweglichen Metall-Lettern Mitte des 15. Jahrhunderts bedeutete in technischer und organisatorischer Hinsicht eine epochale Innovationsleistung: Erstmals gelang es, ein komplexes Handwerk zu mechanisieren. Die Erfindung wird dem in Mainz geborenen Johannes Gutenberg (um 1397–1468) zugeschrieben. Seine besondere Leistung bestand darin, den Buchdruck als Prozess zu rationalisieren. Gleichzeitig gelang es ihm, die Qualität der Druckerzeugnisse zu steigern. Neben den beweglichen und somit mehrfach verwendbaren Lettern führte er auch die Druckerpresse ein und suchte erfolgreich nach besseren Druckfarben (vgl. Hörisch 2001: 133–138). Die Einsparung an Arbeitskräften und die Produktivitätssteigerung waren beträchtlich (vgl. Stöber 2005: 28). Die Qualitätsverbesserung bezüglich Lesbarkeit und Fehlerquote war anfänglich wichtiger als die rasche Steigerung der Reproduktionsrate.

      Beschleunigte Ausbreitung von Druckschriften

      Bremsende Faktoren

      Als Gutenberg 1468 starb, gab es rund ein Dutzend Druckereien. Dreissig Jahre später bestanden bereits in 350 Städten Europas über tausend Druckoffizinen. Nach dem ersten halben Jahrhundert des mechanisierten Buchdrucks waren rund 30 000 Titel in 20 Millionen Exemplaren produziert worden (vgl. Wilke 2000: 16). Die Verbreitung und Nutzung von Druckschriften hatte sich beschleunigt und intensiviert. Jedoch behinderten während Generationen zahlreiche Hemmnisse die Entwicklung des Druckwesens. Die kirchliche oder staatliche Zensur mündete in Europa seit dem ausgehenden 15. bis ins 19. Jahrhundert häufig in Bücherbeschlagnahmungen oder tatsächliche Vernichtungsaktionen von Druckschriften (vgl. Guggenbühl 1996: 23 ff.). Zudem |93◄ ►94| verzögerten die relativ hohen Preise der Druckerzeugnisse und eine niedrige Alphabetisierungsrate der Bevölkerung die Entstehung eines Massenmarktes. Der Prozentsatz der Lesekundigen um 1500 wird ähnlich wie für die Antike auf rund ein Prozent der Gesamtbevölkerung geschätzt, immerhin rund fünf Prozent der Stadtbewohner konnten lesen (vgl. Schwitalla 1999: 27). Trotz bremsender Faktoren veränderte sich die Medialisierung öffentlicher Kommunikation im Zeitalter des mechanisierten Buchdrucks nachhaltig.

      Flugblätter und Flugschriften als Kampfmittel

      Flugschriften als Medium von Reformbewegungen

      Die Ausbreitung des mechanisierten Buchdrucks fiel in eine kultur-und gesellschaftspolitisch bewegte Zeit. Mit kleinen und relativ billigen Massendruckschriften wurden nun neue Nutzungsformen für Schriftmedien gezielt entwickelt und eingesetzt. Die seit dem ausgehenden 15. Jahrhundert aufkommenden sporadisch produzierten Einblattdrucke, Flugblätter oder sogenannten „Neuen Zeitungen“ (vgl. Koszyk 1999: 896) dienten gerade den Exponenten der damals zahlreichen Reformbestrebungen (Humanismus, Renaissance, Reformation u. a.) bei Bedarf der Verbreitung aktueller Nachrichten und transportierten dementsprechend auch spezifisch religiöse, amtliche, naturkundliche und literarische Inhalte (vgl. Wilke 2000: 21 f.).

      Reformation

      Die Reformation, die in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts mit der Bildung des protestantischen Christentums das Ende der kirchlichen Einheit des Abendlandes herbeiführte, nutzte die Form billiger Kleinschriften besonders intensiv. Reformatoren wie Martin Luther oder Ulrich Zwingli hielten ihre Gedanken bewusst nicht nur in teuren Büchern fest, sondern verbreiteten sie auf pamphletartigen Flugblättern, Flugschriften und anderen massenhaft verteilten Kleinschriften. Die Auflage betrug vielfach mehrere Tausend Exemplare, aber nur selten mehrere Zehntausend (vgl. Faulstich 1998: 162 f.).

      Entstehung überregionaler Kommunikationsräume

      Dass während der Reformation ein erster Höhepunkt in der Produktion von Flugschriften erreicht wurde, zeigt, wie eng der Wandel von Gesellschaft und Kommunikationsstrukturen verknüpft sein kann. Ohne das neue „Medium massenhafter Flugschriften“ hätte sich die Reformation kaum in so rascher Zeit zu einer weiträumigen Massenbewegung entwickeln können, die die bisherigen Grenzen traditioneller Dorfgenossenschaften oder städtischer Bürgergemeinden überwand (vgl. Mörke 2001: 15, 30).

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      Zögerliche Entwicklung periodischer Druckschriften

      Erste Monats-und Wochenschriften

      Obschon die Verschriftlichung öffentlicher Kommunikation vom 15. bis zum 17. Jahrhundert von unregelmässig, nur bei Bedarf gedruckten und vertriebenen Publikationen geprägt war, gilt die Frühneuzeit als Wiege periodischer Druckschriften. Die Herausgabe der nach ihrem Druckort benannten „Rorschacher Monatsschrift“, die 1557 unter dem Titel „Annus Christi“ erstmals erschien, gilt als Meilenstein der Pressegeschichte. Mit ihren zwölf Ausgaben im ersten Jahrgang zählt sie zu den ältesten bekannten deutschsprachigen Serien-Zeitungen (vgl. Wilke 2000: 34). Als Geburtsdatum regelmässig erscheinender Wochen-Zeitungen gilt das Jahr 1609, für das die Ur-Zeitungen „Aviso“ (Druckort: Wolfenbüttel) und „Relation“ (Druckort: Strassburg) erstmals nachgewiesen werden können. Die Auflage der rasch steigenden Anzahl deutschsprachiger Zeitungen betrug im 17. Jahrhundert meist nur wenige Hundert Exemplare (vgl. Wilke