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Einführung in die Publizistikwissenschaft


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      Quelle: nach Pross 1970: 129; Schmolke 1999: 28f.; Burkart 2002: 38

      3.3 Medialisierung und Mediengesellschaft

      Medialisierung als gesamtgesellschaftlicher Transformationsprozess

      Das Konzept der Mediengesellschaft gründet in der Annahme, die langfristige Expansion von durch Medien vermittelter Kommunikation bzw. Medienöffentlichkeit könne als der prägende Aspekt moderner Gesellschaften betrachtet werden (vgl. den Beitrag Öffentlichkeit im Wandel, i. d. B.). Die Ausdehnung der medienvermittelten öffentlichen |87◄ ►88| Kommunikation ist als ein historischer Prozess fassbar (vgl. Schmolke 1999: 33 f.; Schulz 2000: 91), der in jüngerer Zeit mit der technischen Entwicklung der Massenmedien und der zunehmenden Durchdringung der Gesellschaft mit Medientechnologien eine neue Qualität erreicht hat. Die mit der Medialisierung verbundenen Prozesse des Übergangs von Formen direkter Kommunikation unter Anwesenden ohne feste Rollenteilung zwischen Kommunikator und Rezipient zu Formen indirekter, medienvermittelter Kommunikation werden in den Publizistikwissenschaften als „Medialisierung“ (teilweise auch als „Mediatisierung“) bezeichnet (vgl. Schanze 2002: 199). Die Geschichte medienvermittelter bzw. medialisierter Kommunikation reicht somit zurück zur Entstehung primärer Medien. Heute zählen Bücher, Zeitschriften, die Presse und die publizistischen Leistungen von Radio und Fernsehen zu den wichtigsten Angeboten medialisierter Kommunikation. Mit der Digitalisierung zeichnet sich eine weitere Expansion der Medialisierung ab.

      In historischer Perspektive interessiert insbesondere, ob, inwiefern und in welchen Schritten sich Medialisierung zu einem Transformationsprozess von gesamtgesellschaftlicher Bedeutung entwickelte. Im Kern der medienhistorischen Forschung stehen deshalb die empirische Untersuchung der Ausdehnung medienvermittelter Kommunikation und die Analyse von Medialisierungsfolgen.

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      Quelle: Schade 2004: 120

      4 Epochen der Medialisierung öffentlicher Kommunikation

      Fünf Hauptepochen der Medialisierung

      Die Kommunikations- und Mediengeschichte wird in Bezugnahme auf die drei eben skizzierten historischen Prozesse–Differenzierung der Gesellschaft, Technisierung von Medienkommunikation und Medialisierung –in folgende fünf historische Perioden eingeteilt:

      1. Der Wandel von Kommunikationsstrukturen im Übergang von archaischen zu stratifizierten Gesellschaften und die Entwicklung von szenischen Medien, Schriften und nicht mechanisierten Druckverfahren (von der Frühgeschichte bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts).

      2. Die Mechanisierung des Buchdrucks und die zögerliche Ausbreitung periodischer Publikationen in stratifizierten Gesellschaften (Mitte 15.–17. Jh.).

      3. Die Beschleunigung der Medialisierung bei der Herausbildung funktional differenzierter Gesellschaften: Entstehung der Massenpresse im Zeitalter des Liberalismus und der Industrialisierung (18.–19. Jh.).

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      4. Die Popularisierung tertiärer Medien: Forcierte Differenzierung des Medienangebotes durch die Rundfunkmedien Radio und Fernsehen (20. Jh.).

      5. Digitalisierung der Massenmedien (ab 1980er-Jahre): Die Entzeitlichung der Rezeption von Rundfunkmedien.

      4.1 Die Entwicklung von szenischen Medien und Schriftlichkeit

      Die erste Phase der Kommunikations- und Mediengeschichte reicht zu den Anfängen der Kulturgeschichte zurück (ca. 37 000 v. Chr.) und führt bis an die Frühneuzeit heran. Über die Entwicklungsgeschichte archaischer Gesellschaften–von den nomadischen Kulturen der Jäger und Sammler hin zum Wechsel zu (relativer) Sesshaftigkeit mit Ackerbau und Viehzucht–liegen lediglich rudimentäre Informationen vor. Der Wandel gesellschaftlicher Kommunikationsstrukturen im Übergang von archaischen zu stratifizierten Gesellschaften kann schon deshalb hier lediglich thesenartig in Form eines stark verallgemeinernden Periodisierungsvorschlages skizziert werden. Erschwerend kommt hinzu, dass die Entwicklung erster Hochkulturen je nach Weltregion zu sehr unterschiedlichen Zeitpunkten erfolgte:

      1. Archaische Periode (ca. 37 000–ca. 2500 v. Chr.)

      2. Multiple hochkulturelle Periode (ca. 2500 v. Chr.–ca. 800 n. Chr.)

      3. Zeit des christlichen Mittelalters (ca. 800–ca. 1450)

      Archaische Periode

      Evolution von Sprache

      Der Übergang vom Gruppenleben hoch entwickelter Primaten hin zur menschlichen, archaischen Gesellschaft war verbunden mit der Evolution von Sprache. Sprachliche Kommunikation ist grundsätzlich effektiver als beispielsweise Mimik, Gesten u. a. nonverbale Kommunikationsformen. Archaische Gesellschaften waren kleine soziale Systeme, die „auf der Gemeinsamkeit der Lebensführung und des Wohnens oder auf Verwandtschaft“ beruhten (vgl. Luhmann 1993: 309). Obschon die gesellschaftliche Koordination weitgehend in Interaktion unter Anwesenden erfolgen konnte, entwickelten sich bereits Formen der Medialisierung öffentlicher Kommunikation.

      Szenische Medien

      Öffentliche Kommunikation im archaischen Zeitalter ist heute u. a. fassbar anhand überlieferter Verbildlichungen szenischer Medien. |90◄ ►91| Die Medialisierung öffentlicher Kommunikation konzentrierte sich demnach auf den kultischen Bereich und erfolgte durch Medien wie Opferritual, Rede, Kulttheater oder Tanz (vgl. Faulstich 1997: 294). Mit dem „Opferherrn“ bildete sich früh die Rolle des Priesters aus: Er war zugleich „Sprachrohr der Gottheit“ und „Sprachrohr für die Anliegen der Gläubigen“ und erfüllte mit „der Weltstrukturierung für alle Mitglieder der Gemeinschaft“ eine „soziale, stabilisierende Steuerungsfunktion“ (Faulstich 1998: 8).

      Multiple hochkulturelle Periode

      Stadtbildung und Differenzierung der Kommunikationsstrukturen

      Die Entstehung von Hochkulturen (u. a. die altägyptische Kultur, die griechische Antike und das Römische Reich) ist eng verknüpft mit der Stadtbildung und der Entwicklung schriftlicher Kommunikation (Tafel, Rolle, Buch). Die sich verbreitende städtische Siedlungsform erlaubte es, die Interaktion zugleich zu verdichten und zu differenzieren: horizontal nach Funktionsbereichen (Religion, politische Ämter, arbeitsteilige Produktion und Handel usw.) und vertikal nach sozialer Schichtung. Da die Oberschichten in den Metropolen relativ klein gehalten wurden, konnte die lokale Koordination der verschiedenen gesellschaftlichen Funktionsbereiche noch weitgehend durch Interaktion erfolgen (vgl. Luhmann 1993: 309).

      Schriftlichkeit