Carsten Burhop

Wirtschaftsgeschichte des Kaiserreichs 1871-1918


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im internationalen Vergleich nachhaltig. Da die Saat- und Erntezeiten für diese Früchte später im Jahr liegen, überschnitten sie sich mit der Haltung von Tieren auf den Allmenden. Als Konsequenz wurden die Allmenden nach und nach abgeschafft und in effizienter genutztes Privateigentum überführt. Zudem benötigen Kartoffeln und Zuckerrüben andere Bodennährstoffe, weshalb die Fruchtfolge geändert und bisher nicht genutzte sandige Böden für die Landwirtschaft erschlossen werden konnten. Darüber hinaus wurden gerade Zuckerrüben oft durch Pilze und Insekten befallen und ihr zunehmender Anbau förderte daher den Ausbau der Pflanzenschutzforschung, der langfristig auch anderen Pflanzen zugute kam. Fernerhin wurden Kali, Nitrat und Ammoniumsulfat stärker als in anderen Ländern als Dünger eingesetzt. Insbesondere nachdem die Eisenindustrie verstärkt phosphorhaltige schwedische Eisenerze verwendete, stand zudem Phosphat in der Form von Thomasschlacke als Dünger zur Verfügung. Schließlich erlaubte der Kunstdüngereinsatz eine zunehmende Arbeitsteilung innerhalb der Landwirtschaft, da zuvor Art und Anzahl der gehaltenen Tiere die Düngermenge bestimmt hatte. Nun konnten tierische und pflanzliche landwirtschaftliche Produktion getrennt werden.114

      Neben der Arbeits- und Gesamtfaktorproduktivität können auch Löhne international miteinander verglichen werden. Diese Art des Vergleichs ist bisher in der Forschungsliteratur wenig beachtet, kann jedoch aus methodischer Sicht ebenso wie der Produktivitätsvergleich vorgenommen werden: Die erzielten Arbeitseinkommen müssen zunächst mit Hilfe von Kaufkraftparitäten in eine einheitliche Währung umgerechnet und können dann zueinander in Beziehung gesetzt werden. Beim internationalen Vergleich von Reallöhnen ist zu beachten, dass die für die einbezogenen Länder verwendeten Lohnreihen eine identische Gruppe von Erwerbstätigen abbilden. Ferner ist darauf zu achten, dass die zur Umrechnung von Nominal- in Reallöhne benutzen Preisindizes die tatsächlich konsumierten Güter in den jeweiligen Ländern widerspiegeln. Ebenso gilt, dass, – zumindest wenn eine lange Periode untersucht wird – der zur Berechnung der Kaufkraftparitäten zwischen den Ländern und zur Ermittlung des Konsumentenpreisindex innerhalb der Länder zugrunde liegende Warenkorb an die aktuellen Ausgabenstrukturen der Lohnempfänger angepasst wird.115 Für einen internationalen Reallohnvergleich wurden Nominallöhne für vollzeitbeschäftigte Erwerbstätige in der Landwirtschaft, der Industrie und im Dienstleitungssektor erhoben und mit Hilfe von Kaufkraftparitäten in eine gemeinsame Währung transformiert.116 Die Kaufkraftparitäten beruhen auf deutschen und britischen |63◄ ►64| Haushaltsbudgets für das Jahr 1905, wobei der Warenkorb 18 Güter sowie deren Preise in den beiden Ländern und den Anteil dieser Güter an den Haushaltsausgaben umfasst. Beispielsweise gaben deutsche Haushalte 0,6 Prozent ihres Budgets für Tee und 5,5 Prozent für Kaffee aus. Britische Haushalte hingegen gaben vier Prozent ihres Budgets für Tee und 1,4 Prozent für Kaffee aus. Da Tee in Deutschland 2,31 Mark und in England 18 Pence kostete, betrug die Kaufkraftparität für Tee 30,80 Mark je Pfund. Kaffee hingegen kostete 93,6 Pfennige in Deutschland und 18,20 Pence in England, sodass die Kaufkraftparität 12,34 Mark je Pfund betrug. Gewichtet man die Kaufkraftparitäten für die beiden Güter mit dem geometrischen Mittel der Ausgabenanteile in den beiden Staaten, dann ergibt sich eine Kaufkraftparität für Genussmittel von 18,95 Mark pro Pfund. Für die anderen Konsumgüter geht man ebenso vor und schließlich ergibt sich für das gesamte Konsumgüterbündel eine Kaufkraftparität im Jahre 1905 von 20,62 Mark je Pfund. Diese liegt sowohl nahe an der oben vorgestellten Kaufkraftparität aus Sicht der Produzenten als auch am offiziellen Wechselkurs von 20,43 Mark je Pfund. Tabelle T8 präsentiert die deutschen und britischen Nominallöhne im Jahre 1905 für sieben Branchen und die gesamte Volkswirtschaft sowie die realen Kaufkraftverhältnisse der Löhne. Schließlich zeigt die rechte Spalte in Form der relativen Lohnstückkosten das Verhältnis zwischen Lohn und Leistung, d.h. das Verhältnis von relativen deutsch-britischen Reallöhnen zur relativen deutsch-britischen Arbeitsproduktivität.

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      Quelle: Broadberry / Burhop, Real wages.

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      In fast allen Branchen wurde in Deutschland zu Beginn des 20. Jahrhunderts weniger verdient als in Großbritannien. Ausnahmen von dieser Regel waren lediglich der öffentliche Dienst und der sich größtenteils im Staatsbesitz befindliche Verkehrs- und Kommunikationssektor mit Eisenbahnen und Post. Besonders niedrig waren die Löhne in der Landwirtschaft, im Handel, bei Banken und Versicherungen. Da dies jedoch Branchen mit vergleichsweise niedriger Arbeitsproduktivität waren, entsprachen Lohn und Leistung einander. Die Lohnstückkosten waren etwa gleichauf mit denen in England. Im deutschen Transportsektor war die Arbeitsproduktivität sehr hoch, weshalb die Lohnstückkosten sich hier als sehr niedrig erwiesen. Ebenfalls sehr niedrige Lohnstückkosten hatten das Baugewerbe und die Industrie. Die relativ hohe Arbeitsproduktivität der deutschen Industrie ging mit vergleichsweise niedrigen Löhnen einher. Ihre hohe internationale Wettbewerbsfähigkeit kann also zumindest teilweise den niedrigen Löhnen zugeschrieben werden. Es ist allgemein anerkannt, dass Deutschland vor allem in der frühen Phase der Industrialisierung aufgrund von niedrigen Löhnen international konkurrenzfähig war,117 für die Zeit um die Jahrhundertwende wird die Wettbewerbsfähigkeit dagegen der deutschen Industrie vor allem mit der hohen Innovationskraft in der Chemie-, Elektro- und Maschinenbauindustrie begründet.118 Gleichwohl deuten die Ergebnisse in Tabelle T8 darauf hin, dass niedrige Industrielöhne bis zum Ersten Weltkrieg entscheidend zum Aufstieg Deutschlands auf dem Weltmarkt beitrugen.

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