das ist der Heilige Geist; „über mir, ließ es verstehen“ – von daher ergibt sich, dass sie zur Auslegung (lehiddaresch) gegeben wurde.
Dort wird auch klar gelegt, dass das Buch Ester bzw. die Esterrolle eine der Tora entsprechende Bedeutung hat und wie diese selbst der Auslegung bedarf.
Als Lerninhalt tritt Midrasch häufig aufAls Lerninhalt tritt Midrasch häufig auf. Wie bereits erwähnt, enthält die Liste von Studieninhalten in mNedarim 4.3 Midrasch, Halachot und Haggadot. Midrasch ist hier also von Haggada und Halacha getrennt zu lernen. In tBerachot 2.12 werden – im Zusammenhang mit Fragen zur rituellen Reinheit – auch die Frauen ins Studium integriert, wenn es heißt:
|31|Männer und Frauen, die an Ausflüssen im Genitalbereich leiden, Menstruierende und Wöchnerinnen dürfen Tora, Propheten und Schriften lesen, Mischna, Midrasch, Halachot und Haggadot lernen.
Im babylonischen Talmud (i.F. Bavli) schränkt man in bBerachot 22a allerdings diese großzügige Regelung wieder auf Männer ein.
Eine gewisse Lernabfolge kann man z.B. aus jPea 2,6,17a erheben, wo es heißt, dass „Schrift, Mischna, Talmud und Haggada und auch das, was ein kundiger Schüler einmal vor seinem Lehrer entscheiden wird, bereits am Sinai Moses gesagt wurde.“ Allerdings wird im Alltag nicht unbedingt nach dieser Abfolge unterrichtet. In TanB Lech lecha 10 (34b) heißt es über R. Jochanan:
Seine Schüler saßen vor ihm im (Auslegungs-)Kapitel (vertieft). Als sie mit ihrem Kapitel fertig waren, lehrte er sie eine Haggada und danach Mischna.
In bTaʿanit 30a ist davon die Rede, dass man am 9. Av, dem Trauertag über die Zerstörung des Tempels, weder Tora, Propheten und Schriften liest noch Mischna, Midrasch und Talmud, Haggadot und Halachot studiert.
Aussagekräftig ist auch bQidduschin 49a. Darin wird die Selbsteinschätzung eines EhemannesSelbsteinschätzung eines Ehemannes in spe gegenüber seiner künftigen Braut thematisiert. Wenn er behauptet, imstande zu sein, die Bibel lesen zu können, so lässt man ihn drei Verse vortragen und übersetzen, damit er sich verloben kann. Behauptet er von sich, ein Schriftkundiger zu sein, so muss er aus allen drei Teilen der Bibel (Tora, Propheten, Weisheitsschriften) genau vortragen. Hat er sich gar als Gelehrter vorgestellt, argumentieren die Rabbinen dazu keineswegs einheitlich:
Chisqija sagte: (dies meint Kenntnisse bzw. Lernstoff der) Halachot; aber R. Jochanan sagte: Tora. Man wandte ein: Was ist Mischna? R. Meir sagt: Halachot, aber R. Jehuda sagt: Midrasch. Was ist Tora? Midrasch Tora (Auslegung der Tora). Dies gilt (unter der Voraussetzung,) dass er zu ihr sagte: Ich lerne. Sagte er aber: Ich bin ein Gelehrter (tanna), so muss er Halacha, Sifra und Sifre und Tosefta studiert haben.
Midrasch wird von Jochanan allgemein als Lehre (Mischna) verstanden, demgegenüber Meir diese auf die gesetzlichen Teile (Halachot) einschränken will. In der Regel folgt die Mischna als Lernstoff nach der Bibel, die man im Grundstudium erlernen soll. Andererseits versteht man Midrasch als Auslegung von Tora. Der Schlusssatz konkretisiert diese auf die Exegese von Lev (Sifra) und Num/Dtn (Sifre).
Avot de-Rabbi Natan A 28.17–19 vergleicht den Studierenden mit Steinen. Ein behauener SteinEin behauener Stein ist jemand, der nur Midrasch lernt, ein Eckstein einer, der Midrasch und Halacha lernt, ein polierter Stein aber ist schließlich jemand, der Midrasch, Halacha, Haggada |32|und Tosefta beherrscht, also über ein umfassendes Wissen in verschiedenen Bereichen verfügt. Etwas später (A 29.26) heißt es, dass einer, der Midrasch, aber keine Halacha beherrscht, nur schwach „bewaffnet“ ist. Wer aber beides besitzt, ist stark „bewaffnet“.
Im Seder Elijahu Rabba ist das CurriculumCurriculum mehrteilig und umfasst Mischna, Midrasch, Halachot und Talmud und Aggadot (15, Friedmann 69); Mischna, Midrasch, Halachot und Aggadot (18, Friedmann 91) bzw. Midrasch, Halachot und Aggadot und den Dienst an den Gelehrten (28, Friedmann 155).
Die Bedeutung des rabbinischen Verständnisses von darasch ist nicht zuletzt auch von seinem „Sitz im Leben“ abhängig. Unter Derascha wird oft eine Predigt oder eine synagogale Schriftauslegung verstanden. Diese Bedeutung ist für das Mittelalter zutreffend, doch zeigt sich, dass eine frühe Verankerung der DeraschaDerascha im Kontext der synagogalen Liturgie problematisch ist. In mehreren Studien (vgl. z.B. Porton, Sermon) konnte inzwischen plausibel gemacht werden, dass Rabbinen in früher Zeit nur sehr bedingt am Synagogenleben teilgenommen haben dürften und kein bedeutender Anteil an der liturgischen Gestaltung von ihnen ausgeht. Viel eher ist wahrscheinlich, dass die Rabbinen ihre Auslegung eines Bibeltextes im Rahmen eines Lehrvortrages hielten. Der Begriff darasch verweist hier nicht auf eine Predigt, sondern eine Interpretation, eine Auslegung von bestimmten Schriftstellen.
4. Eine tragfähige Midraschdefinition
Von der Begriffsverwendung von darasch und Midrasch in Bibel, Qumrantexten und rabbinischer Literatur her ließ sich überblickshaft eine Entwicklung feststellen, an deren Beginn die Befragung Gottes durch Mittler stand, anschließend die Vermittlung und Verkündigung von Tora und schließlich die hermeneutische Durchdringung und Erforschung der Schrift. Eine tragfähige Definition des Midrasch muss über eine reine Begriffsanalyse hinausgehen.
In der Bedeutung von Nachforschen, Ergründen und VerkündenNachforschen, Ergründen und Verkünden mit Bezug zur Bibel und verbunden mit hermeneutischen Richtlinien, wie sie schon in tannaitischer Literatur, vor allem in der Folgezeit vorherrschend wird, ist nicht jeder kreative Umgang mit dem Text Midrasch.
In Abwandlung von Gary Portons DefinitionDefinition lässt sich Midrasch wie folgt beschreiben:
Genre | |33|Midrasch ist ein Genre, das in direkter Beziehung zu einem religiös autoritativen Text steht, in dem dieser explizit zitiert oder auf ihn klar erkennbar angespielt |
Hermeneutisches Verfahren | und er in der Folge ausgelegt wird. |
Referenzrahmen | Midrasch basiert auf einem Verständnis der Einheit, Widerspruchslosigkeit, Klarheit und Vollkommenheit der Schrift und |
Hermeneutisches Verfahren | wendet hermeneutische Methoden (Ausdeutung intertextueller Bezüge, Auslegungsregeln etc.) an, um die Lücken (gaps) des Textes zu füllen und die Welt der Schrift mit der aktuellen Welt der lesenden/hörenden und auslegenden Menschen zu verbinden. |
Midraschelemente können diesen Kriterien entsprechend sowohl in Rewritten Bible/parabiblischen Texten als auch im Targum enthalten sein, ohne dass diese per se Midrasch sind. Die Funktion des Midrasch besteht, was noch ausführlich behandelt werden soll, in der Aneignung des Bibeltextes im Sinne einer (meist, aber nicht immer) für verschiedene Meinungen offenen Interpretation. Dabei werden in der Regel aktuelle Fragen und Probleme beantwortet bzw. zu lösen versucht, ohne dass man Midrasch auf das Moment der Aktualisierung reduzieren dürfte. Elemente der kreativen Geschichtsschreibung oder Philologie sind darauf zu überprüfen, inwieweit sie bereits im biblischen Text und Kontext eine Stütze finden.
Macht man, wie dies z.B. Ulmer tut, die Trägergruppe der Rabbinen und ihre Theologie und Weltsicht für Midrasch besonders stark, so kann es weder in der Bibel Midrasch geben noch in der (Post-)Moderne.
Eine Darstellung einer engen Definition von Midrasch könnte so aussehen:
Bibeltext | ⇒ | Rabbinen und ihr hermeneutisches System (Schriftverständnis, Weltbild, Theologie) | + | spezifische formale Struktur | = | Midrasch |
Beispielerzählungen (maʿasim) oder Gleichnisse (meschalim) spielen im Rahmen der Textsorte Midrasch eine wichtige Rolle, weshalb sie in diesem Buch auch unter Abschnitt VI ausführlicher behandelt werden, sind selbst aber nicht Midrasch.
Neben der engen Definition von