etc. hat nicht nur Auswirkungen auf die Kollektionen, die auf dem ‚Laufsteg‘ zu sehen sein werden, sondern wirkt global auf ökologische, ökonomische, soziale und kulturelle Kreisläufe. Es gilt, die positiven und negativen Wirkungen der Materialien zu studieren und öffentlich zu diskutieren.
Lucius Burckhardts165 kritisch-programmatisch nachhaltiger Aufsatz Design ist unsichtbar aus dem Jahre 1981 verhandelte sozioökonomische, ökologische und politische Fragen.166 Der Architektur- und Kultursoziologe sah in einem Entwurfsprozess ein zweifelhaftes Moment der Kontraproduktivität, wenn Designer/innen die Welt „nach Objekten anstatt nach Problemen“ einteilen, was „auf der linguistischen Determination, welche die Benennung eines Übelstandes gleich zum Gerät seiner Abhilfe macht“167 beruhe. Auf das Design von Bekleidung ließe sich diese [<<53] Überlegung mehrfach übertragen. Dem Problem eines unerfüllten Sexlebens soll mit Dessous für Frauen und Männer abgeholfen werden. Gegen die Einsamkeit von Singles werden ‚sexy‘ respektive ,sportive‘ Outfits für alle Lebenslagen angeboten, ohne die zugrunde liegenden sozialen Determinanten auch nur im Mindesten zu beachten. Die ökologische Katastrophe wird mit ‚Ökomode‘168 vermeintlich abgewandt. Diverse Sportverletzungen sollen mit verschiedenen Accessoires wie Helmen, Arm-, Knie- und Rückenschonern verhindert und sonstige gesundheitliche Probleme mittels medizinisch versorgender Bekleidung bewältigt werden, wobei durch die damit suggerierte körperliche Optimierung und Risikobewältigung das Verhalten der Menschen sich nur dahin gehend ändert, noch risikoreicher zu leben, wenn ein vermeintlicher Schutz beziehungsweise Versorgungssicherheit gewährleistet scheinen. Diese Liste ließe sich noch weiter fortführen. Dass die meisten Probleme im Verhalten von Menschen und in komplexen Umweltbedingungen verankert sind, wird mit einer unpolitisch ausgerichteten Designstrategie, die einfach neue Kleidungsstücke für die jeweiligen Belange und für die mittels Werbung produzierten Bedürfnisse hervorbringt, ausgeblendet. Erfolg versprechend scheint hierbei jenes Produkt, welches sich in die bestehenden Systeme einfügt, auch wenn diese bereits überlastet sind.169 Diese Art der Problemlösung hat laut Burckhardt „ihre Ursache in der Stellung des Designers innerhalb der Entscheidungsgruppen: als ein im Grunde von der Verantwortung befreiter Ideenlieferant“.170 Mehr als dreißig Jahre nach seinen feinsinnigen Analysen zum Industriedesign treffen diese auf die Fremd- und Selbstdefinition und die gesellschaftliche Position der (Mode-)Designer/innengeneration des 21. Jahrhunderts zu, die sich als bedingungslose Dienstleister/innen marktwirtschaftlichen Sachzwängen beugen. Doch grundsätzlich stünde es jedem/r Designer/in frei, als aktives Medium zwischen Textil- bzw. Modeindustrie und Öffentlichkeit zu fungieren171 und aus dieser Position heraus ökologisch und sozial verträgliche Entwürfe und dementsprechende Produkte zu schaffen. [<<54]
28 Fischer/Hamilton 1999, S. 7.
29 Vgl. Lethaby 1999, S. 35.
30 Zur Frage nach einem ‚guten‘ oder ‚schlechten‘ Geschmack im Design vgl. beispielsweise Heinz Hirdinas Aufsatz Leben ist geschmacklos, Christoph Menkes und Isabelle Graws Beiträge in Texte zur Kunst. Geschmack. Taste sowie Beat Schneiders Text zu Design – Geschmack und Kitsch. Vgl. Graw 2009; Hirdina 2008, S. 57–63; Menke 2009; Schneider 2005, S. 229–234.
31 Vgl. Rotermund 2012, S. 86.
32 Vgl. ebd.
33 Ebd., S. 87.
34 Vgl. o. V. in Hennessy 2012, S. 199.
35 Vgl. Schuppisser 1961, S. 272.
36 Vgl. de Marly 1990, S. 49f.
37 Vgl. Coleman 1989, S. 10 und o. V. in Hennessy 2012, S. 199.
38 Vgl. Pape 2008, S. 75ff.
39 Vgl. Thiel 1979, S. 137; S. 148f.
40 Vgl. ebd., S. 137–151.
41 O. V. o. J.: Esmod Japon. History. URL: http://www.esmodjapon.co.jp/en/history/ (20. 10. 2014).
42 Vgl. Kraft 2001, S. 70.
43 Vgl. Schneider 2005, S. 221 und Weidmann 1998, S. 20.
44 Im Bereich der Produktgestaltung kritisierte Uta Brandes die Segmentierung nach „harten Bereichen“, denen das Industrie- und Medien-Design etc. zuzuordnen sei, und nach „weichen Bereichen“, zu denen unter anderem das Textil- und Modedesign zähle. Vgl. Brandes 1998, S. 83.
45 Richard Sennett führte diesbezüglich in seiner historischen Darstellung den Goldschmied Benvenuto Cellini an, der durch seine Originale große Berühmtheit als Künstler erlangte. Vgl. dazu Sennett 2008, S. 95ff.
46 Sennett 2008, S. 98.
47 Ebd., S. 98f.
48 Vgl. Walker 1992, S. 35.
49 Hirdina 2008, S. 207.
50 Vgl. ebd., S. 210.
51 Vgl. Coleman 1989, S. 9.
52 Mareis 2011, S. 235f.
53 Zu den Verschiebungen von Zuschreibungen, die dem Unternehmer, Künstler, Erfinder etc. in historischen Prozessen zukommen, vgl. Mareis 2011, S. 234.
54 Carl H. Terne verwendete den Begriff „Industriegestalter“ bereits 1839. Vgl. Hirdina 2008, S. 227.
55 Vgl. Lehnert 2012, S. 269ff. und Charles-Roux 2002.
56 Lehnert 2012, S. 270.
57 Vgl. dazu die mit Klatschgeschichten verdichteten Berichte zur Rivalität der beiden Stardesigner Yves Saint Laurent und Karl Lagerfeld von Alicia Drake. Drake 2007.
58 Vgl. Schneider 2005, S. 113f.
59 Vgl. Bürdek 1991, S. 43ff.