im Kontext von Mode, Design und Theorie produktiv einzusetzen sind. Die von Jaël Rabitsch angefertigten, zum Teil humoristischen Illustrationen unterstützen den Text als visuelle Marker und möchten im/in der Betrachter/in affektive Assoziationen abrufen.
Um, meinem ‚disziplinären‘ Verständnis entsprechend, einer Bezeichnung der Autor/inn/en und Akteur/inn/e/n zu entkommen, die sich im generischen Maskulinum ausschließlich auf Männer beziehen würde – was letztlich nicht den Tatsachen entspräche –, erfolgte eine Zweigenderung. Gleichwohl sind alle Personen, die sich als ,Mann‘, ,Frau‘ oder keines von beiden identifizieren lassen beziehungsweise als solche identifiziert wurden, mitgemeint. Ebenso sind immer Trans*Personen, Cisfrauen und Cismänner angesprochen. Die dafür unzureichend präzise Cisgenderung ist inhaltlich bedingt, um konkrete historische Zusammenhänge aufzuzeigen, doch trägt sie ein sichtbar machendes Bias, das in der Undurchführbarkeit grammatikalischer Regeln liegt, sobald Bezeichnungen jenseits des generischen Maskulinums verortet sind.
Die Auseinandersetzung mit Kleidermoden im Alltag, in akademischen Debatten und Veröffentlichungen bezieht sich vielfach auf bestehende kleidermodische Phänomene, die stets in historisch bedingte, ökonomische, politische, soziokulturelle und künstlerische Strömungen integriert sind. Deshalb plädieren Modeforscherinnen wie Heike Jenß dafür, die „komplexe Rahmung der Sachkultur der Kleidung durch Systeme der Mode […] bei ihrer Untersuchung immer mitzudenken“3, wobei hinzuzufügen ist, dass jedwede ‚Modesysteme‘ im Rahmen der Globalisierung von der Dominanz des ‚Westens‘ geprägt sind. Bei der Reflexion über die Gestaltung von Bekleidung, das Modedesign als Dienstleistung, gilt es zu vermerken, dass diese Tätigkeit mittlerweile mit Disziplinen im Feld des Marketings in Konkurrenz steht und basal von Paradigmen der sogenannten Creative Industries geleitet wird. Gleichzeitig ist eine zunehmende Theoretisierung von ‚Mode‘ in den Geistes- und Sozialwissenschaften zu beobachten, welche gegen Ende des letzten Jahrtausends noch nicht in die Lehr- und [<<10] Studienangebote integriert war. Die bis dahin üblichen theoretischen Fächer waren um Mode- und Kunstgeschichte, Wirtschaftsdisziplinen und Fremdsprachen zentriert, ohne die Disziplin Modedesign respektive die Arbeit von Modedesigner/inne/n per se zu hinterfragen. Die aus der Fülle an Optionen herangezogenen Literaturquellen zu diesem Band sind entsprechend ihrer Verwendung für die Lehre im Mode- respektive Designkontext für die wissenschaftliche Theorieproduktion und so ausgewählt, dass sie die Argumentation zu den jeweiligen Problemstellungen in den einzelnen Abschnitten unterstützen. Mehrheitlich wurde daher auf englisch- und deutschsprachige Quellen zurückgegriffen. Eine vollständige Aufarbeitung des gesamten Feldes war weder erwünscht noch beabsichtigt, vielmehr intendieren die vorliegenden Texte, sich den vielen dargebrachten Quellen und Anregungen zu nähern und diese in Hinblick auf ihre weiteren Anwendungsmöglichkeiten tiefer zu befragen.
Zur Etablierung der Fashion Studies beziehungsweise von Modetheorie mit eigenständigen Lehr- und Forschungsansätzen haben zahlreiche Publikationen beigetragen, von denen einige im Folgenden kurz vorgestellt werden, um die theoretische Einbettung des hier Verfassten nachvollziehen zu können. Dazu ist anzumerken, dass der Umfang der Veröffentlichungen zur ‚Mode‘ beziehungsweise zu fashion in den letzten Jahren exponential angestiegen ist, wobei bereits ältere Publikationen eine fundierte wissenschaftliche Basis zur weiteren diskursiven Auseinandersetzung in unterschiedlichen Disziplinen bildeten. Hierzu seien die Arbeiten der Kulturwissenschaftlerin Elizabeth Wilson erwähnt, die sich schon 1985 dem Nexus Mode und Modernität4 widmete und 1992 gemeinsam mit Juliet Ash einen ausgezeichneten Sammelband mit dem Titel Chic Thrills. A Fashion Reader5 herausgab. In diesem wurden unterschiedliche Themenfelder zu (Bild-)Sprache, Identität, Design und Ethnizität, Haute Couture und popular style breit gefächert verhandelt sowie sozialutopische und richtungweisende feministische Ansätze einbezogen. Wilsons Modeprogrammatik ist als vorbildhaftes Reservoir für wissenschaftliches Arbeiten anzusehen, wie es heute unter dem Terminus Fashion Studies als interdisziplinäres Vorhaben in ‚westlichen‘ (Aus-)Bildungssystemen institutionalisiert ist. In den letzten Jahrzehnten ist eine Vielzahl an Readern erschienen, deren Inhalte in den hier vorliegenden Band einbezogen wurden, darunter ist an dieser Stelle aus Malcolm Barnards Einführung zu seiner Herausgeberschaft Fashion Theory. A Reader zu zitieren, zumal er das Spektrum analysiert hat, was Modetheorie sei: [<<11]
„There is no one set of ideas or no single conceptual framework with which fashion might be defined, analysed and critically explained. Consequently, there is no single discipline, approach or discrete body of work that can be identified and presented here as fashion theory. Rather, there are theories about fashion or, to put it another way, there are fashion theories. What one finds is that various and diverse academic disciplines apply themselves or are applied to the practices, institutions, personnel and objects that constitute fashion.“6
Modetheorie ist in Abgrenzung zur Kostümkunde positioniert, die den Geschichtswissenschaften nähersteht. Populäre kostümkundliche Arbeiten stellen unter anderen Janet Arnolds anwendungsorientierte Studien zu historischen Schnitten und Ingrid Loscheks Mode- und Kostümlexikon dar, während beide darüber hinaus zahlreiche modehistorische und -theoretische Schriften verfasst haben.7 Auf geisteswissenschaftlichem Terrain verlieh der französische Philosoph und Schriftsteller Roland Barthes in den 1960er-Jahren mit seinen semiotischen Untersuchungen zur Sprache der Mode8 dem Sujet intellektuellen Glanz. Sein Kollege Gilles Lipovetsky schrieb dem ‚Reich der Mode‘ Anfang der 1990er-Jahre demokratisierende Kräfte zu,9 während die US-amerikanische Literatin und Literaturwissenschaftlerin Alison Lurie Bekleidungsformen als sozial differenzierendes Zeichensystem nach ihrer kulturellen Semantik befragte.10 Die einflussreiche US-amerikanische Modehistorikerin, Begründerin und Herausgeberin des Periodikums Fashion Theory. The Journal of Dress, Body & Culture, Valerie Steele, widmet sich seit Mitte der 1980er-Jahre den Kleidermoden – insbesondere unter Berücksichtigung ihrer erotischen, fetischhaften, sexualisierenden Momente.11 Im deutschsprachigen Raum setzten in den Literaturwissenschaften sowohl Silvia Bovenschens Listen der Mode und Barbara Vinkens Mode nach der Mode12 starke Akzente, wie auch die zahlreichen modetheoretischen Monografien und editierten Ausgaben von Gertrud Lehnert die deutschsprachige Modetheorielandschaft prägen.13 In ähnlicher [<<12] Dichte erschienen vielzählige Publikationen, so etwa aus der kulturanthropologischen Perspektive von Gabriele Mentges sowie Gundula Wolters kulturgeschichtliche Studien zu Bekleidungspraktiken.14 Der Soziologe René König hegte für ‚die Mode‘ als soziales Phänomen große wissenschaftliche Begeisterung. Kontrastierend dazu stand in Frankreich Pierre Bourdieu dem Feld der Mode sozialkritisch gegenüber. Darüber hinaus übte die britische Soziologin Angela McRobbie feministische Gesellschaftskritik am Modesystem.15 Elena Espositos soziologisch fundierte, systemtheoretische Untersuchung zu den „Paradoxien der Mode“ entstand zu Beginn des jetzigen Jahrtausends und ist aufgrund ihres innovativen methodischen Ansatzes geradezu kanonisch geworden.16 Der Untersuchungsgegenstand ‚Mode‘ war und ist nicht erst in den letzten Jahrzehnten aus vielen, meist gesellschaftspolitisch, motivierten Perspektiven interdisziplinär bearbeitet worden, daher sind des Weiteren Positionen zu Mode und deren Gestaltung aus mehreren Jahrhunderten in den einzelnen Abschnitten des hier vorliegenden Bandes versammelt.
Die Historizität und lokale Bedingtheit von Lebens- und daher auch Bekleidungsgewohnheiten und deren Vor- und Nachteile darzustellen, hat der Architekt Bernard Rudofsky in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts beeindruckend gemeistert und dabei den Modebegriff und dessen Modernität an sich infrage gestellt.17 Seine Schriften lehren, Modedesign, Architektur und sämtliche gängigen Gestaltungsdisziplinen sowie deren Praktiken zu erkunden.
Als langfristig im Modebereich Tätige konnte ich bei der Schnitt- und Modellgestaltung, Kollektionsplanung, Atelierleitung und im Design in der Zusammenarbeit mit verschiedenen Modedesigner/inne/n, die völlig unterschiedliche Herkunftsbiografien und Ziele hatten, dieser Herausforderung nachgehen. Diesbezügliche Erfahrungen schließen das Wissen aus der Ausbildungszeit und die prägenden Eindrücke in der Zusammenarbeit mit einem der ersten, umfassend ökologisch ausgerichteten Bekleidungshersteller in Deutschland, Wilhelm Dietzens Natur & Co, und die in Richtung Nachhaltigkeit positiven Entwicklungen im Modebereich mit ein. Führten in den frühen 1990er-Jahren ökologisch ausgerichtete Bekleidungsunternehmen ein Nischendasein, so ist heute die sogenannte sustainable fashion im akademischen Betrieb, auf Textilmessen und im Einzelhandel zumindest