Margrit Pernau

Transnationale Geschichte


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Methodik richtet sich denn auch die Kritik der letzten Jahre. Sie entzündete sich zum einen an der Auseinandersetzung um den ›europäischen Sonderweg‹, der seit Max Weber zum Motor für den Vergleich zwischen Europa und anderen Erdteilen geworden und dann in den Modernisierungsdebatten wieder aufgenommen wurde. Der Vergleich, das Postulat der Unterwerfung unter gemeinsame Gesetzmäßigkeiten, wehre der Festschreibung von Differenzen als natürlich gegeben (›Essentialisierung‹) und ihrer Hierarchisierung nur scheinbar.

      Bestehende Unterschiede negierten zwar nicht mehr eine fundamentale Gleichheit. Dadurch jedoch, dass die ausgemachten Differenzen auf die Zeitschiene verlagert würden, also ein früheres|33◄ ►34| oder späteres Stadium der gemeinsamen Entwicklung darstellten –Asien etwa der europäischen Vergangenheit entspräche, Europa der asiatischen Zukunft, weshalb Vergleiche vorzugsweise diachron durchzuführen seien–käme es zu einem Verlust der Gleichzeitigkeit (denial of co-evalness, Fabian, 1983) und damit zur Ausblendung der Möglichkeit einer Rückführung dieser Unterschiede z. B. auf den Kolonialismus.

      Der Vergleich, lautete der Vorwurf weiter, führe zu einer Defizitgeschichte. Nicht mehr ein von beiden Vergleichseinheiten unabhängiges tertium comparationis bilde den Maßstab, sondern eine der Einheiten stelle zugleich die Norm dar, an der die Entwicklung gemessen werde. Nicht um den Vergleich von Äpfeln und Birnen ginge es, um im Bilde zu bleiben, sondern darum, was der Birne fehle, um ein Apfel zu sein–die klassische Frage nach dem ›What went wrong with Islam?‹ (Lewis, 2002). Anders als im Falle des Obstes gäbe es für den Vergleich zwischen Kulturen keine Begriffe und keine Metaebene, die nicht ihrerseits schon sprachlich, historisch und kulturell geprägt seien. Zumal wenn die beiden Seiten des Vergleichs noch immer über unterschiedliche (wissenschafts-)politische Macht verfügten, die Möglichkeit eines »the Empire writes back« (Ashcroft / Griffiths / Tiffin, 1989) also nur marginal bestünde, führe der Vergleich damit zu einer Verfestigung des Ungleichgewichts.

      Der zweite methodische Angriff kam von Seiten der Historiker, die räumliche Wanderungsprozesse untersuchten–sei es von Völkern, Sprachen, Ideen oder Artefakten: Ein methodisch sauberer Vergleich, der auf den Nachweis von Interdependenzen zwischen zwei Faktoren abziele, müsse von zwei oder mehr unabhängig voneinander existierenden Einheiten ausgehen, die zum einen über den Vergleichszeitraum hinweg stabil blieben, zum anderen weder auf gemeinsame Wurzeln zurückgingen, noch sich gegenseitig beeinflussten. In den Naturwissenschaften war dieser Einwand bereits im 19. Jahrhundert unter dem Stichwort ›Galtons Problem‹–nach dem britischen Rasseforscher Francis Galton–diskutiert worden (Kleinschmidt, 1991). Für die Neuzeit sei diese Form der Unabhängigkeit nur in Extremfällen gegeben, in der Regel seien die Untersuchungseinheiten vielmehr Teil eines|34◄ ►35| engen Beziehungsgeflechts. Dieses auszublenden führe nicht nur zu Verzerrungen, es nähre auch die Illusion von unabhängigen Nationalstaaten, deren Entwicklung durch endogene Faktoren zu erklären sei. Der Vergleich führe also gerade nicht zu einer Überwindung nationalstaatlicher Paradigmata, sondern im Gegenteil zu ihrer Verstärkung (Espagne, 2003).

      Diese Vorwürfe haben zu einer überaus anregenden Diskussion sowohl innerhalb der Komparatistik wie auch zwischen den Komparatisten und den Transferhistorikern beigetragen und zur Entwicklung von Vorschlägen für eine Kombination beider Ansätze geführt. Sie sollen im nächsten Kapitel vorgestellt werden.

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