sich die Gebrauchsbedingungen bei Gör(e), Lesart 2, in den letzten Jahren geändert? Jedenfalls sind inzwischen auch diese Adjektive in Klammern gesetzt. Man kann diese Lexeme also in beiden Lesarten auch in Bezug auf ganz brave Kinder verwenden. Das werden aber nur Leute tun, denen selbst artige Kinder noch auf die Nerven gehen; in diesem Fall liegt ausschließlich Pejoration, das konnotative Merkmal ›abwertend‹, vor.
Das Zusammenspiel der denotativen und konnotativen Ebene
Das Beispiel zeigt, dass man die denotative und konnotative Ebene durchaus nicht immer säuberlich auseinanderhalten kann. Dies ist kein Fehler der Beschreibung, sondern liegt in der Natur der Sache, um die es eben in der Kommunikation oft Streit gibt: Ist es nun der Fehler der Kinder, die zu unartig sind, oder der Fehler des Erwachsenen, der nicht kinderfreundlich genug ist, wenn sie diesem als Gören oder Bälger erscheinen? Dieser fließende Übergang zu denotativen Merkmalen ist bei wertenden Konnotationen die Regel; wenn man also in einem Text auf einen solchen Ausdruck stößt, steht man immer vor der Frage, ob dies nun auf eine für den Sprecher typische Einstellung zum Referenten schließen lässt oder auf besondere Eigenschaften des Referenten, dem der Sprecher im Allgemeinen neutral gegenübertritt.
Aufwertende Ausdrücke: die Melioration
Ähnliches gilt auch für das positive Pendant zu Pejorativa, die aufwertenden, ›bedeutungsverbessernden‹ Ausdrücke, die man auch meliorative (zu lateinisch melior, Komparativ von bonus ›gut‹) nennt. Hier wird die Sache in ein besonders günstiges Licht gestellt bzw. unter einem entsprechenden Gesichtspunkt betrachtet. Konventionalisierte meliorative Ausdrücke sind viel seltener als pejorative (anscheinend gibt es mehr Bedarf zum Ausdruck negativer Einstellungen). Ein Standardbeispiel für Melioration sind gewisse euphemistische Bezeichnungen für das Sterben, nämlich verscheiden oder heimgehen, in denen der Tod als eine Station auf einem Weg betrachtet wird, der noch nicht beendet ist und sogar heim (ins Paradies) führt. Sehr häufig werden jedoch in Parole-Akten (unter Umständen auch in einem längeren Diskurs über eine gewisse Zeit hin) positiv konnotierte (komplexe) Ausdrücke z.B. zur Verschleierung von Gräueln verwendet. Ein noch immer aktuelles Beispiel dafür ist der Ausdruck ethnische Säuberung, der von den Verantwortlichen für die Vertreibung und Vernichtung von bestimmten ethnischen Gruppen verwendet wird. Andere nennen dies Völkermord oder Genozid.
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Diminutiva
Positive Konnotationen kommen sehr häufig durch komplexe Ausdrücke zustande, z.B. durch die Kombination mit Verkleinerungsformen, durch diminutive Ausdrücke (zu lateinisch diminutum ›verkleinert‹). Kleinheit wird in Bezug auf viele Referenten nämlich mit ›niedlich‹ assoziiert. Schon die Fokussierung des Merkmal ›klein‹ in Baby führt dazu, dass dieser Ausdruck viel besser dazu geeignet ist, positive Emotionen zu transportieren als etwa Säugling oder Wickelkind. Man kann ihn auch noch zusätzlich mit verkleinernden Zeichen umstellen: Mein kleines Babylein. So ist es kein Zufall, dass heutzutage das aus dem Englischen entlehnte Baby das üblichste Wort zur Bezeichnung von Säuglingen ist, denn im Deutschen gibt es kein Erbwort mit dieser Konnotation. Schließlich führt die positive Konnotation auch zu einer Polysemie, die für Säugling oder Wickelkind undenkbar ist: Mit Baby referiert man ja nicht nur auf Kleinstkinder, sondern es ist auch ein geläufiges Kosewort (für Frauen).
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