Anke Ortlepp

Geschichte der USA


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John AdamsAdams, John und John JayJay, John teilnahmen. Hinter den Kulissen ergab sich bald Einvernehmen zwischen den Amerikanern, die ihre Unabhängigkeit so schnell wie möglich völkerrechtlich bestätigt sehen wollten, und den BritenGroßbritannienRevolutionsepoche, die fürchteten, Franzosen und Spanier könnten lange Verzögerungen zu weiteren Gebietsgewinnen auf Kosten Englands nutzen. Im Frieden von ParisFrieden von Paris (1783), der schließlich am 3. September 1783 unterzeichnet wurde, erreichten FranklinFranklin, Benjamin und seine Kollegen durch geschicktes Taktieren nahezu ihre Maximalziele: EnglandGroßbritannienRevolutionsepoche erkannte die amerikanische Unabhängigkeit formell an, trat das gesamte Territorium zwischen den AppalachenAppalachen und dem MississippiMississippi (Fluss) an die Vereinigten Staaten ab und räumte den Amerikanern Fischfangrechte vor NeufundlandNeufundland und NeuschottlandNeuschottland ein. KanadaKanadaUnabhängigkeitskrieg nördlich der Großen Seen blieb britisch, wobei die Grenzen allerdings noch nicht unzweideutig definiert wurden. Der gleichzeitige Friedensschluss zwischen den europäischen Mächten brachte keine wesentlichen Veränderungen, abgesehen von der Tatsache, dass EnglandGroßbritannienRevolutionsepoche FloridaFlorida an SpanienSpanienKolonien zurückgeben musste. Die Amerikaner begrüßten dies mit Blick auf die Zukunft, weil sie davon ausgingen, dass Spanien die schwächere der beiden Kolonialmächte sei. Das aus amerikanischer Sicht wichtigste Ergebnis war natürlich – abgesehen von der Unabhängigkeit selbst – die Öffnung der riesigen Westgebiete, die bislang noch von zahlreichen Indianerstämmen bewohnt waren, in die nun aber bereits Siedler zu strömen begannen.

      4 Die „kritische Periode“, 1783–1787/88

      Aus der Sicht vieler PatriotenPatrioten stellten Revolution und Unabhängigkeit die Fortsetzung der Selbstbefreiung des Menschen aus politischer und religiöser Unmündigkeit dar, die mit der Reformation begonnen hatte. Die Begeisterung, die der militärische Triumph und der günstige Friedensschluss in Amerika auslösten, konnte die Fülle und Tragweite der anstehenden Probleme aber nur kurzfristig überdecken. Das Grundbefinden der 1780er Jahre, die der Historiker John FiskeFiske, John hundert Jahre später als die „kritische Periode“ der amerikanischen Geschichte bezeichnete, war zwiespältig: Einerseits beflügelten republikanisches Selbstbewusstsein, puritanischer Auserwähltheitsglaube und die Vision eines künftigen American Empire den Tatendrang; andererseits wirkte die Furcht vor dem Abgleiten der Revolution in Anarchie eher lähmend, und die wirtschaftlichenWirtschaft Schwierigkeiten, die das Ausscheiden aus dem Empire-Verband und die Kriegsschäden mit sich brachten, schränkten den Handlungsspielraum ein. Die Aufgabe, das Erreichte zu sichern und Stabilität und Wohlstand unter den neuen Bedingungen dauerhaft zu gewährleisten, erwies sich als fast ebenso schwierig wie der Kampf um die Unabhängigkeit. Niemand sah das klarer voraus als George WashingtonWashington, George, den einige Offiziere in der Endphase des Krieges, als der Kongress seine Soldversprechungen nicht einlösen konnte, wohl gern als Diktator auf den Schild gehoben hätten. WashingtonWashington, George ließ sich jedoch nicht anfechten und gab den Oberbefehl im Dezember 1783 in AnnapolisAnnapolis, Maryland, MarylandMaryland ordnungsgemäß an den Kongress zurück. Zuvor richtete er allerdings ein Rundschreiben an die Staatenregierungen, in dem er seine Landsleute aufforderte, ihre gegenseitigen Vorurteile zu überwinden und die Union zu einem unauflöslichen Staatswesen mit einheitlicher Führung auszubauen. Als Privatmann warb er von seinem Landsitz Mount VernonMount Vernon weiter im Sinne dieses politischen Vermächtnisses dafür, die Zusammenarbeit zu vertiefen und die nationale Integration voranzubringen. Das generelle Meinungsklima war solchen Gedanken zunächst aber alles andere als günstig.

      Egalitäre Tendenzen und Krise der Autorität

      Die amerikanischen Revolutionäre brauchten keine fest gefügte ständische Gesellschaftsordnung mit erblichen Vorrechten und Adelstiteln umzustürzen. Dennoch hatte der UnabhängigkeitskriegUnabhängigkeitskrieg über die bloße AbtrennungGroßbritannienRevolutionsepoche vom Mutterland hinaus auch eine auf innere Veränderungen gerichtete soziale Dynamik erzeugt. Der Zwang zur Entscheidung für oder gegen bewaffneten Widerstand sprengte die koloniale Oberschicht, deren Repräsentanten bis in die 1770er Jahre hinein fast überall das politische Geschick der Kolonien bestimmt hatten, und katapultierte „Emporkömmlinge“ in eine sich neu konstituierende republikanische Elite. Zusammen mit den königlichen Gouverneuren, Offizieren und Beamten wurden im Verlauf des Krieges nicht weniger als 80–100.000 LoyalistenLoyalisten aus den dreizehn Staaten vertrieben bzw. verließen Amerika freiwillig in Richtung EnglandGroßbritannienRevolutionsepoche oder KanadaKanadaUnabhängigkeitskrieg. Gemessen an der Gesamtbevölkerung bedeutete das einen größeren Aderlass, als ihn Frankreich im darauf folgenden Jahrzehnt mit der Hinrichtung und Flucht von „Konterrevolutionären“ erlebte. Die Loyalisten rekrutierten sich zwar aus allen Gesellschaftsschichten und Berufsgruppen, aber Besitzende und Gebildete waren proportional am stärksten vertreten. Wer das Land verließ, musste damit rechnen, dass sein Eigentum konfisziert und zu Gunsten der Staatskasse versteigert wurde. Obgleich solche Zwangsenteignungen die Ausnahme blieben und nach Kriegsende z.T. rückgängig gemacht wurden, verhalfen sie doch etlichen PatriotenPatrioten zu raschem Reichtum und einer steilen Karriere. Insgesamt ist davon auszugehen, dass in dem Jahrzehnt von 1774 bis 1783 über 70 Prozent der kolonialen Amtsinhaber ihre Stellung verloren und etwa die Hälfte der Oberschicht ausgetauscht wurde. Dass dies nicht ohne Folgen für die gesellschaftliche Stabilität der jungen amerikanischen Staaten bleiben konnte, liegt auf der Hand.

      Die Veränderungen beschränkten sich aber nicht auf die Umschichtung von Besitzverhältnissen innerhalb der Elite. Bewusstseins- und mentalitätsmäßig zertrümmerte die Revolution das auch in Amerika noch durchaus wirksame monarchisch-ständische Weltbild und stellte die Hierarchien und Statuszuweisungen der deferential society in Frage. Die massenhafte Teilnahme am politischen Prozess, die Entstehung einer „öffentlichen Meinung“ und der Abbau sozialer Schranken durch das Kriegserlebnis lösten eine generelle Autoritätskrise aus, die sich in der Politik der 1780er Jahre erst richtig bemerkbar machte und die bis in die Familienbeziehungen hineinwirkte. Die radikal-republikanische Komponente der Country-IdeologieCountry-Ideologie unterstützte den Anspruch des common man, in allen wichtigen Dingen mitreden und mitentscheiden zu dürfen. Vermögen und Bildung galten nicht mehr als unerlässliche Voraussetzung für ein politisches Amt, sondern die Fähigkeit zum Regieren wurde jedermann zugebilligt, der sich für das „größte Glück der größten Zahl von Menschen“ einsetzte – eine Formel, die von den schottischen Aufklärern um Adam Ferguson und Francis Hutcheson als Maßstab für „good government“ proklamiert worden war. „Einfache Leute“ erschienen sogar als bessere Repräsentanten des Volkes, weil sie am ehesten mit den Sorgen und Wünschen der Bürger vertraut waren. Dass solche Einstellungen praktische Folgen zeitigten, erkennt man sehr gut an der Zusammensetzung der Staatenparlamente, in denen nun – mit regionalen Unterschieden – doppelt bis dreimal so viele einfache Farmer und Handwerker vertreten waren wie in den vorrevolutionären Assemblies. Hier trugen nun erstmals parteiähnliche Fraktionen ganz offen Interessenkonflikte aus, die zur Kolonialzeit in exklusiven Zirkeln geregelt worden wären und die man im Krieg der Solidarität der PatriotenPatrioten untergeordnet hatte. So entbrannte in den Legislativen nach der Tilgung der letzten Reste des feudalen Erbrechts der Streit um eine ausgewogene Verteilung der Steuerlasten, um die Vor- oder Nachteile von Papiergeld sowie um die Beseitigung wirtschaftlicherWirtschaft Monopole und religiöser Privilegien. Diese egalitäre Tendenz wurde in Wahlreden, Zeitungen und Pamphleten von heftigen rhetorischen Attacken auf noch bestehende oder vermeintliche Vorrechte begleitet. Viele Argumente, die gegen britischeGroßbritannien „Tyrannei“ und „Versklavung“ vorgebracht worden waren, dienten nun dazu, die soziale Kontrolle der einheimischen Elite weiter zu schwächen. Die revolutionäre Dynamik begann also die gesamte politische Kultur zu transformieren, was die einen als demokratische Verheißung, andere hingegen als Auflösung der gesellschaftlichen Bande interpretierten.

      Thomas PainesPaine, Thomas Aufruf, die „Welt neu zu beginnen“, konnte den Amtsinhabern und Parlamentariern nicht als praktische Handlungsanleitung dienen. Auch historisch gab es keinen brauchbaren Präzedenzfall, denn seit Oliver CromwellsCromwell, Oliver gescheitertem Commonwealth im 17. Jahrhundert hatte niemand bewusst ein neues RegierungssystemRegierungssystem konstruiert. Nach 1784 breitete sich in der revolutionären Führungsschicht allmählich die Überzeugung aus, dass die