Anke Ortlepp

Geschichte der USA


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verschleppten AfrikanerAfroamerikanerBevölkerungsentwicklungAfroamerikanerKolonialzeit aufnahm, handelte es sich doch um weit mehr als nur ein Rinnsal im großen EinwandererstromEinwanderungKolonialzeit. Bis zum UnabhängigkeitskriegUnabhängigkeitskrieg gelangten ca. 300.000 Sklaven als unfreiwillige Immigranten auf das nordamerikanische Festland, gegenüber ca. 500.000 Europäern, die als freie Einwanderer, indentured servantsindentured servants oder Sträflinge (convicts) kamen. Um 1770 lebten (bei einer Gesamteinwohnerzahl von 3 Millionen) etwa 500.000 SklavenBevölkerungsentwicklung in den dreizehn Kolonien, die sich zu den Vereinigten Staaten von Amerika zusammenschlossen. Sie machten ein gutes Drittel der Bevölkerung der südlichen Kolonien aus, deren WirtschaftssystemWirtschaft zu dieser Zeit bereits ganz auf der Ausbeutung von Sklavenarbeit beruhte.

      Die ökonomischen Vorteile, die dieses extreme Herr-Knecht-Verhältnis den Weißen einbrachte, mussten mit moralischen und psychologischen Schäden erkauft werden. Niemand erkannte besser als Thomas JeffersonJefferson, Thomas, selbst ein Sklavenhalter, wie tief sich dieses Übel bereits in das Bewusstsein der Menschen eingefressen hatte: In seinen Notes on the State of VirginiaNotes on the State of Virginia (1786) beklagte er 1786, die SklavereiSklaverei (s.a. Afroamerikaner) gebe weißen Herren und schwarzen Knechten täglichen Anschauungsunterricht „in den ungezügeltsten Leidenschaften, im schlimmsten Despotismus auf der einen und in herabwürdigender Unterwerfung auf der anderen Seite“. Andererseits konnte sich der liberale Aufklärer JeffersonJefferson, Thomas aber ebenso wenig wie die meisten seiner weißen Landsleute vom Vorurteil einer „natürlichen Minderwertigkeit“ der schwarzen Rasse befreien. Die Sklavengesetze (slave codes) der Kolonien sahen bereits für geringe Übertretungen grausame Strafen vor, um Fluchtversuche zu unterbinden und individuellen oder kollektiven Widerstand im Keim zu ersticken. Im Unterschied zu den amerikanischen Ureinwohnern war die schwarze Bevölkerung nicht in ihrer physischen Existenz bedroht, sondern „nur“ zu extremer Anpassung gezwungen. In den nördlichen Kolonien, wo – mit Ausnahme von New YorkNew York – die Zahl der Schwarzen relativ gering blieb, vollzog sich diese erzwungene Abkehr von den afrikanischenAfrika Wurzeln schneller als in den Gebieten südlich von PennsylvaniaPennsylvania. Dort entwickelten sich im Laufe des 18. Jahrhunderts eigenständige Kommunikationsformen und Lebensweisen sowie Ansätze einer afroamerikanischenAfroamerikanerKultur Kultur. In South CarolinaSouth Carolina und GeorgiaGeorgia schufen Schwarze aus verschiedenen Teilen AfrikasAfrika die Sklavensprache GullahAfroamerikanerKulturGullah, und auf den Reispflanzungen konnten sich die in großen Gruppen zusammenlebenden Sklaven eine gewisse Autonomie bewahren. Dagegen verschmolzen in VirginiaVirginia, MarylandMaryland und DelawareDelaware, wo Weiße und Schwarze auf Tabakplantagen oder Familienfarmen in engen Kontakt kamen, europäische und afrikanischeAfrika Bräuche, Techniken und Denk- und Verhaltensweisen am ehesten zu neuen Lebensformen. Trotz der gesetzlichen Verbote fand auch – meist als Folge sexueller Ausbeutung von Sklavinnen durch ihre weißen Herren – eine Rassenvermischung statt. Von einer gegenseitigen kulturellen Bereicherung konnte im Zeichen der SklavereiSklaverei (s.a. Afroamerikaner) aber kaum die Rede sein. Der großen Mehrzahl der weißen Siedler war der Preis für das Überleben und die Entwicklung der Kolonien – die Verdrängung der Ureinwohner und die Unterdrückung der AfrikanerAfroamerikanerKolonialzeitAfrika – nicht zu hoch. Die positiven Möglichkeiten, die das Zusammentreffen dreier Kulturen in sich barg, blieben damit weitgehend ungenutzt.

      2 Regionale, ethnische und religiöse Vielfalt

      Nicht Einheitlichkeit und Homogenität, sondern mosaikartige Vielfalt war das hervorstechende Merkmal der englischenGroßbritannienKolonialreich Festlandskolonien. Ihren Ausgang nahm die Besiedlung – nach einigen gescheiterten Experimenten – von JamestownJamestown im Süden (1607) und PlymouthPlymouth im Norden (1620), und beide Regionen, das nach Elisabeth I., der „jungfräulichen Königin“, VirginiaVirginia genannte Gebiet um die ChesapeakeChesapeake Bay und das „Neue EnglandGroßbritannien“ (New EnglandGroßbritannien) der PuritanerPuritaner, trugen von Beginn an einen ganz unterschiedlichen Charakter.

      Der SüdenSüden

      Die Gründung JamestownsJamestown war das Werk von Kaufleuten und adligen Investoren, die, in der Londoner Virginia Company zusammengeschlossen, 1606 eine königliche Charter erwirkt hatten. Bei der Planung des Unternehmens spielten Hoffnungen auf Goldfunde, rasche Profite und die Errichtung einer idealen Feudalgesellschaft eine wichtige Rolle. Stattdessen entstand in den feucht-warmen, fruchtbaren Küstenstrichen von Virginia und MarylandMaryland – einem Teil des Charter-Gebiets, das nach dem Rückzug der Virginia CompanyVirginia Company 1632 von der KroneGroßbritannien als Lehen an den katholischen Lord BaltimoreBaltimore, George Calvert Earl of vergeben wurde – eine profitable, auf den Export von Tabak spezialisierte Plantagenwirtschaft. Die meisten Landbesitzer lebten auf ihren Pflanzungen (plantations), die im Schnitt 500 acres (200 Hektar) groß waren. Den Mangel an Arbeitskräften behoben sie durch den Import von indentured servantsindentured servants aus Europa und dann, als diese Quelle gegen Ende des 17. Jahrhunderts wegen der günstigen Wirtschaftsentwicklung in England zu versiegen begann, zunehmend durch den Kauf von Sklaven aus AfrikaAfrika und der KaribikKaribik. Für die Vermarktung ihres Hauptprodukts Tabak blieben die Pflanzer der ChesapeakeChesapeake-Region weitgehend auf englische und schottische Kaufleute angewiesen.

      Einige Jahrzehnte später als an der ChesapeakeChesapeake Bay begann die Kolonialentwicklung in den südlich anschließenden Gebieten, für die acht englische Handelspartner 1663 von Charles II.Charles II. eine Charter erwarben. Diese zu Ehren des Königs „Carolina“ genannte Kolonie wurde 1691 (formell 1712) in North CarolinaNorth Carolina und South CarolinaSouth Carolina aufgeteilt. Während in North Carolina kleine und mittlere Farmen und Pflanzungen überwogen, dominierten in South Carolina die von Sklaven bewirtschafteten großen Reisplantagen, und das günstig gelegene CharlestonCharleston, South Carolina stieg zum wichtigsten Ausfuhrhafen auf. Noch später, erst 1732, kam die Kolonie GeorgiaGeorgia (nach König George II.George II. benannt) hinzu, die als militärischer Puffer gegen das spanische FloridaFlorida gedacht war, deren Einwohner aber rasch auch in anhaltende Feindseligkeiten mit den CherokeeCherokee- und CreekCreek-IndianernNative AmericansKolonialzeit verwickelt wurden.

      Politisch und gesellschaftlich gaben im SüdenSüden die Plantagenbesitzer den Ton an. Auf Grund der relativ geringen Lebenserwartung in dem ungesunden Klima verloren die Kinder häufig schon früh einen Elternteil oder sogar beide Eltern. Da sich in solchen Fällen in der Regel die weitere Familie ihrer annahm, erlangten Verwandtschaftsbeziehungen und Sippenloyalitäten eine immer wichtigere Bedeutung. Aus ihnen erwuchs die so genannte VirginiaVirginia AristocracyVirginia Aristocracy, eine durch Blutsbande und wirtschaftlicheWirtschaft Interessen eng verknüpfte Eliteschicht, die sich auch mittels guter Bildung, kultivierter Lebensart und Sinn für elegante Vergnügungen wie Pferderennen, Jagdgesellschaften und Bälle von der übrigen weißen Bevölkerung abhob. Trotz erheblicher Besitzunterschiede hielten sich die sozialen Spannungen aber in Grenzen, weil die Farmer, Handwerker und Händler ganz im Sinne einer traditionellen StändegesellschaftGesellschaftStändegesellschaft die Pflanzer als sozial Höhergestellte anerkannten und ihnen mit Respekt und ehrerbietiger Fügsamkeit (deference) begegneten. Die Pflanzerelite wiederum nahm ihre Verantwortung für das Gesamtwohl ernst (abgesehen von der im gesamten Süden unterentwickelten SchulbildungBildungswesen) und bemühte sich, die Führungs- und Leitbildfunktion zu erfüllen, die ihr im Rahmen dieser patriarchalischen deferential society zukam. Außerdem wirkte die SklavereiSklaverei (s.a. Afroamerikaner) der Entstehung einer potenziell gefährlichen Schicht besitzloser weißer EinwandererEinwanderungKolonialzeit entgegen.

      WirtschaftlichWirtschaft geriet die Virginia AristocracyVirginia Aristocracy im Verlauf des 18. Jahrhunderts allerdings unter Druck, denn die Notwendigkeit, alle größeren Investitionen (und teilweise auch den anspruchsvollen Lebensstil) mit Hilfe von Krediten aus EnglandGroßbritannien zu finanzieren, trieb viele Familien in chronische Verschuldung. Die Auslaugung der Böden durch den Tabakanbau zwang zur ständigen Erweiterung der Anbaufläche oder zum Kauf neuer Plantagen, und sie verführte gelegentlich auch zu riskanten Landspekulationen in den westlichen Gebieten. In MarylandMaryland und Teilen VirginiasVirginia fanden viele Farmer und Pflanzer im Getreideanbau eine günstige Alternative, was allmählich den gesamten