Anke Ortlepp

Geschichte der USA


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die EinwanderungEinwanderungJahrhundertmitte (19.Jh.) in den beiden letzten Jahrzehnten vor dem BürgerkriegBürgerkrieg, als über vier Millionen Menschen nach Amerika strömten. In den Spitzenjahren 1847–1854 kamen auf 10.000 Einwohner jeweils über 100 Immigranten, was die höchste Einwanderungsrate proportional zur BevölkerungBevölkerungsentwicklung in der gesamten Geschichte der Vereinigten Staaten bedeutete. Die Ursachen lagen in einer Kombination von „Druck-“ und „Zugkräften“ (push and pull factors), die den Menschen das Leben in Europa verleideten und die USA als einzige hoffnungsvolle Alternative erscheinen ließen. In IrlandEinwanderungEthnienIren bewirkte eine Kartoffelkrankheit langanhaltende Hungersnot, in den deutschenEinwanderungEthnienDeutsche Staaten, den SchweizerSchweiz Kantonen und SkandinavienEinwanderungEthnienSkandinavierSkandinavien stieg der Druck durch starkes BevölkerungswachstumBevölkerungsentwicklung und Landknappheit, und in EnglandGroßbritannien machte die IndustrialisierungIndustrialisierung viele Handwerker arbeitslos. Zahlenmäßig weniger bedeutsam, aber politisch und kulturell durchaus folgenreich war die Flucht oder erzwungene Auswanderung von Liberalen und DemokratenDemokratische Partei, die, wie die deutschen „Achtundvierziger“, aktiv an den gescheiterten europäischen RevolutionenAußenpolitikRevolutionen in Europa (1848/49) der Jahre 1848/49Revolutionen von 1848/49 in Europa teilgenommen hatten. Auf der anderen Seite des Atlantiks lockten billiges Siedlungsland, höhere Löhne und die Aussicht auf soziale Gleichheit und religiöse wie politische Freiheit. Ermöglicht wurde die massenhafte Wanderungsbewegung durch das steigende transatlantische Handels- und Verkehrsaufkommen, denn ab den 1840er Jahren machten die Reedereien die Auswanderung zum profitablen Geschäft, weil sie ihre Frachtschiffe auf dem Weg nach Amerika mit Menschen beladen konnten. Hinzu kamen Transportverbesserungen in den USA selbst, die das Vordringen der Siedler ins Landesinnere erleichterten und beschleunigten.

      Den Hauptanteil der EinwandererEinwanderungJahrhundertmitte (19.Jh.) in den beiden Jahrzehnten vor dem BürgerkriegBürgerkrieg (mit ca. 3 Millionen gut 70 Prozent) stellten die IrenEinwanderungEthnienIren und die DeutschenEinwanderungEthnienDeutsche, die sich in ihrer neuen Heimat aber recht unterschiedlich orientierten. Die Iren blieben zumeist als industrielle Arbeitskräfte in den Städten der Ostküste, vor allem in BostonBoston und in New YorkNew York City, dessen Einwohnerzahl zusammen mit Brooklyn bis 1860 die Millionengrenze überschritt. Häufig füllten sie Lücken aus, die durch die starke BinnenwanderungBinnenwanderung nach WestenWesten entstanden. Die meisten DeutschenEinwanderungEthnienDeutsche strebten dagegen, ebenso wie die SchweizerSchweiz und SkandinavierEinwanderungEthnienSkandinavier, in das OhioOhio-Tal und das Gebiet der Großen Seen, wo sie Farmland erwerben wollten. Häufig führte sie ihr Weg schließlich aber doch in Städte wie CincinnatiCincinnati, Cleveland, ChicagoChicago, MilwaukeeMilwaukee, Wisconsin und St. LouisSt. Louis, Missouri, die nun in dieser Region rasch zu wachsen begannen. Die Zentren der Immigration lagen also ganz überwiegend im NordostenNordosten und NordwestenNordwesten (dem heutigen Mittleren WestenMittlerer Westen) der USA, wohingegen der SüdenSüden mit Ausnahme von TexasTexas nur wenige NeueinwandererEinwanderungJahrhundertmitte (19.Jh.) aufnahm. Hatten 1820 noch gut drei Viertel aller Amerikaner in den Ostküsten-Staaten gelebt und nur ein Viertel westlich der AppalachenAppalachen, so war dieses Verhältnis 1860 schon ausgeglichen. Den stärksten BevölkerungszuwachsBevölkerungsentwicklung verzeichnete der Mittlere Westen, der seinen Anteil an der Gesamtbevölkerung in diesem Zeitraum von 9 auf 29 Prozent mehr als verdreifachen konnte, während derjenige des Südwestens (einschließlich Texas) nur von 14 auf 19 Prozent stieg. Der pazifische Westen, der 1848 an die USA fiel, beherbergte 1860 erst minimale 2 Prozent der insgesamt 31,5 Millionen Amerikaner.

      Da etwa zwei Drittel der irischenEinwanderungEthnienIren und ein Drittel der deutschenEinwanderungEthnienDeutsche EinwandererEinwanderungJahrhundertmitte (19.Jh.) KatholikenKatholiken waren, veränderte sich nicht nur die ethnische, sondern auch die religiöse Zusammensetzung der USA. Bis 1840 überwog trotz aller Diversität und regionalen Besonderheiten das britisch-protestantische Element. Die Einheit von Sprache, politischen Institutionen, Recht, Geschichtsbewusstsein und freiheitlicher Ideologie, die sich als „amerikanische Kultur“ herausgebildet hatte, war eindeutig angelsächsisch und protestantisch geprägt. Das begann sich nun zu ändern, sehr zum Leidwesen eines Teils der ansässigen und bereits in diesen mainstream assimilierten Bevölkerung, die ab Mitte der 1840er Jahre mit fremdenfeindlichen Protesten reagierte. Im darauf folgenden Jahrzehnt trug dieser „NativismusNativismus“, der vor allem die Städte an der Ostküste und im NordwestenNordwesten erfasste, mit zur Destabilisierung der politischen Lage bei.

      Ausbau der InfrastrukturEisenbahnAntebellum und Anpassung des Rechtssystems

      BevölkerungswachstumBevölkerungsentwicklung und Vordringen der FrontierFrontier standen in einem engen Zusammenhang. Der Druck auf die „alten“ Siedlungsgebiete an der Ostküste konnte nur durch die Westwanderung gemildert werden, und der unermesslich scheinende Landreichtum des Westens wirkte zugleich als Magnet, der Immigranten aus Europa anzog. Innerhalb weniger Jahrzehnte verfünffachte sich das erschlossene Territorium, und die Siedlungsgrenze erreichte im NordwestenNordwesten den MissouriMissouri (Staat), im SüdwestenSüdwesten die Mitte von TexasTexas. Die freizügige Landpolitik der Bundesregierung ging auf Kosten der IndianerNative AmericansUmsiedlung nach 1820, von denen 1820 noch ca. 120.000 östlich des MississippiMississippi (Fluss) lebten. Sie wurden nun rücksichtslos verdrängt und in Gebiete westlich des MississippiMississippi (Fluss) umgesiedelt.

      Die „Eroberung“ des Westens durch BinnenwanderungBinnenwanderung und Immigration hatte zur Voraussetzung, dass das Verkehrswesen der Union grundlegend verbessert wurde, ja dass eine ganz neue InfrastrukturEisenbahnAntebellum entstand. Diese „Transportrevolution“ begann schon Ende des 18. Jahrhunderts mit dem Ausbau der Überlandstraßen (turnpikes), insbesondere der National Road von MarylandMaryland nach Columbus, OhioColumbus, Ohio. Nicht die Straßen, sondern Wasserwege – KanäleKanäle und Flüsse – bildeten aber das erste nationale Verkehrsnetz der Vereinigten Staaten. Als Robert FultonsFulton, Robert Dampfschiff „Clermont“ 1807 die Fahrt auf dem HudsonHudson River von New YorkNew York City nach AlbanyAlbany, New York in 32 Stunden bewältigte, rückte das Problem einer Verbindung mit den Großen Seen und den Flussläufen von MississippiMississippi (Fluss) und OhioOhio in den Blickpunkt. Nach dem Krieg von 1812/14 begann die Ära des KanalbausKanäle, zu dessen Prunkstück sich der Erie-KanalErie-Kanal entwickelte. Den ersten Spatenstich tat der Gouverneur des Staates New York, DeWitt ClintonClinton, DeWitt, am Unabhängigkeitstag des Jahres 1817, womit er nicht nur die nationale Bedeutung des Projekts, sondern vor allem die Initiative und das finanzielle Engagement seiner Regierung dokumentieren wollte. Als acht Jahre später, im Oktober 1825, das letzte Teilstück des über 500 km langen Kanals eröffnet wurde, konnte man von New York aus über den Hudson und den Erie-See die Siedlungsgebiete des NordwestensNordwesten erreichen. Frachtgüter und Menschen wurden nun wesentlich schneller und billiger als bisher per Kanalboot, Segel- und Dampfschiff nach WestenWesten befördert, und auf dem umgekehrten Wege gelangten Agrarprodukte und Fleisch aus dem Westen an die Ostküste.

      Der BauWirtschaft des Erie-KanalsKanäleErie-Kanal kostete 7 Millionen Dollar, die hauptsächlich durch AnleihenFinanzwesenAntebellum des Staates New YorkNew York aufgebracht wurden. Bis 1833 hatte sich diese Investition amortisiert, und die Kanalgesellschaft und der Staat machten Gewinne. Der Erfolg löste ein regelrechtes „Kanalfieber“ aus, das die interessierten Staaten und Gemeinden in den 1820er und 1830er Jahren zur Ausgabe von insgesamt 140 Millionen Dollar veranlasste. Erstmals stellten auch europäische Investoren in größerem Maßstab Kapital für amerikanische Vorhaben zur Verfügung. Bis 1840 erreichte das KanalnetzKanäle eine Ausdehnung von fast 5000 km, und in den 1850er Jahren verkehrten über 700 Dampfschiffe im WestenWesten zwischen den Großen Seen und dem Golf von MexikoGolf v.Mexiko, wo New OrleansNew Orleans nun zum größten Umschlaghafen der USA aufstieg.

      Die KanäleKanäle blieben ein wichtiger WirtschaftsfaktorFinanzwesenAntebellumWirtschaft, aber schon ab Mitte der 1830er Jahre wurde die EisenbahnEisenbahnAntebellum zum bevorzugten Transportmittel. Den Anfang machte 1827 die BaltimoreBaltimore and OhioOhio Railroad Company, die im folgenden Jahrzehnt die Chesapeake and Ohio-KanalgesellschaftKanäle aus dem Geschäft drängte. 1852 überquerten bereits vier BahnlinienEisenbahnAntebellum die AppalachenAppalachen und stellten Verbindungen zu den Städten des NordwestensNordwesten her. Zunächst