internationaler Umwelt- und Sozialstandards (s. Hahn und Scheermesser 2004; Heid2006; ICC 2007; Steinkirchner u. a. 2007; Winterstein 2007).
Konzepte und Mechanismen zur Integration und Kontrolle umweltbezogener und sozialer Standards in Wertschöpfungsketten nehmen somit an Bedeutung immer mehr zu und sind mittlerweile bei vielen multinationalen Unternehmen implementiert. Angesichts der aktuellen Skandale (z. B. in der IT-Industrie bei Foxconn) ist anzunehmen, dass Umsetzungsdefizite in den beschriebenen Konzepten bestehen. Beispielsweise wurde für die Sicherstellung ökologischer Produktkonzepte von Clausen, Keil und Jungwirth (2002) aufgezeigt, dass diese Systeme keine ausreichende Reichweite besitzen. Die Übertragung dieser Feststellung auf das Thema Nachhaltigkeitskonzepte im Gesamten liegt nahe.
Die im Folgenden dargestellte Fallstudie beschreibt die Entwicklung eines Nachhaltigkeitskonzepts für das Beschaffungsmanagement der Volkswagen AG und unterzieht dieses anschließend einer kritischen Wirkungsanalyse in der Praxis, auf Basis der Darstellung von Optimierungspotenzialen für die einzelnen Konzeptelemente.
3.3.1Zielsetzung und Aufbau
Das erste Forschungsprojekt „Nachhaltigkeit in den Lieferantenbeziehungen“ der Volkswagen AG wurde 2003–2005 in Kooperation mit der Universität Oldenburg durchgeführt. Ziel war die Entwicklung eines systemübergreifenden Konzepts zur Integration und Kontrolle umweltbezogener und sozialer Anforderungen im globalen Beschaffungs- bzw. Lieferantenmanagement des gesamten Konzerns. Das Forschungsprojekt kann in vier Projekteinheiten gegliedert werden (Koplin 2006a):
Vorbereitende Analysen zu den Herausforderungen für Unternehmen, die sich durch umweltbezogene und soziale Aspekte innerhalb der Lieferantenbeziehungen im Zusammenhang mit Nachhaltigkeit ergeben,
Projektteamtreffen und Workshops zum Diskurs der gesammelten Daten sowie zur Reflexion des jeweilig vorherrschenden Forschungsstandes,
Bestandsaufnahme der Strukturen und Prozesse (Ist-Analyse) der Volkswagen AG zur Entwicklung verschiedener Lösungspfade für das Gestaltungsmodell eines Nachhaltigkeitskonzepts und
Einbeziehung mehrerer Lieferanten der Volkswagen AG als externe Anspruchsgruppe des Unternehmens und direkt Betroffene für die Prüfung der Umsetzbarkeit des Gestaltungsmodells in der Praxis.
Das Nachhaltigkeitskonzept der Volkswagen AG erhebt grundsätzlich den Anspruch einer globalen Umsetzung an weltweit allen Konzernstandorten. Aus diesem Grund wurde nach der Implementierungsphase in den Jahren 2007–2009 in Kooperation mit der Universität Ulm ein weiterführendes Forschungsprojekt zum Ausbau der Internationalisierung durchgeführt. Dieses hatte zum Gegenstand, den Institutionalisierungsgrad des Konzepts im gesamten Volkswagen Konzern aufzuzeigen und zusätzlich Handlungsempfehlungen für die erfolgreiche weltweite Umsetzung des Nachhaltigkeitskonzepts abzuleiten.
Ziel war eine weltweite Wirkungsanalyse des Konzepts „Nachhaltigkeit in den Lieferantenbeziehungen der Volkswagen AG“. Dabei lassen sich zwei wesentliche Projektphasen unterscheiden:
Ermittlung des weltweiten Implementierungsstandes des Nachhaltigkeitskonzepts auf Basis von Interviews mit allen Beschaffungsstandorten und Regional Sourcing Offices bezüglich Bekanntheit, Funktionalität, Zweckerfüllung und Verbesserungsmöglichkeiten,
Revalidierung der gesammelten Daten in der ausgewählten Pilotregion China anhand der Volkswagen Group China als Konzerngesellschaft im Rahmen eines weiteren Aktionsforschungsprozesses.
3.3.2Elemente des Nachhaltigkeitskonzepts
Die folgenden Elemente des entwickelten Nachhaltigkeitskonzepts beschreiben die erarbeiteten konzeptionellen Ergebnisse des ersten Forschungsprojekts:
3.3.2.11. Inhaltliche Anforderungen
Als erstes wurden „Anforderungen des Volkswagen Konzerns zur Nachhaltigkeit in den Beziehungen zu Geschäftspartnern“ (Nachhaltigkeitsanforderungen) definiert, die Volkswagen an seine Geschäftspartner richtet. Diese basieren inhaltlich einerseits auf internen Aussagen der VW Umweltpolitik, den daraus abgeleiteten Umweltzielen und Umweltvorgaben, der Qualitätspolitik sowie der „Erklärung zu den sozialen Rechten und den industriellen Beziehungen bei Volkswagen“. Andererseits orientieren sie sich extern an der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen, den Prinzipien des Global Compact, den ILO-Kernarbeitsnormen, den OECD-Leitlinien sowie der ICC-Charta. Die Lieferantenanforderungen zur Nachhaltigkeit stellen eine wichtige Basis für die erfolgreiche Zusammenarbeit von Volkswagen und seinen Lieferanten als Grundlage einer gemeinsamen nachhaltigen Entwicklung dar.
3.3.2.22. Früherkennung
Ein zweiter Schritt ist der Aufbau eines umfassenden Früherkennungs-, Informations- und Kommunikationssystems auf unternehmensinterner sowie zwischenbetrieblicher Ebene. Es dient der vorausschauenden Identifikation und der Vermeidung von umweltbezogenen und sozialen Schwachstellen bei Lieferanten. Volkswagen gewinnt entsprechende Informationen sowohl durch ein internationales Medien-Screening als auch durch die internen Fachbereiche, die im stetigen Kontakt mit den Lieferanten stehen und von möglichen Problemen erfahren können (z. B. Einkauf, Qualitätssicherung). Für das externe internationale Issue-Monitoring wird die vorhandene Früherkennung im Umweltschutz – das Umweltradar – um internationale Informationen, spezielle lieferantenbezogene Umwelt-Issues und das Monitoring von speziellen Institutionen (z. B. Watchdogs) erweitert. Zusätzlich ist das Monitoring von Sozial-Issues erforderlich.
Die interne Früherkennung erfolgt durch eine Informationspflicht aller Fachfunktionen hinsichtlich möglicher Risiken im Bereich der Lieferantenkette. Interne und externe Informationen der Früherkennung werden zentral erfasst und nach ihrer Relevanz für Volkswagen bewertet.
3.3.2.33. Beschaffungsprozess
Als drittes Element müssen die vorhandenen Beschaffungsstrukturen und -prozesse des Unternehmens für die Berücksichtigung der Nachhaltigkeitsanforderungen den eigenen VW-internen Entscheidungsfindungen angepasst werden. Generell ist von allen Lieferanten sicherzustellen, dass ihre eigenen Zulieferer geeignete Maßnahmen gewährleisten. Deshalb müssen alle Lieferanten die Nachhaltigkeitsanforderungen der Volkswagen AG zur Kenntnis nehmen. Mit Hilfe einer zur Verfügung gestellten Erläuterung kann der Lieferant einen Selbstcheck durchführen, um so seinen Status hinsichtlich der Anforderungen der Volkswagen AG zu ermitteln. Lieferanten, die erkennen, dass sie die Nachhaltigkeitsanforderungen aktuell nicht erfüllen können, wird direkte Hilfe angeboten. Eine Kontaktstelle für Nachhaltigkeit, welche speziell für Lieferanten eingerichtet wurde, unterstützt diese bei der Umsetzung der Anforderungen bzw. der Lösung von Problemen im Bedarfsfall durch ein Ad-hoc-Expertenteam der verschiedenen Fachbereiche Umweltschutz, Personalwesen, Arbeits- und Gesundheitsschutz, Beschaffung sowie Qualitätssicherung.
3.3.2.44. Monitoring und Lieferantenentwicklung
Ein vierter Punkt ist die Entwicklung adäquater, unabhängiger Mess-, Bewertungs- und Kontrollsysteme, einschließlich geeigneter Anreiz- und Belohnungs- sowie Qualifikationssysteme für ein Monitoring sowie die Qualifizierung von Lieferanten. Das Monitoring bei Volkswagen umfasst fallbezogene Stichproben beim Lieferanten vor Ort. Lieferanten, welche die umweltbezogenen und sozialen Anforderungen nicht erfüllen können, sind dazu angehalten, einen eigenen Verbesserungs- und Entwicklungsprozess mit Nachweispflichten über die einzelnen Schritte, den Zeitplan und die jeweiligen Ergebnisstände zu initiieren. Informationen darüber sind dem Auftraggeber vom Lieferanten selbst zeitnah zur Verfügung zu stellen. Im Gegenzug kommuniziert die Volkswagen AG alle Anforderungen zum Thema Nachhaltigkeit für Lieferanten und Geschäftspartnern über ihre Business-to-Business-Lieferantenplattform (www.vwgroupsupply.com). Neben ausführlichen Informationen und fallbezogener Unterstützung sind allgemeine Schulungsangebote für Geschäftspartner ein wichtiges Instrument, die gemeinsame Zusammenarbeit zu vertiefen. Durch Veranstaltungen in der Seminarreihe