häufig aus den spezifischen Kapazitäten des privatwirtschaftlichen Sektors hergeleitet. Sowohl die Fähigkeiten als auch die gesammelten Kapazitäten von Unternehmen übersteigen systematisch die Kapazitäten von Individualakteuren (s. mit speziellem Bezug zu Menschenrechten auch Wettstein 2009). Unternehmen hingegen können direkt die Würde der von ihnen abhängigen Menschen (positiv wie negativ) beeinflussen (Hahn 2012), indem sie im Rahmen eines betrieblichen Nachhaltigkeitsmanagements auf intra- und intergenerative Gerechtigkeit einwirken. Folglich steht in diesem Argumentationsstrang die Betonung der „Fähigkeit“ zur Problemlösung im Mittelpunkt, und damit stehen eben die Kapazitäten der Unternehmen, zu einer nachhaltigen Entwicklung beizutragen, (vgl. erneut Abbildung 2.1) im Zentrum. Diese Argumentation (ganz ähnlich schon von Hans Jonas als „die Pflicht der Macht“ (Jonas 1984) postuliert) findet sich immer öfter und stärker sowohl in der gesellschaftlichen Diskussion als auch in der öffentlichen Meinung und wird zunehmend zu einem Wert, der für die Unternehmen unmittelbar handlungswirksam wird (so argumentieren auch von Oetinger und Reeves 2007 recht plakativ: „Größe verpflichtet“).
2.3Zum Verhältnis von Nachhaltigkeit und betrieblichem Nachhaltigkeitsmanagement in Wirtschafts- und Unternehmensethik
Auf Basis der vorgenommenen normativ-ethischen Fundierung von Nachhaltigkeit im Allgemeinen und betrieblichem Nachhaltigkeitsmanagement im Speziellen können diese beiden Verantwortungsebenen nun erneut – wie in Abbildung 2.2 illustriert – zueinander in Beziehung gesetzt werden.
Abb. 2.2 Die Verantwortungsebenen des betrieblichen Nachhaltigkeitsmanagements und einer gesamtgesellschaftlichen nachhaltigen Entwicklung (Quelle: eigene Darstellung).
Die erste Stufe der Verantwortung findet sich auf der Ebene der unternehmerischen Ausführung regulärer Geschäftstätigkeiten, d. h. auf der Ebene des unmittelbaren unternehmerischen Einflussbereichs. Im Rahmen eines betrieblichen Nachhaltigkeitsmanagements ist hier zunächst eine aktive Reflexion gegebener Wettbewerbsbedingungen angezeigt, da diese Rahmenbedingungen gegenwärtig einem vollständig nachhaltigen Verhalten häufig (noch) keine Anreize bieten und in einigen Fällen sogar eher ein gegenteiliges Geschäftsgebaren fördern und z. B. extensive externe Effekte zulasten Dritter zulassen (z. B. Ulrich 2008). Ein umfassend verstandenes betriebliches Nachhaltigkeitsmanagement wirkt vor diesem Hintergrund aktiv darauf hin, solche gegebenen Handlungsspielräume, wie z. B. niedrige Umwelt- und Sozialstandards in Entwicklungsländern, nicht auszunutzen. Die zweite Stufe der Verantwortung befasst sich auf einer übergeordneten Ebene mit den gesamtgesellschaftlichen Aktivitäten und schließt neben den Unternehmen auch das nachhaltigkeitsrelevante Verhalten weiterer Akteure, wie Konsumentinnen und Konsumenten, Medien, Nichtregierungsorganisationen (NGOs), Regierungen usw., ein. Grundlegendes Element dieser Stufe ist demnach die gesamtgesellschaftliche Suche nach Wegen verantwortungsvollen Wirtschaftens, ausgerichtet an den Postulaten intra- und intergenerativer Gerechtigkeit. Hiermit ist vor allem die grundlegende Rahmenordnung wirtschaftlicher Gegebenheiten angesprochen. Eine Verknüpfung dieser beiden Ebenen kann nun auf zwei Wegen erfolgen: Zunächst kann betriebliches Nachhaltigkeitsmanagement im Sinne der ersten Stufe unmittelbar das Ziel der Nachhaltigkeit fördern, wenn unternehmerische Nachhaltigkeitsstrategien den drei Dimensionen von Nachhaltigkeit dienlich sind. Jedoch kann ein solches einzelunternehmerisches Handeln Nachhaltigkeit nicht auf gesamtgesellschaftlicher Ebene garantieren, da hierzu die Anstrengungen weiterer Akteure notwendig sind. Genau an dieser Stelle setzt dann die zweite Stufe der Verantwortung an. Wenn es nämlich gelingt, nachhaltigkeitskompatible Zielsysteme und Rahmenbedingungen gesamtgesellschaftlich durchzusetzen, so fördern derartige Rahmenbedingungen direkt ein verantwortliches Handeln der einzelnen Akteure selbst in jenen Fällen, in denen sich diese Akteure ansonsten nicht mit Nachhaltigkeit auseinandersetzen würden. Auch Unternehmen können z. B. im Sinne einer verantwortlichen reflexiven Regulierung (d.h. der aktiven Einbringung in den Entwurf entsprechender Normen, Regelungen und Gesetzesvorgaben) aktiv auf solche Rahmenbedingungen hinwirken.
2.4Beispiel unternehmerischer Verantwortungsübernahme und Resümee
In der aktuellen Unternehmenspraxis finden sich bereits mehrfach Beispiele für eine Umsetzung von nachhaltiger Entwicklung in einzelunternehmerischen Zielsystemen und Maßnahmen des betrieblichen Nachhaltigkeitsmanagements. Zur Illustration können die Millennium Development Goals (MDG) der Vereinten Nationen dienen (www.undp.org/mdg), welche von verschiedenen Unternehmen als Maßstab unternehmerischer Nachhaltigkeitsverantwortung angesetzt werden. Die MDG bestehen aus acht einzelnen Entwicklungszielen für das Jahr 2015, die im Jahr 2000 von einer Arbeitsgruppe aus Vertretern der Vereinten Nationen, der Weltbank, der OECD und mehreren NGOs formuliert worden sind. Sie können als konkrete gesamtgesellschaftliche Zielformulierung auf dem Weg zu einer nachhaltigen Entwicklung angesehen werden. Verschiedene Unternehmen nutzen diese übergeordnet formulierten Ziele bereits für ihre eigene unternehmerische Zielvorstellung zur Förderung einer nachhaltigen Entwicklung.
Abb. 2.3 Die Millenium Development Goals der Vereinten Nationen (Quelle: www.undp.org/mdg, Abfrage am 11.10.2011).
So hat BASF die eigentlich gesamtgesellschaftlichen Ziele auf unternehmerische Ziele heruntergebrochen und mit einem eigenständigen Maßnahmenkatalog unterlegt (www.basf.com/group/corporate/de/sustainability/society/millennium-goals). Für das Ziel Nr. 7 (Sicherung eines nachhaltigen Umgangs mit der Umwelt) identifiziert das Unternehmen in seinem eigenen Verfügungsbereich z. B. die Aspekte „Ökologie“, „Biodiversität“, „Umgang mit Wasser“, „Responsible Care“ und „CO2-Bilanz“ als konkrete Handlungsbereiche. Diese werden mit eigenen Zielen und Maßnahmen hinterlegt, über die im Rahmen des Nachhaltigkeitsreporting Bericht erstattet wird. Damit erkennt das Unternehmen einen eigenständigen Beitrag zu nachhaltiger Entwicklung auf Makroebene an.
Im Mittelpunkt dieses Kapitels stand die Frage „Warum und wofür sollen Unternehmen Verantwortung übernehmen?“. Dieser Frage wurde auf normativ-ethischer Analyseebene nachgegangen. Dies geschah interdisziplinär mit einer Verortung von nachhaltiger Entwicklung und betrieblichem Nachhaltigkeitsmanagement im Kanon relevanter philosophischer Grundlagenwerke. Die zweistufige Inbezugsetzung des Ziels nachhaltiger Entwicklung mit einem dazu beitragenden betrieblichen Nachhaltigkeitsmanagement eröffnete auf dieser Grundlage mögliche Ansatzpunkte einer unternehmerischen Umsetzung und gegenseitigen Einflussnahme beider Konzepte. Das abschließende kurze empirische Beispiel hat schließlich eine Möglichkeit der Übernahme unternehmerischer Verantwortung für eine nachhaltige Entwicklung bereits auf der Ebene des betrieblichen Nachhaltigkeitsmanagements (vgl. erneut Stufe 1 in Abbildung 2.2) illustriert.
2.5Übungsfragen
Erörtern Sie das Verhältnis von Nachhaltigkeit, nachhaltiger Entwicklung und betrieblichem Nachhaltigkeitsmanagement.
Begründen Sie aus verschiedenen philosophischen Grundpositionen heraus die Relevanz von Nachhaltigkeit.
Begründen Sie auf Basis individueller und kollektiver Argumente eine unternehmerische Verantwortung für eine nachhaltige Entwicklung.
Geben Sie konkrete Beispiele, wie Unternehmen einer Verantwortung für Nachhaltigkeit nachkommen können.
2.6Weiterführende Literatur
Crane, A., Matten, D. und Moon, J. (2010): Business Ethics, 3. Aufl., New York.
Diefenbacher, H. (2001): Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit, Darmstadt.
Ulrich, P. (2008): Integrative Wirtschaftsethik, 4. Aufl., Bern et al.
Wettstein, F. (2009): Multinational