aus Staat, Zivilgesellschaft und Wirtschaft einbeziehen.
In diesem Sinne sollte sich die Wissenschaft ebenso an der Entwicklung von Umweltzielen und Indikatoren beteiligen (s. z. B. SRU 1998) sowie insbesondere interdisziplinäre, problemorientierte Forschungen vorantreiben, um die bisher weitgehend isoliert betrachteten ökonomischen, ökologischen und sozialen Dimensionen in die Problemlösungen integrieren zu helfen.
1.6.3Zivilgesellschaft
Auch die Zivilgesellschaft bzw. jede einzelne Bürgerin und jeder einzelne Bürger ist zu Taten aufgerufen, sei es durch die Beteiligung an den gesellschaftlichen Diskursen im Rahmen der Lokalen Agenda 21-Prozesse oder durch die persönliche Lebensführung.
Letzteres gilt in besonderem Maße für Bürgerinnen und Bürger der Industrieländer, denn unbestritten ist, dass sich das Konsumverhalten der industrialisierten Welt nicht unbegrenzt auf die gesamte Menschheit übertragen lässt. Insofern sollte jeder einzelne sorgsam mit den natürlichen Ressourcen umgehen und gleichzeitig auch deren Verbrauch minimieren helfen (Suffizienzstrategie, vgl. Kap. 1.4.3).
Hierzu werden im Bereich des nachhaltigen Konsums vielfältige Lösungsansätze und Beispiele für die verschiedenen Bedürfnisfelder aufgezeigt (s. z. B. Belz et al. 2007; Scherhorn, Weber 2002; Schrader, Hansen 2001).
Gleichzeitig zeigt sich in Verbindung mit den Ansätzen aus der Milieuforschung aber auch das Phänomen, dass gerade die Lebensstilgemeinschaften mit der besten Bildung und Einkommenslage und dem höchsten Umweltbewusstsein den höchsten Ressourcenverbrauch aufweisen (Liedtke et al. 2007, zit. in BUND et al. 2008). Insofern bestehen in diesem Bereich noch große Herausforderungen.
1.6.4Unternehmen
Unternehmen spielen für den Umsetzungsprozess einer nachhaltigen Entwicklung eine Schlüsselrolle, wie es bereits in Kapitel 30 der Agenda 21 hervorgehoben ist.
Auf der einen Seite ist das heutige Wirtschaften in weiten Teilen nicht nachhaltig im wissenschaftlich und gesellschaftspolitisch definierten Sinne. Auf der anderen Seite sind die Unternehmen diejenigen, welche die erforderlichen Innovationen maßgeblich mit entwickeln und umsetzen. Unternehmen tragen daher eine besondere gesellschaftliche Verantwortung (Corporate Social Responsibility).
Dabei sind die Einflussmöglichkeiten von Unternehmen auf ihr Umfeld weitreichend. Sie gestalten als wirtschaftliche Kräfte den Markt, nehmen über Verbände und Lobbyarbeit in der Politik Einfluss auf politische Entscheidungen und stehen auch in anderen Beziehungen in ständiger Wechselwirkung mit ihrem Umfeld. Sie haben daher viele Möglichkeiten, ihre Aktivitäten an den Zielen einer nachhaltigen Entwicklung auszurichten und Entwicklungsprozesse mitzugestalten. Dies stellen auch die vielfältigen Beiträge im vorliegenden Buch ausführlich dar.
Über die einzelbetriebliche Ebene hinaus besteht die große Herausforderung, die unternehmensbezogenen Lösungsansätze in gesellschaftliche Entwicklungsprozesse einzubetten. Hierzu wäre auf der instrumentellen Ebene eine systematische Verzahnung des betrieblichen Nachhaltigkeits- bzw. Umweltmanagements mit dem übrigen deutschen umweltpolitischen Instrumentarium hilfreich (s. z. B. Kanning 2008), die aber leider bis heute aussteht. So werden die weitestgehenden Synergien zwischen betrieblichen und gesellschaftlichen Gestaltungsprozessen bisher auf der kommunalen und regionalen Ebene im „rechtsfreien“ Raum erzielt.
Wertvolle Hinweise zu den Schnittstellen zwischen Lokale Agenda 21-Prozessen und betrieblichen Umweltmanagementsystemen finden sich beispielsweise im Leitfaden des UBA (2003). Für die regionale Ebene liefert daneben z. B. der Leitfaden „Zukunftsfähiges Wirtschaften“ (Frings et al. o.J.) eine praxisorientierte und zugleich theoretisch reflektierte Anleitung. Weitere Beispiele sind die „Nachhaltige Regionalentwicklung“ (zur Übersicht s. z. B. Spehl 2005) oder Biosphärenreservate, die als Modellräume nachhaltiger Entwicklung gelten (zur Übersicht s. z. B. UNESCO 2007).
Als Beispiel für eine gelungene Kooperation zwischen Unternehmen, Kommunen und Bürgern lassen sich exemplarisch die Aktivitäten der Stadt und des Landkreises Neumarkt in der Oberpfalz sowie der Neumarkter Lammsbräu anführen. Vorbildhaft hat die Stadt Neumarkt ihren Lokale Agenda 21-Prozess auf der Basis eines partizipativen Planungsansatzes mit ihrer Stadtentwicklungsplanung verbunden, das die in Kapitel 1.5 skizzierten Gestaltungselemente umfasst. In partizipativen Prozessen wurden sechs mittelfristige Leitbilder bis 2025 sowie verschiedene Leitprojekte erarbeitet, die kurzfristig umgesetzt werden sollen (Stadt Neumarkt 2004). Die ortsansässige Brauerei Neumarkter Lammsbräu, die sich seit mehr als 30 Jahren als Ökopionier ausgezeichnet hat (Stahlmann 2006), unterstützt die Lokale Agenda 21-Aktivitäten in Stadt und Landkreis aktiv, z. B. durch Sponsoring im Landschaftspflegebereich bei der Pflege von Streuobstwiesen oder durch aktive Mitarbeit an verschiedenen Projekten, z. B. im Verein zur Förderung regionaler Wirtschaftskreisläufe in der Region Neumarkt (Weiß und Stahlmann 2009; s. weiterführend www.neumarkt.de; www.lammsbraeu.de).
Damit ganzheitlich nachhaltige Entwicklungsstrategien zum Motor für Erneuerung im 21. Jahrhundert werden, müssen noch zahlreiche Unternehmen und Kommunen diesem Beispiel folgen.
1.7Übungsfragen
Ist das Nachhaltigkeitsleitbild eine Erfindung von Rio? Welcher Konflikt liegt dem Nachhaltigkeitsleitbild maßgeblich zugrunde?
Wie wird nachhaltige Entwicklung definiert und welche Kerninhalte sind damit verbunden?
Welche Schlüsselbotschaften liefern die theoretischen Fundamente?
Wodurch unterscheiden sich Konzepte schwacher und starker Nachhaltigkeit und welche haben sich in der Diskussion allgemein durchgesetzt?
Was versteht man unter Effizienz-, Suffizienz- und Konsistenzstrategien? Handelt es sich dabei um alternative Strategien?
Lässt sich eine nachhaltige Entwicklung verordnen? Wie können nachhaltige Entwicklungsprozesse gesellschaftspolitisch verankert werden?
Welche Rollen spielen verschiedene Akteursgruppen für den Weg zur Nachhaltigkeit?
1.8Weiterführende Literatur
Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Brot für die Welt, Evangelischer Entwicklungsdienst (Hrsg.) (2008): Zukunftsfähiges Deutschland in einer globalisierten Welt. Ein Anstoß zur gesellschaftlichen Debatte. Eine Studie des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt, Energie, Frankfurt/Main.
Heinrich-Böll-Stiftung (2002): Das Jo’burg Memo. Ökologie – die neue Farbe der Gerechtigkeit. Memorandum zum Weltgipfel für Nachhaltige Entwicklung, Berlin.
Kanning, H. (2005): Brücken zwischen Ökologie und Ökonomie, München.
Kopfmüller, J.; Brandl, V.; Jörissen, J.; Paetau, M.; Banse, G.; Coenen, R. und Grunwald, A. (2001): Nachhaltige Entwicklung integrativ betrachtet, Berlin.
Seidl, I.; Zahrnt, A. (Hrsg.) (2010): Postwachstumsgesellschaft: Neue Konzepte für die Zukunft, Marburg.
2Ethische Grundlagen des betrieblichen Nachhaltigkeitsmanagements
von Rüdiger Hahn
Kapitelausblick
Begriffe wie nachhaltige Entwicklung und Nachhaltigkeit haben spätestens seit der Konferenz für Umwelt und Entwicklung der Vereinten Nationen 1992 in Rio de Janeiro – wie im vorangegangenen Kapitel dargestellt – einen festen Platz in der öffentlichen Diskussion gefunden. Doch warum sollte überhaupt eine „Nachhaltige Entwicklung“ angestrebt werden? Und welche ethischen Gründe kann es speziell für ein betriebliches Nachhaltigkeitsmanagement geben? Das vorliegende Kapitel widmet sich diesen Fragen und gibt eine ethisch-normative Einführung zu Nachhaltigkeit und betrieblichem Nachhaltigkeitsmanagement. Dazu werden zunächst die Ebenen des betrieblichen