Reinhard Stauber

Der Wiener Kongress


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Familie Bonaparte „ein komfortables Exil“.23

      2.5 Der Friedensvertrag und der Weg zum Kongress

      Die freundliche Aufnahme seines Bruders in Paris brachte den Thronprätendenten Louis, Bruder des 1793 hingerichteten Königs Ludwig XVI., auf die Idee, entgegen den Empfehlungen Talleyrands und des Zaren die vom französischen Senat verabschiedete Verfassung nicht zu akzeptieren. Am 20. April verließ er sein Exil nahe Oxford, setzte auf einem britischen Schiff über den Kanal und erklärte, sich unter Berufung auf seine ererbte Machtstellung ohne weiteres als Ludwig XVIII., von Gottes Gnaden König von Frankreich und Navarra bezeichnend, am 2. Mai in St. Ouen, am Stadtrand von Paris, dass er die Verfassung nicht anerkennen werde. Er versprach die Wahrung gewisser Grundrechte und die Einrichtung einer Volksrepräsentation, machte aber deutlich, dass er nicht gewillt sei, sein Königtum zu Bedingungen zu übernehmen, die andere ihm diktiert hatten. Am 3. Mai hielt er seinen Einzug in Paris.

      In diese bewegten Tage der französischen Innenpolitik fiel die formelle Beendigung des Kriegszustandes zwischen Frankreich und seinen Gegnern. Talleyrand, den Ludwig XVIII. am 13. Mai im Amt des Außenministers bestätigte, verhandelte mit Razumovskij und Nesselrode als Bevollmächtigten des russischen Zaren, mit Metternich und Stadion in Vertretung des österreichischen Kaisers, Castlereagh, Aberdeen, Cathcart und Stewart für den britischen König bzw. Prinzregenten sowie Hardenberg und Humboldt für den König von Preußen. Ein österreichischer Entwurf hatte die wenigen bisher getroffenen territorialen Absprachen des Frühjahrs 1814 zusammengefasst: Rückkehr der Bourbonen auf den spanischen Thron; Unabhängigkeit und territoriale Vergrößerung der Niederlande; Umgestaltung der Schweizer Eidgenossenschaft unter Beteiligung und Garantie der Großmächte sowie Wiederherstellung der Staatenwelt Italiens, während für die deutschen Gebiete eine Ergänzung der souveränen Fürstenstaaten um ein föderales Band zur Garantie von Unabhängigkeit und Sicherheit vorgesehen war.

      Das Vertragswerk nannte neben der Wiederherstellung des Friedens in seiner Präambel eine gerechte Kräfteverteilung unter den Mächten, die Sicherheit und Stabilität Europas und die Fixierung möglichst dauerhafter Bestimmungen als politische Ziele. In einem Zusatzartikel wurden alle Friedensverträge der napoleonischen Zeit und ihre territorialen Regelungen nochmals ausdrücklich außer Kraft gesetzt.

      • Frankreich bekam seinen Gebietsstand vom 1. Januar 1792 mit einigen geringfügigen Korrekturen garantiert. An der Saar und in Savoyen wurden sogar Gebietserweiterungen gegenüber dem Stichtag zugestanden, etwa der Besitz der rechtsrheinischen Festung Landau in der Pfalz, der Gebiete von Chambéry und Annecy in Savoyen, von Mühlhausen, Mömpelgard und der südfranzösischen Grafschaften Avignon und Venaissin. Für den Zugang zur Stadt Genf von der Schweiz her wurden Regelungen über die gemeinsame Nutzung von Straßen getroffen. In Art. 18 wurde auf die Zahlung einer Kriegsentschädigung, an der vor allem Preußen interessiert gewesen wäre, ausdrücklich verzichtet. Den Käufern von außerhalb der alten Grenzen gelegenen französischen Nationalgütern wurde die Rechtsgültigkeit ihrer Erwerbungen ausdrücklich zugesagt.

      • Die nördlichen Niederlande (der Vertragstext spricht in Art. 6 von „La Hollande“) wurden unter die Herrschaft des Hauses Oranien-Nassau [<<38] in Person des Prinzen Wilhelm VI. von Oranien, der seit 1813 den Titel eines Souveränen Fürsten der Niederlande führte, gestellt; sie sollten eine substantielle Gebietsvergrößerung