Interessen Bayerns.9 Tirol wurde sofort für militärische Operationen Österreichs geöffnet. Metternich versprach dafür, dem bayerischen König zu einer angemessenen Entschädigung für eventuelle Gebietsabtretungen zu verhelfen. Zwischen Anfang November und Anfang Dezember folgten die Souveräne von Württemberg, Hessen-Darmstadt, Baden, Nassau und Hessen-Kassel dem bayerischen Beispiel und wechselten durch vertragliche Absprachen auf die Seite der Gegner Napoleons. [<<25]
Mit dem Sieg der alliierten Truppen in der „Völkerschlacht“ bei Leipzig (16.–19. Oktober 1813) waren die bisherigen Kriegsziele der Koalition erreicht. Napoleon zog seine Truppen über Erfurt und Frankfurt Richtung Westen ab, fügte bei Hanau noch dem bayerischen Armeekorps unter General Wrede eine schwere Niederlage zu (30./31. Oktober), setzte Anfang November mit 80.000 Soldaten bei Mainz über den Rhein und ließ, zurück in Saint-Cloud, die Aushebung einer neuen Armee von 300.000 Mann anordnen.
Mit der Niederlage von Leipzig und dem Ende des Rheinbundes war Napoleons Hegemonie östlich des Rheins zusammengebrochen und damit jene Dispositionsfreiheit hergestellt, die die Verwirklichung der Absprachen von Kalisch, Reichenbach und Teplitz ermöglichte. Nun stellte sich die entscheidende Frage, ob man im Sinne der Maximalplanungen Zar Alexanders Napoleon in Frankreich angreifen sollte. Die Interessen des britischen Allianzpartners wiesen in diese Richtung, denn noch vor Leipzig, am 7. Oktober, hatte Wellington auf der iberischen Halbinsel den Grenzfluss Bidasoa in Richtung Frankreich überschritten. In den politisch-militärischen Zielen der Briten spielten im Sommer 1813 die Rückführung der angestammten Regenten von Spanien und Portugal sowie eine Vergrößerung und Stärkung der Niederlande als Barriere gegen Frankreich die wichtigste Rolle; dagegen wollten sie die Verhältnisse in Übersee aus eventuellen Verhandlungen völlig heraushalten. Vor allem aber drängte Außenminister Robert Viscount Castlereagh auf den Abschluss einer formellen Offensiv- und Defensivallianz zwischen Russland, Preußen, Schweden, Österreich und Großbritannien, um auf dieser Basis den Kampf gegen Napoleon fortzuführen.10
Im Spätjahr 1813 unternahm Metternich einen weiteren Versuch, den Krieg auf Basis des Status quo zu beenden und die Gegner an den Verhandlungstisch zu bringen. Von Frankfurt aus unterbreitete er, unter Beiziehung Nesselrodes und Aberdeens, dem Kaiser der Franzosen ein informelles Verhandlungsangebot (8./9. November 1813): Frankreich könne seine natürlichen Grenzen am Rhein, in den Alpen und in den [<<26] Pyrenäen behalten, müsse dafür aber die Unabhängigkeit Deutschlands, Spaniens, Italiens und der Niederlande anerkennen. Die Herrschaft Napoleons und seiner Dynastie in Frankreich stehe außer Zweifel. Ein bloßer Waffenstillstand ohne Aussicht auf eine Friedensabsprache komme nicht in Frage; die Koalition seiner Gegner stehe in dieser Hinsicht fest vereint durch „unauflösliche Bande“. Großbritannien müsse in eine Friedenslösung einbezogen werden. Publik wurde der Tenor dieses Angebots durch eine öffentliche Erklärung vom 4. (rückdatiert auf den 1.) Dezember 1813, der Krieg der Alliierten richte sich gegen die Hegemonialpolitik des Kaisers außerhalb des Gebiets von Frankreich, woraus sich die Absicht herauslesen ließ, „Frankreich als Großmacht zu erhalten und ihm einen günstigen Frieden anzubieten.“11
Während Paris Verhandlungen zustimmte (allerdings auch die Truppenaushebungen fortführte), gewann bei den britischen Diplomaten angesichts der „Frankfurt proposals“ die Sorge wegen zu großer Nachgiebigkeit gegenüber Napoleon die Oberhand. Premierminister Liverpool entschloss sich Mitte Dezember, seinen „Secretary of State“ (Außenminister) Castlereagh persönlich in das Hauptquartier der Koalitionsmächte zu entsenden, um auf die nun anstehenden Entscheidungen stärkeren Einfluss nehmen zu können. Dieser hatte scharfe Kritik an den „Frankfurt proposals“ geübt. Außerdem hielt Castlereagh eine möglichst umfassende, vertraglich formalisierte Allianz gegen Napoleon für äußerst wichtig, und zwar mit der hellsichtigen Begründung, den Frieden auf diese Weise nicht nur zu ermöglichen, sondern zu erhalten („not only to procure, but to preserve peace“). Auch sein Verhandlungsauftrag aus London enthielt ausdrücklich das Ziel, dass ein Allianzvertrag der gegen Frankreich verbündeten Mächte über den Abschluss eines Friedens hinausreichen und gegenseitige Hilfsverpflichtungen gegen Frankreich festlegen müsse.12 [<<27]
Am 18. Januar 1814 kam Castlereagh im alliierten Hauptquartier an, das sich damals in Basel befand. Allein dieses Reiseziel zeigt, wie dramatisch sich die politisch-militärische Lage in Europa in den letzten Wochen des Jahres 1813 verändert hatte. In Spanien erhielt der Bourbonenkönig Ferdinand VII. seinen Thron zurück; in den Niederlanden war es zu Aufständen gegen die Franzosen gekommen, die das Land bis Weihnachten räumten; hier kehrte Prinz Wilhelm VI. von Oranien-Nassau, der Sohn des letzten Erbstatthalters, als „Souveräner Fürst der Niederlande“ aus dem britischen Exil zurück. Österreichische, später auch russische Truppen rückten ab dem 21. Dezember östlich von Basel in die Schweiz ein, um von dort Richtung Frankreich vorzustoßen, und in der Neujahrsnacht 1813/14 setzte Blücher bei Koblenz über den Rhein. Trotz mancher Bedenken trugen die alliierten Truppen den Krieg nun nach Frankreich hinein. In der Hoffnung, sich seine Herrschaft über Neapel sichern zu können, wandte sich dessen König, Joachim Murat, von seinem Schwager Napoleon ab und schloss am 11. Januar 1814 eine Bündnisabsprache mit Österreich, in der er versprach, in Italien 30.000 Mann an die Seite der Alliierten zu stellen.
Nach diesen Erfolgen und der Besetzung eines breiten Gebietsstreifens in Ostfrankreich brachten die Monate Februar/März 1814 politisch wie militärisch gefährliche Krisenmomente für die Koalition mit sich. Über die Fragen, ob nun ein rascher militärischer Vorstoß gegen Paris zu führen und der Sturz der Dynastie Bonaparte zu planen sei, ergaben sich gravierende Differenzen zwischen dem Zaren auf der einen und den leitenden Ministern Großbritanniens und Österreichs auf der anderen Seite. Castlereagh und Metternich hatten im Januar in Basel abgesprochen, die Alternative Bonaparte oder Bourbon vorerst in der Schwebe zu lassen, nochmals einen Friedensschluss mit Napoleon zu versuchen und dieses Ziel durch eine langfristige Defensivallianz gegen Frankreich formal abzusichern.
Mitte Januar 1814 hatte Napoleon ein Ersuchen um Waffenstillstand formuliert, das sein Außenminister Caulaincourt mit einiger Verzögerung an Metternich weiterleitete. Die Minister der Koalition beschlossen Ende Januar bei Besprechungen in Langres, diese Verhandlungen aufzunehmen, die militärischen Operationen aber gleichzeitig fortzuführen. Ihre [<<28] Bevollmächtigten sollten nur eine, gemeinsame Instruktion bekommen und alle Agenden des kontinentalen Europa gegenüber dem französischen Kaiser vertreten. Metternich formulierte sehr bezeichnend, die Neuordnung Europas sei für die alliierten Mächte quasi ein Gegenstand der Innenpolitik.13
Um Paris zu retten, hatte Napoleon seinem Außenminister nach den verlustreichen Schlachten gegen Blücher bei Brienne und La Rothière (29. Januar/1. Februar 1814) vorübergehend freie Hand für Verhandlungen gegeben. Im burgundischen Châtillon-sur-Seine traf Caulaincourt am 5. Februar auf die Bevollmächtigten Russlands, Österreichs, Preußens und Großbritanniens und legte ihnen das Ersuchen um einen raschen Waffenstillstand vor. Schon vier Tage später wurden die Verhandlungen auf Druck des Zaren unterbrochen, der an seinen Plänen für die Weiterführung des Kriegs festhielt. Die alliierten Diplomaten wichen daraufhin am 10. Februar für eine Woche nach Troyes aus, um dort erst einmal eine gemeinsame Linie der Vier Mächte festzulegen. Dieses Vorhaben erwies sich als durchaus kritisch; der Koalition drohte die Spaltung und dies gerade in einer Phase, in der Napoleon an Marne, Aube und Seine eine ganze Reihe kleinerer, aber psychologisch wichtiger Erfolge gegen die Truppen Blüchers errang (10.–17. Februar). Während der Zar weiter auf ein Vorgehen auf Paris drängte, zog der übervorsichtige Schwarzenberg seine Truppen zurück. Das gegenseitige Misstrauen ging so weit, dass Metternich und Hardenberg insgeheim verabredeten, im Falle einer erfolgreichen Eroberung der Kapitale Frankreichs sogleich mit Bonaparte Frieden zu schließen und Ansprüche der Bourbonen nicht zu berücksichtigen (14. Februar). Doch am gleichen Tag noch gab der Zar nach.14
So gingen die Verhandlungen in Châtillon ab dem 17. Februar weiter und die Alliierten übergaben Caulaincourt einen Vertragsentwurf für einen Vorfrieden. Von einer Grenze am Rhein war keine Rede mehr; Frankreich sollte jetzt auf die Grenzen von 1792 zurückgehen – eine [<<29] deutliche Konzession an das britische Interesse an einer breiten „Barriere“ an Rhein, Maas und Schelde, das auch von Preußen unterstützt wurde. Außerdem sollte das Land an den anstehenden