Reinhard Stauber

Der Wiener Kongress


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(25. März 1813), deren Leitlinien der Freiherr vom Stein vorgegeben hatte. Sie verlangte die als „allgemeinen Volkswunsch“ hingestellte Auflösung des Rheinbunds und kündigte den Schutz des Zaren für eine selbstbestimmte Neuordnung Mitteleuropas durch die „Fürsten und Völker[n] Deutschlands“ an, sobald die „Befreiung … vom fremden Joche“ einmal Realität sein würde. Frankreich wurde aufgefordert, sich „fernerhin mit der Beförderung seiner innern Glückseligkeit“ zu beschäftigen und die künftige „Unabhängigkeit aller Staaten von Europa“ anzuerkennen. Unter dem Motto „Ehre und Freiheit“ riefen die verbündeten Monarchen durch Kutuzov zu einer umfassenden Mobilisierung gegen den Kaiser der Franzosen auf.4

      2.2 Das Scheitern der österreichischen Vermittlung

      Der weitere Aufbau der Allianz gegen Napoleon erfolgte nicht mit der Dynamik, die die beiden Bündnispartner von Kalisch erwartet hatten. In Österreich schwenkte Metternich aufgrund von Bedenken wegen der Verlässlichkeit der Politik des Zaren und angesichts eines bestehenden Bündnisses mit Napoleon von 1812 vorläufig nicht auf den Konfliktkurs ein. Vorerst setzte er auf Zeitgewinn, einen neutralen Kurs zwischen den Antagonisten und das Angebot einer Friedensvermittlung an Frankreich. [<<21]

      Napoleon hatte in Rekordzeit eine neue Armee von 200.000 Mann an den Main gebracht und damit ein deutliches Zeichen gesetzt, dass er nicht daran dachte, das Rheinbundgebiet aufzugeben. Seine Planung zielte auf einen Vorstoß Richtung Sachsen; dort begannen ab Mitte März 1813 neue Kämpfe mit den Truppen Kutuzovs und des preußischen Generals Blücher. Napoleons Erfolge ermöglichten ihm bis Mitte Mai die Besetzung der westlichen und zentralen Teile Sachsens. König Friedrich August I. erneuerte das Bündnis mit Frankreich. Um Zeit für die Neuaufstellung seiner Kavallerietruppen zu gewinnen, stimmte der Kaiser der Franzosen nach der Schlacht bei Bautzen (20./21. Mai 1813) einem von Österreich vorgeschlagenen Waffenstillstand zu (Pläswitz 4. Juni 1813).

      Während dieser sich bis zum 10. August erstreckenden Waffenruhe bereitete eine Serie von Gesprächen im schlesischen Städtchen Reichenbach sowie auf verschiedenen Schlössern in Nordböhmen die Annäherung zwischen Wien und dem russisch-preußischen Bündnis vor. Der Zar, Nesselrode und Hardenberg besprachen mit den Spitzen von Politik und Militär des österreichischen Kaiserstaats ab dem 3. Juni eine Reihe gemeinsamer Forderungen an Napoleon, die am 27. Juni 1813 formalisiert wurden. Ihre Erfüllung sollte die Voraussetzung dafür bilden, dass Österreich sich weiterhin um einen Präliminarfrieden zwischen Napoleon und den beiden Ostmächten bemühen durfte. Die Bedingungen an Napoleon enthielten die Aufgabe des Herzogtums Warschau und Danzigs, die Rückstellung der Illyrischen Provinzen an Österreich, die Anerkennung des Rechts Preußens auf territoriale Vergrößerung sowie die Wiederherstellung der Hansestädte Hamburg und Lübeck. Metternich sorgte zwar einerseits dafür, dass der Waffenstillstand nochmals verlängert wurde, legte aber andererseits Mitte Juli seinen Kaiser für den entsprechenden Fall auf Kriegskurs fest.

      Metternich traf mit Napoleon am 26. Juni 1813 zu einem langen Gespräch in Dresden zusammen, um die Möglichkeit zur Aufnahme von Friedensverhandlungen auszuloten. Napoleon lehnte territoriale Zugeständnisse im Sinne der Reichenbacher Forderungen rundheraus ab. Auf formaler Ebene errang Metternich aber einen wichtigen Erfolg, denn der Empereur entließ Österreich aus den Verpflichtungen des Bündnisvertrags von 1812 und anerkannte seine Rolle als neutraler Vermittler.

      Napoleon setzte bei den Prager Verhandlungen auf eine leicht durchschaubare Verzögerungstaktik. Sein erster Vertreter war weder mit Instruktionen noch mit Vollmachten ausgestattet; erst am 22. Juli erhielt der zweite Abgesandte, Graf Caulaincourt, General, Senator und langjähriger diplomatischer Vertreter des Kaisers am Zarenhof, wenigstens erstere, blieb aber ohne Ermächtigung zu einem Abschluss. Eingehend und erfolglos wurde über Verfahrensfragen gestritten. Napoleon verlangte eine Einbeziehung der Briten und wollte auch nach eindringlicher [<<23] Erinnerung an die Reichenbacher Forderungen der Alliierten (der noch die Aufgabe des Protektorats über den Rheinbund hinzugefügt wurde) keine Veränderungen am Status quo von 1812 akzeptieren. Ernsthafte Verhandlungen kamen in Prag jedenfalls nicht zustande.

      Die militärischen Auseinandersetzungen flammten ab der letzten Augustwoche 1813 rund um Napoleons Zentralposition in Sachsen neu auf. Blücher hielt den französischen Marschall MacDonald erfolgreich von Schlesien ab (Schlacht an der Katzbach 26. August). Der Empereur konnte seine Stellung in Dresden gegen Schwarzenbergs Armee behaupten (26./27. August), nicht aber mit Erfolg offensiv gegen Böhmen vorgehen (Schlacht bei Kulm 29./30. August). Vorstöße der Marschälle Oudinot und Ney Richtung Berlin wehrten preußische Verbände der Nordarmee ab (Großbeeren 23. August; Dennewitz 6. September).

      2.3 Bündnis im Krieg und Allianz für den Frieden

      Die Teplitzer Vereinbarungen besiegelten den formellen Anschluss Österreichs an die russisch-preußische Koalition gegen Napoleon. In den letzten Septembertagen 1813 setzten die drei Alliierten ihre Truppen von Norden, Osten und Süden her Richtung Sachsen in Marsch; Napoleon fasste angesichts dieses Bedrohungsszenarios erst am 12. Oktober den Entschluss, seine Hauptkräfte bei Leipzig zu konzentrieren und seinen Hauptstoß gegen Schwarzenbergs Böhmische Armee zu richten.