2000; Tjitra 2001; Stumpf 2005; Köppel 2007; Adler 2008; Stahl et al. 2010), selten außer bei Mergers & Acquistions (Brock 2005) auf miteinander agierende Unternehmen, nicht jedoch auf einzelne Organisationen im Ganzen. Gründe hierfür sind zum einen die problematische Übertragung auf komplexe soziale Systeme (Selbstorganisation der Elemente und begrenzte Prognostizierbarkeit über Prozessverläufe) und zum anderen der Mangel an systemischen und interkulturellen Kenntnissen und Methoden. Ebenso hängt die Ermöglichung interkultureller Synergien nicht nur entscheidend von spezifischen Kontexten (kollektive Strukturen und Prozesse), individuellen Vorerfahrungen, Interessen, Motivationen und Kompetenzen ab, sondern auch vom Zusammenspiel der kulturellen Akteure. Interaktionen beeinflussende Elemente wie Machtasymmetrien, wie sie in den postkolonialen Studien (Jack/Westwood 2009), den Critical Management Studies (Alvesson/Willmott 1992; Mahadevan 2017) oder Studien der Organisationssoziologie (Crozier/Friedberg 1977) im Zentrum stehen und sich in der Praxis in Dominanz, Mikropolitik oder Hidden Agendas zeigen, erschweren auch die Herausbildung interkultureller Komplementarität und Synergie.
Vorliegendes Buch wählt bewusst die Ausrichtung der konstruktiven Interkulturalität: Interkulturalität in Organisationen wird aus Theorie und Praxis beleuchtet, in denen komplementäre und synergetische Aspekte von Interkulturalität verdeutlicht werden. Dieses Buch eignet sich nicht nur zur theoretischen Analyse, sondern trägt auch als Impuls- und Ideengeber im Transfer auf die Praxis zur zukünftigen Gestaltung von Interkulturalität und Synergie in Arbeitssituationen bei.
Dieses Buch hebt sich von vielen anderen Lehrbüchern zum Interkulturellen Management ab: Das zentrale Anliegen dieses Buches ist die Gestaltung konstruktiver Interkulturalität und Komplementarität in Organisationen. Zwar sind Erklären und Verstehen von Interkulturalität samt der dazugehörigen Probleme wichtige Grundlagen, aber nur in der problemorientierten Ausrichtung bringen sie weder die betroffenen Akteure in der Praxis noch die Interkulturelle Managementforschung weiter. Dieses Buch thematisiert deshalb auch komplementäre Aspekte von Interkulturalität durch eine Ressourcen- und Lösungsorientierung. Dahinter steht die humanistische, idealistische und normative Überzeugung, dass Menschen, sei es in ihren Funktionen und Rollen als interne Fach- und Führungskräfte oder als externe Berater und Experten, lern- und entwicklungsfähig sind und aktiv als Akteure konstruktiv-gestaltend auf ihr soziales Umfeld in Organisationen wie Arbeitsgruppen oder Abteilungen einwirken können. Interkultureller Kompetenz kommt hier eine besondere Bedeutung zu. Konstruktive Interkulturalität lässt sich somit auch als Haltung verstehen, die in allen Lebens- und Arbeitsbereichen und somit auch in den Bereichen des Interkulturellen Managements wirkungsvoll sein kann, insbesondere um Unterschiede und Gegensätze komplementär zu verbinden. Dies wird in diesem Buch illustriert.
Weiterhin legt das Buch stärker als andere Publikationen zum Interkulturellen Management einen Fokus auf Organisationen, insbesondere Unternehmen, als Kontexte: Organisationen sind eine bedeutende und verbreitete Form sozialer Systeme, die der Internationalisierung unterliegen. Sie sind nicht nur Orte strategischer Zielerreichung, arbeitsteiliger Aufgabenerfüllung und ökonomischer Wertschöpfung, sondern auch Kristallisationspunkte, verdichtete Räume und Felder beruflicher Sozialisation, Sinngebung und Identitätsstiftung. Organisationen sind somit exemplarisch Orte, an denen internationale Interaktivität stattfindet.
Ebenso wird immer wieder der dynamische Aspekt von Interkulturalität in Organisationen hervorgehoben. Interkulturalität ist ein meist nicht vorhersehbarer Prozess gegenseitiger Annäherung, Aushandlung und Entwicklung. Akteure in interkulturellen Situationen sind keine »Roboter« mit vorgegebenen kulturellen Denk- und Verhaltensweisen, sondern werden zum einen ihr Verhalten graduell an Kontexte und Interaktionspartner anpassen, zum anderen können sie Verlauf und Ergebnis von Situationen aktiv beeinflussen und gestalten. Interkulturelle Dynamiken finden sich überall in Organisationen, so etwa in der Führung von Mitarbeitern und Teams oder dem internationalen Transfer von Organisationspraktiken.
Im Sinne eines kulturellen Pluralismus und eines differenzierten modernen Kulturverständnisses werden neben der Nationalkultur auch andere multiple Kulturen wie Regional-, Branchen-, Organisations- und Professionskulturen berücksichtigt, ebenso Gender- und Generationsthemen. Trotzdem wird ein Betrachtungsschwerpunkt auf nationalen Kulturen liegen, entsprechend der Kulturraumstudien-Tradition der Universität Passau, wo der Autor Interkulturelle Kommunikation erforscht und lehrt.
Das Buch bildet durch Einbringung internationaler Ergebnisse der Forschung aktuelle und innovative Themen und Theorieansätze ab. Um einem Ethnozentrismus von Paradigmen, Kontexten und Themen entgegenzuwirken, werden zusätzlich zum deutschsprachigen und zum anglo-amerikanischen Diskurs interessante und relevante, hierzulande eher unbekannte Publikationen aus anderen Ländern und Kontinenten integriert. So wird sichergestellt, dass auch auf Ansätze der Interkulturalitätsforschung eingegangen wird, die nicht Mainstream sind. Der Länderfokus des Buches ist bewusst – in Abgrenzung zu vielen US-amerikanischen Lehrwerken und in der Tradition des Passauer Studiengangs Kulturwirtschaft – eher europäisch und westlich ausgerichtet, auch wenn Bezüge zu asiatischen, lateinamerikanischen oder afrikanischen Ländern hergestellt werden.
Das Buch lässt Interkulturalität nicht im abstrakten Raum stehen, sondern kontextualisiert sie, d. h. es erfolgt eine konkrete Einordnung interkultureller Situationen sowohl funktionaler, akteurspezifischer als auch kultureller Art, die auch – in der Interkulturellen Managementforschung häufig vernachlässigte – Einflussfaktoren wie Macht und Interessensgegensätze berücksichtigt. Gesamtzusammenhänge, die sich auch aus institutionellen Besonderheiten und sozialhistorischen Strukturen und Traditionen ergeben, werden ebenso berücksichtigt wie Wirkungsketten.
Hiermit verbunden ist der systemische Ansatz des Lehrbuchs. Immer wieder wird die Perspektive einer Metaebene eingenommen, um in der Wahrnehmung und Analyse eine gewisse Objektivität und Neutralität zu erreichen. Es geht um eine ganzheitliche Betrachtung von Phänomenen in kulturell-sozialen Systemen unter Betrachtung der Kontexte, Akteure und ihrer wechselseitigen Beziehungen. Systemisch bedeutet auch, dass nicht nur der Zustand von Systemen analysiert wird, sondern dass auch die Gestaltung von Systemen Betrachtungsobjekt wird.
Die Ausrichtung des Buches ist – entsprechend der Tradition der Universität Passau – interdisziplinär, was bedeutet, dass Phänomene der Interkulturalität anhand verschiedener Wissenschaftsdisziplinen wie Kulturanthropologie, Psychologie, Soziologie, Organisations- und Managementforschung und der Kommunikationswissenschaft analysiert und interpretiert werden. Diese Disziplinenvielfalt ermöglicht ein multiperspektivisches Verständnis interkultureller Wirklichkeiten.
Da Interkulturalität und auch Management einen starken sozialen empirischen Wirklichkeitsbezug aufweisen, stellt das Buch eine Kombination von Forschung und Praxis dar: Theoretische Fundierungen in Form von Erkenntnissen und Ergebnissen der Wissenschaft werden bereichert durch Erfahrungen der Praxis. So dienen Beispiele aus dem Arbeits- und Organisationsalltag zur Illustration und Anwendung von Konzepten und Modellen. Im Sinne des Konstruktiven Interkulturellen Managements finden sich im Buch Gestaltungsempfehlungen.
Insgesamt integriert das Buch viele Ideen, Erfahrungen und Erkenntnisse meiner Publikationen der letzten beiden Jahrzehnte zum Interkulturellen Management und hat damit einen programmatischen Charakter.
Wie Konstruktives Interkulturelles Management entwickelt wird
Dieses Buch gibt einen umfassenden Einblick in die Vielfalt Interkultureller Managementansätze, Modelle und Praktiken in unterschiedlichen Handlungskontexten und zeigt systemische Zusammenhänge auf. Nancy Adler, eine der Pionierinnen des Forschungs- und Praxisfeldes, die sich seit den 1980er Jahren mit Interkulturellem Management beschäftigt, gibt folgende Definition:
»Cross-Cultural Management studies the behavior of people in organizations around the world and trains people to work in organizations with employees and client populations from several cultures. It describes organizational behavior within countries and cultures; compares organizational behavior across countries and cultures; and, perhaps most importantly, seeks to understand and improve the interaction of co-workers,