und ihren Gesellschaften intensiviert sich kontinuierlich durch komplexe Transfer- und Diffusionsprozesse sowie durch Migration. Die Nationen reagieren darauf, indem sie aktiv mitgestalten – etwa durch die Einrichtung von Regeln und Institutionen, die auf einer dem Nationalstaat übergeordneten Ebene angesiedelt sind, der Supranationalisierung (Sorge 2009, 10).
Die Forschung zu Internationalisierung und Globalisierung befasst sich mit internationalen Verflechtungen, und zwar häufig in kritischer Weise mit deren politischen, wirtschaftlichen, kulturellen und gesellschaftlichen Ursachen und Effekten. Hierzu gehört vor allem die Kritik an globalen Machtstrukturen, ausgelöst, entwickelt und aufrechterhalten durch bestimmte Nationalstaaten oder durch multinationale Unternehmen, die zu gesellschaftlicher Ungleichheit und ökonomischen Asymmetrien beitragen: »Globale Verflechtungen werden von Staaten, Firmen, Gruppen, Individuen aufgebaut, erhalten, umgeformt und zerstört. Sie sind Gegenstand von Interessenkonflikten und Politik. Sie produzieren Gewinner und Verlierer – gleiches gilt allerdings auch für die Zerstörung globaler Strukturen« (Osterhammel/Petersson 2012, 112). Es kommen Dynamiken der Entnationalisierung oder Denationalisierung in Gang, die zu Macht- und Bedeutungsverlust von Nationalstaaten führen können, wie es etwa der Soziologe Ulrich Beck betont: »Globalisierung ermöglicht, was vielleicht im Kapitalismus latent immer galt, aber im Stadium einer sozialstaatlich-demokratischen Bändigung verdeckt blieb: dass die Unternehmen, insbesondere die global agierenden, nicht nur eine Schlüsselrolle in der Gestaltung der Wirtschaft, sondern der Gesellschaft insgesamt innehaben […]. Die global agierende Wirtschaft untergräbt die Grundlagen der Nationalökonomie und der Nationalstaaten« (Beck 1997, 14).
Globalisierung ist dabei kein neues Phänomen – in der Vergangenheit trug bereits der europäische Kolonialismus Züge der Globalisierung –, sondern hat durch die Modernisierung ein neues Ausmaß angenommen: »Globalisierung hängt mit Modernisierung eng zusammen. Strukturbildende Fernverpflichtungen gab es schon in vormoderner Zeit. Aber erst die kulturelle Kreativität der europäischen Moderne – Stichworte wären Rationalität, Organisationen, Industrie, Kommunikationstechnologie – ermöglichte Verflechtungen von neuartiger Reichweite und Intensität. Umgekehrt spielte sich die Entfaltung der europäischen Modernen von Anfang an in einem globalen Rahmen ab. Asien, China und die islamische Welt, später die beiden Amerikas, Afrika und die Südsee – sie alle lieferten Bezugspunkte für den Selbstentwurf Europas als einer universalen Zivilisation« (Osterhammel/Petersson 2012, 112).
Eine zentrale Forschungsfrage der Internationalisierung betrifft »Konvergenz versus Divergenz«: Nähern sich die Wege, wie internationale Organisationen und ihre Akteure mit kultureller Vielfalt umgehen, durch Diffusions- und Transferprozesse einander an (Konvergenz), oder bilden sich kulturspezifisch unterschiedliche Wege der Bewältigung kultureller Vielfalt heraus (Divergenz)? Die Konvergenzthese geht von einer Angleichung kultureller und institutioneller Merkmale aus und besagt, dass Organisationen und Management rationale Muster zur Lösung betrieblicher Probleme aufweisen und dass das Streben nach Effizienz keinen Spielraum für unterschiedliche kulturelle Lösungen zulässt. Die Divergenzthese dagegen unterstellt eine Zunahme kultureller und institutioneller Merkmale; deshalb müssen Organisationen und Management den nationalen kulturellen Gegebenheiten Rechnung tragen, um erfolgreich zu sein (Tab. 3). Seit Jahrzehnten findet diese Diskussion statt (Albert 1991; Whitley 1999; D’Iribarne 2001; Kieser/Walgenbach 2010; Adler 2008; Sorge 2009; Barmeyer/Öttl 2011; Scholz 2014a). So herrschte lange Zeit in der Managementlehre und Organisationsforschung die Annahme, Managementmodelle und -praktiken seien universell, was sich in den Debatten zwischen den Positionen Culture Free (Hickson/McMillan 1981; Maurice/Sorge 2000) und Culture Bound (Hofstede 1980; D’Iribarne 1989) niederschlug.
Konvergenz | Divergenz | |
Aussage | Abnahme bzw. Angleichung kultureller Unterschiede | Zunahme bzw. Beständigkeit kultureller Unterschiede |
Konsequenz | kulturelle Homogenität | kulturelle Heterogenität |
Vertreter | »Universalisten« | »Kulturalisten« |
Management | Management existiert unabhängig vom kulturellen Umfeld | Management ist geprägt vom kulturellen Umfeld |
Gefahren | Negierung des Einflussfaktors Kultur kann zu interkulturellen Missverständnissen und Problemen führen | Überbewertung des Einflussfaktors Kultur kann zu einseitigen, nachträglich vorgeschobenen Erklärungsmustern führen |
Tab. 3: Konvergenz und Divergenz im Interkulturellen Management (Barmeyer 2000, 38)
Die ethnozentrische Haltung, Kulturunterschiede im Management zu unterschätzen, basiert auf einer der Konvergenzthese entsprechenden »Ähnlichkeitsannahme« (Barmeyer 2012a). Diese trifft vor allem auf Gesellschaften zu, die geografisch oder kulturell nah erscheinen. Je intensiver aber die Beschäftigung mit einer anderen Kultur ist, desto größer kann das Bewusstsein der Unterschiedlichkeit werden, was die Divergenzthese stützt: »Many cultures that appear quite similar on the surface, frequently prove to be extraordinarily different on closer examination« (Hall 1983, 7).
Verschiedene weltweit vergleichende Länder-Studien und Indizes wie Corruption Perception Index, Doing Business, Global Innovation Index, Global Creativity Index oder Global Gender Gap Report weisen auf ausgeprägte kulturelle und institutionelle Divergenzen hin, die Auswirkungen auf internationale Organisationen haben können: Während angelsächsische und nordwesteuropäische Unternehmen beispielsweise strenge Compliance-Vorschriften bezüglich Korruption aufweisen, werden in anderen Ländern durch sogenanntes »korruptes« Verhalten (Geschenke, Einladungen, »Schmiergeld«) Geschäfte überhaupt erst möglich. Ebenso schränken administrative Barrieren die Tätigkeit von Organisationen ein oder können sie sogar behindern. Auch Kreativität und Innovation sind in den Ländern sehr unterschiedlich ausgeprägt. Diese Unterschiedlichkeit trifft auch auf Geschlechterverhältnisse, insbesondere Rollenerwartungen und Karrierechancen, von Frauen und Männern in Organisationen zu.
Sicherlich weisen diese weltweiten Länderindizes, die übrigens meist von westlichen Organisationen erstellt werden, auch eine kulturelle Abweichung auf: Dazu gehört die Grundannahme der Transparenz und Vergleichbarkeit von gesammelten Daten auf Grundlage eines positivistischen Paradigmas, samt dem Glauben an die Erstellung etischer Vergleichskategorien. Trotz aller Kritik geben diese Länder-Indizes eine gewisse Orientierung und zeigen die bestehende kulturelle Divergenz auf, mit der sich international agierende Organisationen beschäftigen müssen.
Mesokontext: Internationale Organisation
Als soziale Gebilde (Mayntz 1963; Chanlat 1990) sind Organisationen zentrale Orte zwischenmenschlichen, beruflichen und auch interkulturellen Handelns. Eine Organisation wird verstanden als soziales System von Akteuren, die Ressourcen und Kompetenzen aufweisen und unter bestimmten strukturellen und strategischen Voraussetzungen zur Erreichung von Zielen beitragen (March/Simon 1958; Mayntz 1963; Schreyögg 2012). Der Stellenwert von Organisationen im menschlichen Leben ist prägend:
»Wir leben in einer Organisationsgesellschaft. Die meisten von uns sind in einer Organisation auf die Welt gekommen, und die meisten von uns werden in einer sterben. Zwischen diesen Ereignissen haben wir sehr viel mit Organisationen zu tun. In Organisationen werden wir erzogen und ausgebildet. Fast alle Produkte und Dienstleistungen, die wir erwerben, stammen von Organisationen. Organisationen sind unausweichlich. Organisationen bestimmen weitgehend, welche Leistungen uns zur Verfügung stehen, und sie legen auch fest, zu welchen Bedingungen wir diese Leistungen in Anspruch nehmen können. Dies hat sowohl ganz konkrete, unmittelbare Konsequenzen für unser persönliches Verhalten als auch weitreichende gesamtgesellschaftliche Implikationen.« (Kieser/Walgenbach 2010, 24–25)
Insofern umschließt das Konzept Organisation nicht nur Unternehmen, die eine Gewinnabsicht verfolgen, sondern auch andere soziale Systeme wie Schulen und Hochschulen, Krankenhäuser, Behörden und Verwaltungen oder internationale Organisationen.
In diesem Buch stehen vor allem erwerbswirtschaftliche Organisationen, Unternehmen, im Vordergrund. Dies hat zum einen mit der Tradition des Interkulturellen Managements zu tun, das sich in der Vergangenheit vor allem auf Unternehmen bezogen hat (Smith et al. 2008). Zum anderen sind die meisten empirischen Arbeiten