reagieren, ebenfalls von Bedeutung ist.
Rachman (1977) hat drei mögliche Ursachen von Angstreaktionen postuliert:
– direkte Konditionierungs- bzw. Koppelungserfahrungen der Betroffenen, bei denen ein früher nicht Angst auslösender Reiz durch Koppelung (klassische Konditionierung) mit einem unbedingt angstauslösenden Reiz dessen Eigenschaft, Angst auszulösen, übernimmt;
– indirekte oder stellvertretende Konditionierung, wobei die Koppelung nicht von dem Betroffenen selbst erfahren, sondern die Konditionierung über das Beobachtungslernen von einem Modell übernommen wird;
– die Übertragung von Angst durch Informationen, die eine Situation bzw. einen Gegenstand beängstigend erscheinen lassen.
Die Häufigkeit, mit der die verschiedenen Entstehungsmechanismen wirksam werden, ist von der Art des gefürchteten Objekts abhängig. Im Allgemeinen wird angenommen, dass selbst erfahrene Konditionierungen die stärksten Angstreaktionen zur Folge haben. Sehr groß dürfte jedoch der Unterschied zwischen der selbst erfahrenen Konditionierung und der Übertragung durch das Modell anderer nicht sein (Muris & Merckelbach, 2001).
2.2.1 Verzerrung der kognitiven Informationsverarbeitung als Ursache
Seit den 1980er-Jahren wurde zunächst bei Erwachsenen, dann auch bei Kindern der Anteil kognitiver Faktoren an der Angstentstehung und Persistenz hervorgehoben. Kinder mit Angststörungen leiden unter einer verzerrten Informationsverarbeitung, die speziell die beunruhigenden Situationen bzw. Reize betrifft. Die Situationen werden als besonders beängstigend wahrgenommen, da Angst auslösende kognitive Schemata für die Kinder leichter verfügbar sind. Die Aufmerksamkeit richtet sich selektiv auf die Aspekte der Situation, die durch diese Schemata angesprochen werden. Die fehlerhafte Informationsverarbeitung der Kinder wird auf drei Ebenen beschrieben: als Aufmerksamkeits-Bias, Interpretations-Bias und Memory-Bias. Die Kinder richten ihre Aufmerksamkeit verstärkt auf bedrohliche Reize, sie interpretieren Reize eher als beängstigend und erinnern sich auch besser an diese Reize. Dies führt zu einem verstärkenden Kreislauf. Es geschieht automatisch und kann nicht bewusst verhindert werden (Vasey & MacLeod, 2001; Hadwin, Garner, & Perez-Olivas, 2006).
2.2.2 Erziehung der Eltern und Interaktionen in der Familie als Ursache
Die Haltung der Eltern ihren Kindern mit Angststörungen gegenüber wird einerseits als übermäßig kritisch und abweisend, andererseits als überprotektiv und kontrollierend charakterisiert. Dies zeigt sich nicht nur in den rückblickenden Erinnerungen von Betroffenen, sondern auch in Untersuchungen, die im Längsschnitt durchgeführt wurden. Die Eltern leisteten – ohne darum gebeten worden zu sein – von sich aus Hilfestellungen und störten damit die Kinder bei der selbstständigen Durchführung der ihnen gestellten Aufgaben (Rapee, 2001).
Zudem wurde beobachtet, dass die Eltern von Kindern mit Angststörungen häufiger die Bedeutung der Meinung anderer Leute betonten und die Auslösung von Scham als Disziplinierungsmaßnahme einsetzten. Zudem dürften die Eltern auf vermeidendes Verhalten ihrer Kinder mit Zeichen der Zustimmung und Ermutigung reagieren und selbst ebenfalls als Modell für sozial ängstliches und unsicheres Verhalten dienen (ebd.).
2.2.3 Genetische Faktoren
Eine größere Anzahl von Untersuchungen (eine der größten war die „Virginia Twin Study of Adolescent Behavioral Development“ – VTSDABD) ergab klare Hinweise auf die Bedeutung genetischer Faktoren, die etwa ein Drittel der interindividuellen Varianz ausmacht. Das Ausmaß des genetischen Beitrags ist auch davon abhängig, wer das Verhalten der Kinder beurteilt. Generell gilt, dass der Einfluss genetischer Faktoren mit dem Alter zunimmt und bei Mädchen deutlich größer ist als bei Jungen (Eley, 2001). Dabei zeigt sich weiters, dass nicht nur genetische Faktoren, sondern auch gemeinsame Umgebungsbedingungen in der Familie von großer Bedeutung sind (ebd.).
2.2.4 Veränderung in der Einschätzung von Angststörungen bei Kindern
Traditionell werden die Angststörungen bei Kindern als ein vorübergehendes Phänomen betrachtet, das kein Vorbote für spätere psychische Probleme ist. Neuere Untersuchungen stellen das allerdings in Zweifel und legen nahe, dass sich Angststörungen in der Kindheit entwickeln und die Tendenz haben zu persistieren, wenn sie nicht behandelt werden. Angststörungen gelten somit als Risikofaktor für die Ausbildung von Angststörungen und affektiven Störungen im Jugend- und Erwachsenenalter (Schneider, 2004, 2005). Ein weiterer kritischer Punkt ist, dass sich Angststörungen bei Kindern oft als Vorbote anderer klinischer Störungen zeigen und dass sich in späteren Jahren Depressionen oder andere klinische Störungen entwickeln.
Zudem wurde gezeigt, dass Untersuchungen aus den 1980er-Jahren in epidemiologischen Stichproben ein höheres Ausmaß an allgemeiner Ängstlichkeit anzeigen als Untersuchungen aus den 1950er- und 1960er-Jahren und dass hier sogar das Niveau von Kindern und Jugendlichen erreicht wird, wie es in dieser Zeit typisch für ambulante kinderpsychiatrisch betreute PatientInnen war (Twenge, 2000; zit. n. Schneider, 2005). Das Niveau der allgemeinen Ängstlichkeit hat demnach um eine ganze Standardabweichung zugenommen. Diese Entwicklung wird auf ein stärkeres Gefühl der allgemeinen Bedrohung in der Gesellschaft zurückgeführt und dürfte sich in der Kriminalitätsrate, aber auch in der geringeren sozialen Verbundenheit in der Gesellschaft widerspiegeln (Rate allein lebender Personen, aber auch Scheidungsrate in der Bevölkerung).
2.3 Allgemeines zur Behandlung und Prävention
In weniger schwerwiegenden Fällen können Angstreaktionen durch einen verständnisvollen Umgang mit den Kindern aufgefangen werden. So brauchen manche Kinder mehr Zeit und Hilfe, um sich an neue Situationen anzupassen. Auch kann die Unterstützung durch eine Bezugsperson in einer belastenden Situation helfen, um mit Gefühlen von Unsicherheit fertigzuwerden. Neben der Reduktion von Belastungen sollte präventiv versucht werden, bei der Ausbildung von Bewältigungsmechanismen zu helfen. Ängstliche Kinder neigen dazu, zu vermeidenden Bewältigungsstrategien zu greifen. Längerfristig ist dies jedoch ungünstig.
Einige Untersuchungen legen nahe, dass eine spontane Rückbildung von entstandenen Angststörungen nicht zu erwarten ist. Es wurden jedoch einige positive Erfahrungen mit präventiven Maßnahmen für Schulkinder mit leichteren Formen von Angststörungen, die sich sowohl an die SchülerInnen selbst als auch an deren Eltern richteten, gemacht (Dadds, Spence, Holland, Barrett, & Laureus, 1997; Spence, 2001). Damit kann die Entwicklung stärkerer Angstsymptome zum Vollbild einer Angststörung verhindert werden.
Beim Vorliegen einer Angststörung bei Kindern und Jugendlichen ist eine Psychotherapie notwendig. Maßnahmen der Verhaltenstherapie zur symptomorientierten Angstreduktion (Entspannungstraining, Desensibilisierung, Expositionstraining), aber auch zum Aufbau von (sozialen) Kompetenzen haben sich am besten bewährt (Silverman & Berman, 2001). Unterstützend dürfte im Einzelfall bei Jugendlichen auch eine medikamentöse Behandlung, v. a. mit Serotonin-Wiederaufnahmehemmern, wirken (Stock, Werry, & McClellan, 2001; Klein & Pine, 2002).
2.4 Einteilung der Angststörungen
In den Klassifikationssystemen DSM-5 sowie ICD-10 werden Angststörungen unterschieden, deren Ausdruck altersunabhängig ist, und solche, deren Beginn im Kindesalter zu suchen ist bzw. die erstmals im Kindesalter auftreten und die manchmal auch auf das Kindes- und Jugendalter beschränkt sind. Wichtig für das Verständnis der Angststörungen ist, dass sie sehr unterschiedlich sind. Es wird mit den Angststörungen nicht eine ähnliche Gruppe psychischer Störungen zusammengefasst, sondern sehr verschiedene Phänomene.
Bei den Angststörungen mit einem weitgehend altersunabhängigen Erscheinungsbild werden nach DSM-5 und ICD-10 sieben Gruppen von Störungen unterschieden:
– Störung mit Trennungsangst,
–