abgrenzen, die durch intensivere Emotionalität, aber auch dadurch gekennzeichnet ist, dass nach einer solchen Reaktion kaum mehr ein Zugehen auf den Fremden erfolgt, während dies nach dem Ausdruck von Besorgnis noch möglich ist.
Etwa ab dem 6. bis 8. Lebensmonat löst eine Trennung von der Mutter bzw. der zentralen Bezugsperson des Kindes eine intensive emotionale Reaktion aus, die durch Weinen, Unruhe, Versuche, der Mutter zu folgen, und wiederholtes Rufen gekennzeichnet ist. Die Intensität dieser Reaktion ist von verschiedenen Faktoren abhängig: der Gegenwart anderer vertrauter Personen, der Fremdheit der Situation, dem Verhalten des Fremden etc. Sie nimmt in den Monaten nach ihrem ersten Auftreten zu, um etwa mit dem 18. Lebensmonat ihren Höhepunkt zu erreichen. Die Abnahme dieser Reaktion erfolgt nur langsam.
Von Beginn an bestehen große interindividuelle Unterschiede darin, wie wahrscheinlich es ist, dass durch eine kurze Abwesenheit der Mutter eine emotionale Reaktion beim Kleinkind hervorgerufen wird. Diese Unterschiede hängen einerseits von der Sicherheit der Bindung zwischen Mutter und Kind ab (Ainsworth, Blehar, Waters, & Wall, 1978), andererseits vom Stand der kognitiven Entwicklung der Kinder. Dieser Entwicklungsstand bedingt ein unterschiedliches Verständnis dafür, dass die Abwesenheit der Mutter nur vorübergehend ist. Für die Intensität der emotionalen Reaktionen lässt sich zudem bereits frühzeitig ein Einfluss des Temperaments der Kinder nachweisen.
Furcht ist in früher Kindheit oft auf aktuelle Ereignisse in der unmittelbaren Umgebung (z. B. spezielle Gegenstände, Geräusche oder die Angst, zu fallen) bezogen. Solche spezifischen Ängste sind bei Kindern häufig. Die Eltern können meist mehrere Gegenstände oder Situationen benennen, vor welchen ihre Kinder Angst haben (Jersild & Holmes, 1935; Lapouse & Monk, 1959). Kinder zeigen auch relativ häufig stärkere Angstreaktionen. Die meisten spezifischen Ängste sind jedoch nur von kurzer Dauer und geringer Intensität. Die Entstehung spezifischer Ängste vor relativ harmlosen Gegenständen steht möglicherweise in Zusammenhang mit der Tendenz von Kindern zu Anthropomorphismus. Das bedeutet, dass sie auch in unbelebten, sich bewegenden Gegenständen und Tieren Absichten und Gefühle sehen (Bauer, 1980). Es könnte sich darin auch eine Tendenz zu stärkerer Externalisation von inneren Erlebnissen ausdrücken.
Einige Ängste zeigen einen klaren Alterstrend. So werden Ängste vor Tieren kaum bei jüngeren Kindern angetroffen, nehmen aber dann deutlich zu und erreichen ihre größte Häufigkeit mit etwa drei Jahren. Nach Bowlby (1973) sind diese Ängste deshalb so häufig, weil Tiere verschiedene Merkmale aufweisen, die für Kinder beängstigend sind: Sie können sich rasch auf die Kinder zubewegen, nähern sich oft unerwartet und plötzlich. Zudem sind sie den Kindern relativ fremd und weisen auch bestimmte visuelle und taktile Merkmale auf – wie etwa windende Bewegungen oder eine pelzige Oberfläche –, die leicht Angst auslösen.
Etwas später, mit zirka vier Jahren, erreichen Ängste vor der Dunkelheit ihr Maximum. Zu diesen Ängsten trägt bei, dass visuelle Reize in der Dunkelheit schwer interpretierbar sind, die Situation für die Kinder fremdartig wirkt und die Kinder dabei meist allein sind.
Mit dem Alter nehmen diese Ängste ab, es kommt stattdessen zur Angst vor Fantasiegestalten, vor der Dunkelheit, vor dem Alleinsein und Verlassenwerden. Die Ängste vor Geistern, Monstern und Fantasiegestalten werden manchmal als Ausdruck einer Verunsicherung durch den Tod und durch die Möglichkeit eines Verlustes vertrauter Personen und Gegenstände interpretiert (Bauer, 1980).
In der mittleren Kindheit ist auch eine Abnahme der Ängste um die persönliche Sicherheit sowie vor Tieren festzustellen. Mit dem Schuleintritt kommt es zu Ängsten, die auf die Schule bezogen sind und im Zusammenhang mit sozialen Beziehungen stehen. Diese werden nach einem erstmaligen Anstieg im ersten Schuljahr schließlich v. a. im Alter von 9 bis 12 Jahren beobachtet. Auch Sorgen wegen Geldangelegenheiten und vage Ängste um die eigene Identität (etwa ob die Kinder adoptiert wurden) sind ab diesem Alter häufiger zu beobachten.
Bamber (1979) fasste Untersuchungen über Ängste in der Adoleszenz zusammen und stellte eine Persistenz der Ängste vor körperlichen Verletzungen, um persönliche Sicherheit sowie einen Anstieg der Ängste um Sozialkontakte fest. Eine Abnahme würde es hingegen bei den Ängsten vor Tieren, vor der Dunkelheit sowie vor Wasser und Feuer geben. Auch Angstträume würden seltener werden, ebenso die Angst vor Aggression.
Bezüglich der Entstehung von Ängsten bei Kindern gibt es verschiedene Auffassungen:
– Die psychoanalytische Theorie von Freud sah darin eine Externalisation innerer Konflikte; andere Akzente setzte dagegen Bowlby, der Angst im Zusammenhang mit Trennungserfahrungen interpretierte.
– In der Lerntheorie wurde die Konditionierung der Ängste betont.
– Die existenzialistische Tradition fokussierte auf die Verwurzelung der Ängste in der gesamten Lebenserfahrung des Menschen.
– Von anderen (z. B. Lang, 1979) wurde hervorgehoben, dass sich Ängste aus mehreren Reaktionskomponenten (physiologisch, kognitiv, emotional) zusammensetzen und sich klinisch bedeutsame Angst nur quantitativ von normaler Angst unterscheidet. Über die Reaktionskomponenten, v. a. physiologische Reaktionen, gibt es nur wenige Untersuchungen an Kindern.
Die Entwicklung ängstlichen Verhaltens bei Kindern wird durch die parallel auftretende Fähigkeit, diese emotionalen Reaktionen zu kontrollieren, modifiziert. Die Kinder sind über lange Zeit auf die Beziehung zu den Eltern angewiesen, um Sicherheit zu finden. In den ersten Wochen zeigen Kinder eine fast obligatorische Aufmerksamkeit gegenüber neuen Reizen, unabhängig von deren Gehalt, und sind dadurch wie gefangen. Bald jedoch können sie eine gewisse Kontrolle über die durch äußere Reize erzeugte Angst und Erregung ausüben, indem sie den Blick von diesen Reizen abwenden, den Kontakt unterbrechen und sich zurückziehen. Die sich entwickelnde Fähigkeit zur inneren Repräsentation von Erfahrungen und der Erwerb von Sprache ermöglichen eine bessere Differenzierung zwischen harmlosen und potenziell gefahrvollen Reizen sowie eine bessere Kontrolle des Umgangs mit den Angst auslösenden Situationen.
2.2 Bedingungsgefüge bei Angststörungen
Angstzustände können sich auch bei Kindern entwickeln, die emotional stabil erscheinen, meist aber zeigen die betroffenen Kinder schon früh eine höhere Sensibilität gegenüber Belastungen und eine auffallende Besorgtheit in neuen Situationen. Diese Sensibilität kann als Temperamentseigenschaft betrachtet werden; ihre wesentlichsten Merkmale sind einerseits eine erhöhte negative Affektivität, also eine größere Wahrscheinlichkeit des Ausdrucks negativer primärer Emotionen, und das Überwiegen von Hemmung, also ein geringeres Zugehen auf neue Reize (Lonigan & Phillips, 2001). Diese Prädisposition dürfte genetisch übertragen werden, wobei nach den bisherigen Ergebnissen die genetische Determination für depressive und Angststörungen gleich ist und die spezifische Richtung der Entwicklung eher von Umgebungsbedingungen abhängt. Der durch genetische Faktoren erklärte Varianzanteil dürfte etwa ein Drittel ausmachen. Angststörungen gehören nach den Ergebnissen von Zwillingsstudien zu jenen Störungen, bei denen ein relativ großer Anteil der interindividuellen Unterschiede durch die gemeinsamen familiären Bedingungen („shared environmental variance“) erklärt wird. Dabei dürfte v. a. den psychischen Problemen der (depressiv-ängstlichen) Mütter eine große Bedeutung zukommen (Eley, 2001).
Neben der genetischen Veranlagung für Angst im Allgemeinen könnte es auch noch speziellere Anlagen geben, die für einzelne Angststörungen eine besondere Bedeutung haben. Dies wird etwa für die Panikstörung diskutiert, bei der eine besondere Sensibilität von Rezeptoren für Atemmangel dazu prädisponieren könnte, dass Panikattacken ausgelöst werden. Außerdem wird auch eine (genetisch bedingte) stärkere Empfindlichkeit für Ekelgefühle mit der Phobie vor körperlichen Verletzungen und Arztbesuchen (Injektionen etc.) in Zusammenhang gebracht (Muris & Merckelbach, 2001).
Die Prädisposition steht oft im Zusammenhang mit chronischen Belastungen seitens der Umgebung. Manchmal werden Angstzustände durch ein erschreckendes Ereignis ausgelöst (Spitalsaufenthalt, Tod eines Bekannten