1.4.3Substanzgruppen und Nebenwirkungen
Benzodiazepine
Alle Benzodiazepine haben ein ähnliches Wirkspektrum. Die Differenzierung erfolgt hinsichtlich des hauptsächlichen Einsatzgebiets, der Halbwertszeit und der primären Wirkung. Man unterscheidet zwischen vorwiegend angst- und spannungslösend (anxiolytisch) und vorwiegend schlafanstoßend wirkenden Benzodiazepinen. Eine weitere Gruppe wird vorwiegend als Mittel gegen Epilepsie eingesetzt.
Zu den anxiloytisch eingesetzten Benzodiazepinen zählt man Alprazolam (Xanor®), Diazepam (Valium®, Psychopax®, Gewacalm®), Lorazepam (Temesta®), Bromazepam (Lexotanil®) oder Oxazepam (Praxiten®, Anxiolit®).
Als Schlafmittel (Hypnotika) werden Triacolam (Halcion®), Lormetazepam (Noctamid®) oder Flunitrazepam (Somnubene®, Rohypnol®) eingesetzt, wohingegen Clonazepam (Rivotril®) überwiegend als Antikonvulsivum verwendet wird.
Die hautsächliche Nebenwirkung von Benzodiazepinen ist unter Umständen auch die erwünschte Wirkung, nämlich der müde machende (sedierende) Effekt. Bei älteren Menschen kann es dadurch zu Gangunsicherheit und Stürzen kommen. Manchmal besteht bei dieser PatientInnengruppe auch eine paradoxe Reaktion, statt einer Sedierung kommt es zu Unruhe bis hin zu Verwirrtheit oder Erregungszuständen. In höheren Dosen und bei chronischem Gebrauch werden bei älteren Menschen die kognitiven Funktionen beeinträchtigt. Eine längere Einnahme führt auch zu einem Gewöhnungseffekt und infolge zu einem Abhängigkeitssyndrom. Deswegen sollte man Benzodiazepine nicht als Dauermedikament einnehmen, sondern nur in einem begrenzten Zeitraum und unter ärztlicher Kontrolle.
Benzodiazepinähnliche Hypnotika („Non-Benzodiazepin-Hypnotika“) Diese Substanzgruppe unterscheidet sich strukturchemisch von den Benzodiazepinen, bindet jedoch im Gehirn an denselben Stellen. Die Wirkung, aber auch deren Nebenwirkungen mitsamt dem Abhängigkeitspotenzial, sind den Benzodiazepinen ähnlich. Zu der hauptsächlich als Schlafmittel eingesetzten Gruppe zählt man u. a. Zolpidem (Zoldem®, Ivadal®) und Zaleplon (Sonata®).
1.5Antipsychotika (Neuroleptika)
Der früher häufig verwendete Begriff „Neuroleptikum“ wurde mittlerweile durch den international anerkannten Begriff Antipsychotikum ersetzt, der auf die therapeutische Wirkung bei psychotischen Symptomen, wie Wahn oder Halluzinationen, hinweist. Diese chemisch heterogene Gruppe von Medikamenten zur Behandlung von Psychosen wie Schizophrenie gewinnt aber auch bei anderen Krankheitsbildern zunehmend an Bedeutung.
1.5.1Wirkungsweise
Der Wirkmechanismus der einzelnen Antipsychotika ist noch nicht restlos geklärt. Man geht aber von einer starken Beeinflussung bzw. Dämpfung von dopaminerger Überaktivität der Nervenzellen aus. Demnach lagern sich die Pharmaka an Dopaminrezeptoren im Gehirn an, wodurch der Rezeptor durch das Antipsychotikum vorübergehend blockiert wird. Die Blockade führt zu einer Abschwächung der elektrischen Erregbarkeit der Nervenzellen, was klinisch den antipsychotischen Effekt bewirkt. Vereinfacht ausgedrückt, können psychotische Symptome mit einer Überregbarkeit im Dopamin-System gleichgesetzt werden (Dopamin-Hypothese). Die meisten Antipsychotika beeinflussen aber auch andere Neurotransmitter und Rezeptoren und führen somit zu unterschiedlichen klinischen Effekten und Nebenwirkungen.
1.5.2Klinische Anwendung und Indikationen
Das ursprüngliche Einsatzgebiet der Antipsychotika ist die akute Behandlung der Schizophrenie. Vor allem Wahnsymptome, halluzinatorisches Erleben und Erregungszustände lassen sich rasch und effektiv mit dieser Medikamentengruppe behandeln, da gleichzeitig ein reizabschirmender und beruhigender klinischer Effekt besteht. Antipsychotika wirken aber auch prophylaktisch und verhindern Rückfälle von schizophrenen Erkrankungen, wenn sie über einen längeren Zeitraum eingenommen werden. Die Langzeiteinnahme ist möglich, da die Substanzen kein Abhängigkeitspotenzial besitzen. In neuerer Zeit werden manche Antipsychotika auch bei Manien und bei bipolaren Störungen als Phasenprophylaxe eingesetzt. Weitere Indikationen sind u. a. demenzielle Erkrankungen, Alkohol- und drogeninduzierte Psychosen, Verwirrtheitszustände (Delir), Schlafstörungen, Spannungszustände bei Persönlichkeitsstörungen oder affektiven Störungen sowie Schmerzsyndrome. Meist erfolgt die Einnahme von Antipsychotika durch Tabletten (oral), wobei manche Antipsychotika auch in Injektionsform (Ampullen) vorliegen. Zur Rückfallsverhütung von schizophrenen Erkrankungen haben sich auch „Depotformen“ bewährt, die nur alle zwei bis vier Wochen durch Injektion in den Gesäßmuskel verabreicht werden. Die Substanzen, die in einer speziellen Verbindung vorliegen, werden langsam im Laufe von ein bis vier Wochen aus dem Muskel freigesetzt und entfalten so ihre Wirkung (siehe Kapitel VI, 1.7.1).
1.5.3Substanzgruppen und Nebenwirkungen
Die Einteilung von Antipsychotika ist nach verschieden Gesichtspunkten möglich, wie z. B. nach der chemischen Struktur oder der antipsychotischen Wirksamkeit. Letzteres Einteilungsprinzip („neuroleptische Potenz“) unterscheidet hochpotente Antipsychotika, die in mittlerer Dosierung eine gute antipsychotische Wirkung zeigen, von niedrigpotenten, die nur gering antipsychotisch eingestuft werden und vorwiegend eine sedierende Komponente aufweisen. Ebenso lassen sich Antipsychotika in konventionelle ältere und „atypische“ neuere unterteilen.
Konventionelle hochpotente Antipsychotika
Zu dieser Substanzgruppe zählt man vor allem Haloperidol (Haldol®), welches sich durch eine gute antipsychotische Wirksamkeit auszeichnet, aber langfristig zu Bewegungsstörungen (extrapyramidalmotorische Symptome), wie Schlundkrämpfe, starre Mimik, kleinschrittiger Gang und Muskelsteifheit führt. Diese auch als „Parkinsonsyndrom“ bezeichnete Symptomatik war als gefürchtete Nebenwirkung bei der ersten Generation der (konventionellen) Antipsychotika anzutreffen und führte nicht selten zum vorzeitigen Absetzen der Medikamente. Haloperidol ist dennoch ein notwendiges Medikament in der Psychiatrie, das sich bei deliranten Zustandsbildern und Erregungszuständen aufgrund seiner guten Kreislaufverträglichkeit bewährt hat. Zuclopenthixol (Cisordinol®) wird aufgrund des Nebenwirkungsprofils nur mehr sehr selten verabreicht.
Niedrigpotente Antipsychotika
Diese Gruppe von Psychopharmaka wirkt bei mittlerer Dosierung kaum antipsychotisch, jedoch stark sedierend. Diese Substanzen sollen wegen der Nebenwirkungen (Blutdruckabfall, Tachykardie, Atemnot) nur bei starker psychomotorischer Erregung als Zusatzmedikation oder als Schlafmittel verwendet werden. Zu den niedrigpotenten Antipsychotika zählt man Chlorprothixen (Truxal®), Levopromazin (Nozinan®) oder Prothipendyl (Dominal®).
Atypische Antipsychotika
Die Bezeichnung „atypisch“ bezieht sich auf die fehlende Nebenwirkung des Parkinsonsyndroms, das diese Gruppe von Antipsychotika mehr oder weniger auszeichnet. Das erste „Atypikum“, welches keine Bewegungsstörungen (Parkinsonsyndrom) auslöst, ist Clozapin (Leponex®). Es gilt als das wirksamste Medikament in der Behandlung der Schizophrenie, hat jedoch eine Reihe von Nachteilen, weswegen es nur bei therapieresistenten Fällen verwendet werden darf. Neben starker Müdigkeit und Gewichtszunahme ist eine Blutbildveränderung (Leukozytenabfall) als unerwünschte Wirkung möglich. Regelmäßige Blutbildkontrollen sind deswegen notwendig, und bei einem Abfall der Leukozytenzahl im Blut ist das Präparat abzusetzen.
In den letzten Jahren kamen ein Reihe von Weiterentwicklungen von atypischen Antipsychotika auf den Markt, die primär zur Schizophreniebehandlung entwickelt wurden, nun aber ebenso bei bipolaren Störungen, Persönlichkeitsstörungen und Demenzen zum Einsatz kommen sollen. Obwohl diese Medikamente statistisch gesehen weniger Bewegungsstörungen verursachen, sind sie nicht frei