Klaus Paulitsch

Grundlagen der Psychiatrie


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Blutbildveränderungen und bei Frauen zu Störungen der Menstruation sowie Brustvergrößerung mit Milchfluss. Zu den „Atypika“ zählt man neben Clozapin (Leponex®), Risperidon (Risperdal®), Olanzapin (Zyprexa®), Quetiapin (Seroquel®), Amisulprid (Solian®), Ziprasidon (Zeldox®) und Aripiprazol (Abilify®).

      1.6.1Antidementativa

      Antidementativa sind zentralnervös wirksame Substanzen, die Hirnfunktionen wie Konzentration, Lern- und Denkfähigkeit sowie Gedächtnisleistungen verbessern und Beeinträchtigungen von Alltagsaktivitäten verringern sollen. Zielgruppe sind ältere PatientInnen, bei denen ein cerebrales Abbaugeschehen im Sinne einer Demenz vorliegt. Seit mehreren Jahren werden Medikamente eingesetzt, denen man eine Wirksamkeit bei verschiedenen Demenzerkrankungen oder allgemeiner Vergesslichkeit nachsagt, wie beispielsweise Piracetam (Nootropil®), Ginkgo biloba (Tebonin®) oder Flunarizin (Tebofortan®). Für diese gern verabreichten Präparate liegen allerdings keine oder wenige wissenschaftlichen Wirksamkeitsnachweise vor, sodass ExpertInnen mittlerweile keine Empfehlungen für ihren Einsatz abgeben. Zwei Substanzgruppen haben sich jedoch in wissenschaftlichen Studien als wirksam herausgestellt und finden zunehmend Verbreitung: Zur ersten Gruppe gehören die Cholinesterasehemmer, die den bei AlzheimerpatientInnen bestehenden Mangel des Neurotransmitters Acetylcholin ausgleichen und Hirnleistungen verbessern können. In der Regel wird aber nur der Krankheitsverlauf verlangsamt oder sein rasches Fortschreiten nur kurzfristig verzögert. Die Erkrankung selbst kann durch Einnahme dieser Psychopharmaka nicht verhindert werden. Zu den Cholinesterasehemmern zählt man Donezepil (Aricept®), Rivastigmin (Exelon®) und Galanthamin (Reminyl®). Bei der zweiten Gruppe, den Memantinen, liegen ebenso zahlreiche Studien zur Wirksamkeit vor. Das Memantin (Axura®, Ebixa®) beeinflusst den gestörten Stoffwechsel des Neurotransmitters Glutamat und wird zur Behandlung von mittelschweren und schweren Demenzen eingesetzt (siehe Kapitel XIV, 1.5.1).

      1.6.2Psychostimulanzien

      Psychostimulanzien sind psychisch anregende und antriebsstimulierende Arzneimittel, die kurzfristig leistungs- und konzentrationssteigernd wirken, das Hungergefühl unterdrücken und in hohen Dosen eine Euphorie auslösen können. Unkontrollierte Einnahme kann zu einem Abhängigkeitssyndrom führen. Die Wirkung erfolgt durch Beeinflussung des Katecholaminstoffwechsels im synaptischen Spalt mit Erhöhung von Dopamin und Noradrenalin. Zur Gruppe der Stimulanzien zählt man neben Koffein, Nikotin, Kokain oder den Weckaminen (Amphetamine) Medikamente gegen die Aufmerksamkeits-Defizitstörung (ADHS). Diese vor allem bei Kindern und zunehmend auch bei Erwachsenen diagnostizierte Störung zeichnet sich durch gesteigerte Aktivität, Unruhe, erhöhte Ablenkbarkeit und Konzentrationsstörungen aus. Das bekannteste Medikament ist Methylphenidat (Medikinet®, Ritalin®), welches auf noch nicht ganz geklärte Weise zu Beruhigung und Nachlassen der Impulsivität und Hyperaktivität führt. Bei richtiger Indikation ist die klinische Wirkung beeindruckend und die Suchtentwicklung vernachlässigbar. Methylphenidat soll jedoch nur im Rahmen eines Gesamtbehandlungsplans mit Berücksichtigung psychosozialer Bedingungen verabreicht werden (siehe Kapitel XVI).

       2.1Elektrokrampftherapie (EKT)

      Die im Jahre 1938 eingeführte Elektrokrampftherapie basiert auf elektrischer Stimulation des Gehirns mit Auslösen eines generalisierten epileptischen Anfalls. Die Erwartungen an die auch als „Elektroschockbehandlung“ oder „Heilkrampftherapie“ bezeichnete Methode waren durch die bis dahin fehlenden erfolgreichen biologischen Therapieverfahren in der Psychiatrie derart hoch, dass es in den ersten Jahren zu einer raschen Verbreitung und unkritischen Anwendung kam (siehe Kapitel I, 2). In der Nachkriegszeit kam es durch Einführung der Psychopharmaka und später durch den Einfluss der 68er-Bewegung zu einem Rückgang von Elektroschockbehandlungen. Die „Anti-Psychiatrie“ betrachtete die Elektrokrampftherapie als grausame, menschenverachtende Behandlungsmethode und bewirkte in einigen Ländern auch ein Verbot. Die Kritik ist teilweise berechtigt, da bis in die 70er-Jahre der „Elektroschock“ ohne Narkose und ohne Verabreichung von muskelrelaxierenden Medikamenten zu großen epileptischen und schmerzhaften Anfällen mit Zungenbissen und zu Knochenbrüchen führte. Darüber hinaus wurde die Methode in totalitären Staaten auch als politische Folter bei Regimegegnern eingesetzt. Heutzutage gilt jedoch in der modernen Psychiatrie die korrekt durchgeführte Elektrokrampftherapie paradoxerweise als eines der effektivsten, sichersten und nebenwirkungsarmen biologischen Therapieverfahren. Die Behandlung wird mit Einverständnis des Patienten und nur bei wenigen psychischen Störungen durchgeführt. Als Hauptindikationen gelten schwere Depressionen mit psychotischen Symptomen oder akuter Suizidalität, therapieresistente Depressionen und eine Sonderform der Schizophrenie, der „perniziösen Katatonie“, die mit Fieber und Stupor einhergeht und lebensbedrohliche Ausmaße annehmen kann. Die Ansprechrate ist bei depressiven Störungen hoch (zwischen 75% und 95%); selbst bei therapieresistenten Depressionen lässt sich bei 50% der PatientInnen eine deutliche Verbesserung zeigen. Somit kann Erkrankten mit schweren Verläufen auf diese Weise noch geholfen werden. Der Wirkmechanismus basiert auf Beeinflussung der Neurotransmittersysteme, ähnlich der durch Psychopharmaka. Die nur auf einige spezialisierte Kliniken beschränkte Durchführung erfolgt in Kurznarkose und nach Verabreichung von muskelrelaxierenden Medikamenten. Dadurch werden Muskelkrämpfe verhindert, da sich der Anfall nicht im gesamten Körper ausbreiten kann. Die Elektroden werden an den Schläfen platziert, wobei der Patient den Stromimpuls durch die Narkose nicht spürt. In zwei- bis dreitägigen Abständen werden in der Regel sechs bis zwölf Behandlungen durchgeführt. Die Nebenwirkungen sind gering, das größte Risiko birgt die Kurznarkose. Gelegentlich treten Kopfschmerzen oder Gedächtnisstörungen auf, die jedoch vorübergehend sind und durch neuere Techniken (unilaterale Applikation der Elektroden, Kurzimpulse) seltener geworden sind (siehe Kapitel VII, 1.5.1.2).

      Diesem Verfahren liegt die chronobiologische Theorie zugrunde, dass eine Depression auch einer Störung des circadianen Rhythmus entspricht. Der Schlafentzug ist ein Eingriff in den Schlaf-Wach-Zyklus, der in vielen Fällen eine Abnahme der depressiven Symptomatik wie Antriebslosigkeit, psychomotorische Hemmung, Niedergeschlagenheit und schlechte Befindlichkeit bewirkt. Dem Verfahren gingen Beobachtungen voraus, die aufzeigten, dass sich depressive PatientInnen nach einer zufällig durchwachten Nacht am nächsten Tag besser fühlten. Praktisch lässt sich diese Methode als totaler bzw. partieller Schlafentzug durchführen. Beim totalen Schlafentzug ist der Patient aufgefordert, die ganze Nacht über wach zu bleiben („Wachtherapie“), der partielle Schlafentzug findet hingegen nur in der zweiten Nachthälfte, beispielsweise ab 1 Uhr morgens statt. Obwohl Schlaflosigkeit oder gestörtes Schlafverhalten ein Kardinalsymptom der Depression ist, soll der Schlafentzug Linderung der Beschwerden bewirken. Die Therapie kann selbstständig zu Hause oder in der Klinik unter Aufsicht stattfinden. Behandlungen in zwei- bis dreitägigem Abstand sind notwendig. Der Patient muss allerdings hoch motiviert sein und sedierende Medikamente am Vortag absetzen. Die Therapie mit antidepressiv wirkenden Medikamenten sollte aber weitergeführt werden. Die Wirksamkeit dieses nebenwirkungsfreien Verfahrens ist gut belegt, eine nachhaltige Wirkung ist jedoch nicht zu erwarten. Deswegen hat der Schlafentzug in der Depressionsbehandlung zurzeit nur mehr eine geringe Bedeutung (siehe Kapitel VII, 1.5.1.2).

      Der Einfluss von Licht auf die Stimmungslage basiert gleichfalls auf chronobiologischen Faktoren. Beobachtungen haben gezeigt, dass