Hypnose ist vermutlich die älteste Methode der psychotherapeutischen Einflussnahme auf den Menschen. In der modernen Form führt der Therapeut durch Suggestion einen entspannten schlafähnlichen Zustand bei dem Patienten herbei und leitet einen Trancezustand mit Bewusstseinseinengung ein. Durch Veränderung der Willkürmotorik, der vegetativen Funktionen, der Wahrnehmung und des Gedächtnisses kann es zu einem psychophysischen Entspannungszustand kommen. Hypnotische Verfahren haben sich u. a. zur Schmerzbewältigung, bei Tinnitus und bei Angsterkrankungen bewährt. Ob die Methode auch zur Wiedererinnerung traumatischer Erlebnisse genutzt werden soll, ist umstritten, da durch Suggestion bei manchen PatientInnen, z. B. jenen mit Borderline-Persönlichkeitsstörungen, verzerrte und falsche Erinnerungen wachgerufen werden können.
Das Autogene Training (nach Johannes Heinrich Schultz) ist ein einfaches Entspannungsverfahren, bei dem der Patient sich selbst zum „Hypnotiseur“ macht, indem er den Entspannungszustand eigenständig herbeiführt. Durch spezielle Übungen und eigens verwendete Formulierungen („Mein rechter Arm ist ganz schwer …“) kann das vegetative Nervensystem beeinflusst werden. Die Indikationen entsprechen jenen der anderen Entspannungsverfahren.
Bei der progressiven Muskelentspannung (nach Edmund Jacobson) werden die Muskeln willkürlich angespannt und entspannt, was zu einer generellen Entspannung führt und noch leichter als das Autogene Training durchzuführen ist. Dieses meist in der Gruppe praktizierte Verfahren eignet sich für stationäre PatientInnen als Zusatzmethode bei Angsterkrankungen und somatoformen Störungen.
Biofeedback ist eine mit Apparaten unterstütze Methode, bei der vegetative Veränderungen und Vorgänge, wie Atmung, Hauttemperatur, Durchblutung und Muskelspannung, in sicht- oder hörbare Signale umgewandelt und der bewussten Wahrnehmung zugänglich gemacht werden. Ziel ist, dass rückgemeldete Körpersignale in die therapeutisch gewünschte Richtung verändert werden und der Betroffene mehr willentliche Kontrolle über biologische Vorgänge erhält, die für ihn bislang nur schwer beeinfluss- und wahrnehmbar waren. Klinische Anwendungsgebiete sind allgemeine Schmerzen, Spannungskopfschmerzen, Migräne, Schlafstörungen, Herzrhythmusstörungen oder Angsterkrankungen.
3.3.6Sonstige Therapieverfahren
Kunsttherapie ist ebenso ein wirksames Therapieverfahren, bei welchem PatientInnen ohne Verwendung der Sprache innere Wahrnehmungen und Bilder der Psyche ausgestalten können und somit eigenes Erleben und Erkenntnis aktivieren. Gearbeitet wird mit Medien der bildenden Kunst, wie Malen, Zeichnen, Bildhauern, Textil oder Fotografie.
Musiktherapie ist eine kreativitätsbezogene Therapiemethode, die unterschiedliche Formen und Techniken beinhaltet, deren Gemeinsamkeit der Einsatz – sowohl rezeptiv als auch aktiv – von Musik zur Behandlung von psychisch erkrankten Menschen ist. Theoretische Grundlage dieser sehr wirksamen Methode ist die Annahme, dass über vorsprachliche Darstellung unbewusste Prozesse, Ängste oder Motivationen eine Ausdrucksform finden und so wahrgenommen und verarbeitet werden können.
4Ergotherapie und Soziotherapie
4.1Ergotherapie
Der Begriff „Ergotherapie“ wird fälschlicherweise mit Beschäftigungstherapie gleichgesetzt. Ergotherapie ist einerseits ein Oberbegriff für alle Maßnahmen im Rahmen der Arbeits- und Beschäftigungstherapie und anderseits ein spezielles Verfahren, welches dem Patienten kreative Tätigkeit zur Wiedererlangung seiner Alltagsfähigkeiten unter Anleitung ermöglicht. Moderne Ergotherapie beinhaltet daher weit mehr als reine Beschäftigung oder handwerkliche Übungen und betont die handlungsorientierte Interaktion zwischen dem Patienten und seiner Umwelt. In der Krankheitsphase, etwa während einer depressiven Episode, sollen durch Malen, Basteln, Schneidern oder handwerkliche Tätigkeiten Ausdrucks- und Wahrnehmungsmöglichkeiten gefunden werden. Die eigentlichen Ziele der Ergotherapie sind aber das Üben von Alltagstätigkeiten (Haushaltstraining, Kochen, Fahren mit öffentlichen Verkehrsmitteln etc.), das Fördern von Ausdauer, Selbstständigkeit und Konzentration, die Erarbeitung von Kompensationsstrategien sowie die Diagnostik und Befunderhebung von allgemeinen Fähigkeiten. Arbeitstherapie, Belastungserprobung und Freizeitaktivitäten mit PatientInnen sind weitere Aufgaben der Berufsgruppe der ErgotherapeutInnen. Die Therapie, welche sowohl als einzelfall- als auch als gruppenbezogene Behandlung durchgeführt werden kann, ist im stationären, teilstationären und ambulanten Bereich eine etablierte Methode der modernen Psychiatrie und stellt ein Basisprogramm für alle psychischen Störungen dar.
4.2Soziotherapie
Neben der Psychopharmakotherapie und der Psychotherapie stellt „Soziotherapie“ die dritte Behandlungssäule der Psychiatrie dar. Soziotherapie sind alle Verfahren oder Methoden, die in erster Linie die Umgebung und die interaktiven Prozesse von PatientInnen fokussieren. Eine schwere psychische Störung wie eine Schizophrenie oder Demenz stellt immer auch ein soziales Problem für den Betroffenen selbst und dessen Angehörige dar. Da zwischenmenschliche Beziehungen und die soziale Umgebung wesentliche Faktoren für den Verlauf psychischer Störungen sind, sind soziotherapeutische Maßnahmen entscheidend, um dem sozialen Abstieg vorzubeugen, ihn zu bremsen oder gänzlich anzuhalten. Durch soziale Aktivitäten sollen die Fähigkeiten zu Kommunikation und eigenverantwortlichem Handeln gefördert werden. Der Begriff „Soziotherapie“ umfasst neben den bereits erwähnten Maßnahmen vor allem die psychiatrische Rehabilitation. Hier besteht das Ziel einer Wiedereingliederung in die Gesellschaft von Menschen mit Behinderungen und/oder psychischen Störungen, d. h. einer Rehabilitation in eine geregelte Tagesstruktur oder im günstigsten Fall in Erwerbstätigkeit und Beruf. Obwohl fast alle Berufsgruppen in psychiatrischen Institutionen an soziotherapeutischen Handlungen beteiligt sind, zeichnen sich SozialarbeiterInnen mit der größten Fachkompetenz auf diesem Gebiet aus. Existenzsichernde Maßnahmen sowie materielle, soziale und berufliche Hilfestellungen werden etwa durch Einbeziehung der Familie oder Begleitung bei Ämter- und Behördengängen gegeben. Zum Bereich des Tätigkeitsprofils von SozialarbeiterInnen gehören auch Pflegeheimunterbringungen, Abklären von Pensionsansprüchen, Kontaktaufnahme mit Arbeitgebern, Hilfe bei Wohnungssuche, das Stellen von Rehabilitationsanträgen etc.
IVUrsachen von psychischen Störungen
A. Karwautz
In diesem Kapitel sollen
1.Grundbegriffe der Ursachenlehre erklärt,
2.die bekannten Ursachen bzw. Vorbedingungen psychischer Störungen dargestellt und
3.Modelle, mit denen versucht wird, die bekannten, zur Entstehung der Störungen beitragenden Faktoren in Zusammenhängen zu erfassen, beschrieben werden.
Grundsätzlich ist festzuhalten: Die Ursachen fast aller psychischer Störungen sind weitgehend unbekannt. Psychiatrische Störungen werden als komplexe Erkrankungen verstanden, die verschiedene Ursachenfelder in ihrer Vorgeschichte vereinen. Diese tragen unterschiedlich stark dazu bei, dass eine Person erkrankt.
1Begriffsdefinition
Die Pathogenese (von griech. pathos, das Leiden, Erleiden und griech. genesis, Entstehung) beschreibt die Mechanismen, wie jemand erkrankt. Pathogenetische Modelle beziehen alle relevanten Faktoren ein, die zur Entstehung einer Krankheit beitragen und setzen sie in Beziehung zueinander.
Die Pathoplastik (von griech. pathos, das Leiden, Erleiden und griech. plastein, formen, bilden) beschreibt diejenigen Faktoren, die eine Erkrankung im Verlauf und in ihrer Ausprägung und individuellen Gestaltung formen (z. B. wirken Persönlichkeit, Lebenssituation und die Qualität sozialer Beziehungen pathoplastisch auf den Verlauf der Erkrankung).
Die Ätiologie (griech. ätia, Ursache und griech. logos, Lehre) beschreibt