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Nachhaltigkeit interdisziplinär


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geordnete Bahnen zu lenken. Zentrale Eckpfeiler dieser Ressourcenpolitik im Dienste von staatlichem und sozialem Forstschritt sind eine rechtliche Verregelung und v. a. die bürokratische Verwaltung und Planbarkeit unter Vermeidung unkontrollierbarer Risiken.

      Die Nachhaltigkeitsvorstellungen entwickeln sich im Rahmen einer staatlich bzw. herrschaftlich organisierten Forstwirtschaft, und es ist entscheidend, den Paradigmenwechsel in der Waldwirtschaft vom Prinzip der Erfüllung grundlegender Bedürfnisse („Nothdurft“) der lokalen Bevölkerung hin zur effektiven Sicherstellung von Wohlstand eines bestimmten politischen Territoriums (im Sinne einer Rechtsund Wirtschaftseinheit) wahrzunehmen (Hölzl 2010). Im Zuge dieses Wandels des Ordnungsrahmens, der sämtliche Waldungen betrifft, spielt der Begriff der Nachhaltigkeit eine zentrale Rolle auch im Rahmen der zugleich stattfindenden Professio-nalisierung bzw. „Verwissenschaftlichung“ der Waldbewirtschaftung, der eine ganz neue Expertokratie professioneller und zugleich mit hoheitlichen und polizeilichen Aufgaben betrauter Staatsbeamter schafft. Beginnend im 18. Jahrhundert, spätestens dann Mitte des 19. Jahrhunderts zeigt sich flächendeckend die Bedeutung der „wissenschaftlichen“ Waldbewirtschaftung für Nachhaltigkeitsvorstellungen – und umgekehrt: der Nachhaltigkeitsidee für die professionelle Gestaltung und Kontrolle herrschaftlicher Waldungen.

      Die Geschichte der Verwendung des Nachhaltigkeitsbegriffes in der Forst- und Holzwirtschaft, die im 18. Jahrhundert beginnt, ist durch eine große Vielfalt und auch Vieldeutigkeit gekennzeichnet und weist keinen einheitlichen Bedeutungskern bzw. Begriffsinhalt und -umfang auf.3 Es wandeln sich bis zum heutigen Tag die Inhalte und Vorstellungen darüber, was als nachhaltige Waldwirtschaft zu verstehen ist und welche Forderungen an zukunftsfähiges Handeln daraus abzuleiten sind. Im Laufe der Zeit ist in unterschiedlichen Taxonomien und Terminologien4 zwischen der Nachhaltigkeit „der Holzerzeugung“, „der Holzerträge“, „der Erhaltung der Waldfläche“, „des Holzertragsvermögens“, „der Gelderträge“, „der Waldfunktionen“, „der landeskulturellen Leistungen“ oder „sämtlicher Wirkungen des Waldes“ unterschieden worden – grundsätzlich variieren dabei sowohl die räumlichen Bezugseinheiten und betrachteten Zeiträume als auch die zu erhaltende bzw. in der Zukunft bereitzustellende Leistung (z. B. der Holzertrag oder der Geldertrag). Ideengeschichtliche Studien, die sich mit den in forstlichen Bewirtschaftungskonzepten implizit enthaltenen Ideal- und Leitvorstellungen von Wald- und Forstwirtschaft befassen, können jedoch zeigen, dass hinter den unterschiedlichen Nachhaltigkeitsdefinitionen jeweils gänzlich verschiedenartige, tief verwurzelte Wertvorstellungen und Ziele stehen: Dies wird besonders gut an der jeweils eigenen Metaphorik der Konzepte erkennbar (z. B. organismische vs. architektonische Waldbilder; Pflege- vs. Lenkungsvorstellungen etc.), die sich zwar allesamt auf Nachhaltigkeit als zentrales Bewirtschaftungsprinzip beziehen, hinsichtlich zentraler Leitvorstellungen über Wesen und Charakteristik von Wald, Aufgaben und Strategien der Waldbewirtschaftung sowie dem Selbstverständnis der organisierten Forstwirtschaft aber deutlich unterscheiden (Detten 2001). Die Pluralität der unterschiedlichen forstlichen Nachhaltigkeitsbegriffe bezieht sich dabei nicht nur auf die Bestimmungskriterien und Indikatoren, sondern bereits auf die Rahmung, d. h. die Wahrnehmung und Beschreibung des Bewirtschaftungs- oder Entscheidungsproblems, zu dessen Lösung das Kriterium der Nachhaltigkeit herangezogen wird.

      Auf den gleichen Sachverhalt verweisen Studien, die exemplarisch gezeigt haben, dass auch zum gleichen historischen Zeitpunkt innerhalb eher homogener Berufsgruppen (Forstbeamte) die Bedeutungsinhalte der Nachhaltigkeitsvorstellungen mit individuell unterschiedlichen Naturverständnissen („myths of nature“) bzw. Werthaltungen gekoppelt sind, die im Hintergrund wirksam werden, aber für Wahrnehmung und Entscheidungsverhalten relevant sind (Schanz 1994, 1996).

      Nachhaltigkeit vs. nachhaltige Entwicklung: Übertragung und Rückübertragung

      Nachdem der Nachhaltigkeitsbegriff über 200 Jahre hinweg im Wesentlichen in der Forst- und Fischereiwirtschaft eine Rolle spielte und dann auch auf steuerliche Abschreibungsmechanismen bezogen wurde (Grunwald/Kopfmüller 2006: 16), ergab sein Einzug in die internationale Umweltpolitik eine entscheidende Zäsur. Im Jahr 1972 wird die Nachhaltigkeit im Bericht Die Grenzen des Wachstums des Club of Rome erstmals an prominenter Stelle erwähnt und in der Folge der ersten großen UN-Umweltkonferenz von 1972 im Rahmen des dort gegründeten Umweltprogramms zu einem der zentralen Entwicklungsziele der Vereinten Nationen erklärt. Nach dem Brundtland-Bericht Unsere gemeinsame Zukunft aus dem Jahr 1987 ist es dann insbesondere die UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung in Rio de Janeiro 1992, die den Begriff der Nachhaltigkeit in das Konzept der nachhaltigen Entwicklung überführt und in der Agenda 21 konkretisiert:

      Nachhaltige Entwicklung bedingt zwar nachhaltige Naturnutzung, beinhaltet darüber hinaus aber auch eine wirtschaftliche und gesellschaftliche (d. h. soziale, kulturelle, entwicklungspolitische usw.) Entwicklung, welche in umfassender Weise die Bedürfnisse der gegenwärtig lebenden Generation befriedigt, ohne die Fähigkeit zukünftiger Generationen zu gefährden, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen. (Höltermann/Oesten 2001: 44)

      Auch wenn die Begriffe „nachhaltige Entwicklung“ und „Nachhaltigkeit“ häufig synonym verwendet werden und eine ungebrochene Linie der Kontinuität zumindest implizit gezogen wird: Forstliche Nachhaltigkeit ist klar gegen die ungleich umfassendere und komplexere „nachhaltige Entwicklung“ abzugrenzen, die über den Aspekt der Naturnutzung hinaus auch die wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung umfasst. In neueren Veröffentlichungen zur Nachhaltigkeit wird der Kern des Konzepts außerhalb des engeren forstlichen Kontextes als ethisches Leitbild der Zukunftsverantwortung im Sinne einer intragenerativ-globalen und intergenerativen Gerechtigkeit gesehen (Grunwald 2004: 314). Im Rahmen des Begriffs der nachhaltigen Entwicklung mit den drei Säulen einer ökologischen, ökonomischen und sozialen Nachhaltigkeit hat sich der gesamtgesellschaftliche Nachhaltigkeitsdiskurs damit in der weitest denkbaren Weise vom ursprünglich auf die Nachhaltigkeit der Holzerzeugung zielenden, ökonomischen Begriffsverständnis von Carlowitz entfernt.

      Der gesamtgesellschaftliche Diskurs um nachhaltige Entwicklung führte zu einer Rückübertragung des Nachhaltigkeitsbegriffs in den Forstbereich und seine Fachsprache. Das seit dem Brundtland-Report etablierte Drei-Säulen-Modell der Nachhaltigkeit ist nun auch im Forstbereich zu einem Standarddenkmodell geworden und findet sich nicht nur in sämtlichen Zielsystemen von Landesforstverwaltungen, kommunalen oder privaten Forstbetrieben, sondern grundiert auch die strategische Kommunikation und Rhetorik.5 Daher ist es schwierig, für die zurückliegende Dekade von einem verbindenden Grundverständnis einer spezifisch ‚forstlichen Nachhaltigkeit‘ zu sprechen.

      Im Rückblick wird erkennbar, dass in der Geschichte der Verwendung des Nachhaltigkeitsbegriffs in der Forstwirtschaft und außerhalb nicht einfach nur ein Wandel von Kriterien bzw. mit dem Begriff verbundenen Ansprüchen zu erkennen ist, sondern eine Addition immer neuer Bedeutungsebenen stattgefunden hat, der Begriff durch diese Ausweitung zum Universalprinzip geworden ist und damit jeglicher Definition (verstanden als „Begrenzung“) enthoben wurde. In den dadurch entstandenen Freiräumen, so könnte man mit einer Umbewertung als sog. „Grenzbegriff“ oder „Grenzkonzept“6 einwenden, hat der Begriff der Nachhaltigkeit erst seine wahre, nunmehr globale Bestimmung gefunden und gewährleistet, dass mehr denn je über eine zukunftsorientierte und -fähige Ressourcennutzung gesprochen und diskutiert wird.

      Forstliche Nachhaltigkeit: Verwendungsweisen und Funktionen

      Für die Verwendung des Nachhaltigkeitsbegriffs in der Forstwirtschaft in Geschichte und Gegenwart bedeutet die beschriebene Entgrenzung und Ausweitung v. a. auf unterschiedlichste komplementäre, aber auch konkurrierende Ziele (z. B. Holzerzeugung, Sicherung der Erholungsfunktion der Wälder sowie den Erhalt der natürlichen Ressourcen zur Sicherung seiner Schutzwirkungen, etwa für Biodiversität, Wasserqualität oder Klima), dass der Charakter dieses Begriffs als eines Fachterminus nur noch für seltene Einzelfälle besteht.

      Im Sinne eines Kriteriums oder einer Eigenschaft („nachhaltige Forstwirtschaft“)