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Naturphilosophie


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und Newtons Anhänger Samuel Clarke (1675–1729) zeigt (Leibniz/Clarke 1715/16) (→ II.4).

      2.2 Empirismus

      Die britischen Empiristen sehen den Ursprung aller Erkenntnis in der Erfahrung; seit Francis Bacon (1561–1626) berufen sie sich dabei auf die Experimente der Naturwissenschaften. Trotz der gemeinsamen erkenntnistheoretischen Überzeugung vertreten auch die Empiristen sehr unterschiedliche metaphysische Auffassungen, die vom Materialismus (Hobbes) über einen Dualismus (Locke) bis zum Idealismus (Berkeley) reichen.

      Hobbes (1655) begründet den neuzeitlichen Materialismus, der an den antiken Atomismus anknüpft und sich in der französischen Aufklärung fortsetzt (La Mettrie 1748). Für die Materialisten des 17. und 18. Jhs. ist das Gehirn des Menschen |36|eine Rechenmaschine, die nach denselben mathematischen Gesetzen funktioniert wie der Weltlauf und darum zu objektiver Erkenntnis fähig ist. Locke (1689) entwickelt eine umfassende empiristische Theorie des menschlichen Verstands und seiner Fähigkeiten, in der er zwar die Lehre der angeborenen Ideen von Descartes kritisiert, aber einige rationalistische Auffassungen beibehält. Er vertritt einen Dualismus von Geist und Materie und führt einen physiko-theologischen Gottesbeweis, wonach der Mensch in den Naturwissenschaften nur so viel von der göttlichen Weltordnung erkennt, wie er benötigt, um aus der Beschaffenheit der Natur auf ihren göttlichen Ursprung zu schließen. Locke ist Atomist, wenn er auch die Existenz der Atome, weil sie prinzipiell nicht beobachtbar sind, für unbeweisbar hält. Eine monistische Gegenposition zum Materialismus stellt der Idealismus von Berkeley (1710) dar; er verbindet eine empiristische Erkenntnistheorie mit der theologischen Auffassung, die materielle Welt existiere nur in Form von Gedanken Gottes.

      Erst Hume (1748) macht mit dem Empirismus Ernst, indem er sich von sämtlichen metaphysischen Auffassungen verabschiedet und eine radikale empiristische Skepsis gegenüber allen (vermeintlich gesetzmäßigen) Kausalitäten ausdrückt. Nach ihm ist die Verknüpfung von Ursache und Wirkung nicht etwas objektiv in der Natur Vorhandenes, sondern lediglich unsere subjektive Gewohnheit, regelmäßig aufeinander folgende Ereignisse zu verknüpfen; dasselbe gilt für Naturgesetze, einschließlich der Gesetze der Physik. Seine Regularitätsauffassung der Kausalität und der Naturgesetze ist bis heute einflussreich.

      3. Natur als Gesetzeszusammenhang der Erfahrung: Kant

      Angesichts der widerstreitenden metaphysischen Positionen seiner Vorgänger will Kant die Naturerkenntnis und ihre Tragweite vernunftkritisch absichern. Seine Kritik der reinen Vernunft (Kant 1781/1787) soll das System einer Metaphysik der Natur begründen, in dem die Grundbegriffe der Physik Newtons, nicht aber die traditionellen metaphysischen Ideen von Gott, der unsterblichen Seele und der Welt im Ganzen zu objektiver Erkenntnis führen (vgl. Mohr/Willaschek 2012).

      Mit Kants Theorie der Natur gewinnt die Naturphilosophie Eigenständigkeit gegenüber der Physik. Bei ihm ist Naturphilosophie nicht mehr (wie bei Galilei, Descartes oder Newton) identisch mit Physik bzw. exakter Naturwissenschaft, sondern soll deren metaphysische Voraussetzungen klären und dabei ein begriffliches Grundgerüst für die mathematische Physik liefern (Kant 1786). Kants Naturphilosophie ist viel facettenreicher als die seiner Vorgänger; sie lässt Raum für unterschiedliche Interpretationen. Das im Folgenden dargestellte Kant-Verständnis ist geprägt durch die Auffassungen der Verfasserin dieses Kapitels (Falkenburg 2000). Kants Erkenntnisideale bleiben in vielem der Physik Newtons und dem rationalistischen Zeitgeist verpflichtet. Seine Theorie der Natur zielt aber auch darauf, das Verhältnis zwischen mathematischer und nicht-mathematischer Naturwissenschaft zu untersuchen, und dabei den Ort der Biologie im System der Wissenschaften zu bestimmen.

      |37|3.1 Kants Naturbegriff

      Nach Kant ist die Natur ein Gesetzeszusammenhang von Sinneserfahrungen (→ II.1). Anders als seine rationalistischen Vorgänger, und beeinflusst u.a. durch Hume, betrachtet er die Naturgesetze – etwa das Kausalprinzip, nach dem jede gegebene Wirkung eine Ursache hat – nicht als objektive Strukturen in der Natur, sondern als subjektive (Denk-)Notwendigkeit, die Einzelerfahrungen zu verknüpfen bzw. für jede in der Natur beobachtete Wirkung nach ihrer Ursache zu fragen. Das Kausalgesetz hat damit nicht mehr den Status einer Tatsachenbehauptung, sondern denjenigen eines methodologischen („regulativen“) Prinzips, nach dem wir unsere Erfahrung strukturieren und aufeinanderfolgende Ereignisse in eine objektive Zeitordnung bringen. Im Gegensatz zum Empirismus Humes tun wir dies Kant zufolge aber nicht nur aufgrund einer subjektiven, psychologisch begründeten Gewohnheit, die durch Erfahrung gelernt ist, sondern aufgrund einer Denknotwendigkeit, die konstitutiv dafür ist, dass wir überhaupt erst Erfahrungen machen können. Nach Kant treibt sie uns aber auch dazu an metaphysische Fragen zu verfolgen, die über die Grenzen der möglichen Verstandeserkenntnis hinausgehen (vgl. Abschn. 3.3–3.4). Das Kausalprinzip, der Substanzbegriff und andere Verstandeskategorien sind für Kant Bedingungen a priori der Möglichkeit von Erfahrung. Die Kritik der reinen Vernunft soll ihre Anwendungsbedingungen klären und die Grenzen des objektiven Verstandesgebrauchs abstecken.

      Neu an Kants Erkenntnistheorie ist die Auffassung, dass in der Naturerkenntnis a priori zwei unterschiedliche Faktoren der Erkenntnis zusammenwirken: Anschauung und Verstand. Die Inhalte der Sinneswahrnehmung werden in die Anschauung a priori von Raum und Zeit aufgenommen und erst mittels der Kategorien (reine Verstandesbegriffe wie Einheit und Vielheit, extensive und intensive Größen, Substanz und Kausalität) zur Erfahrung zusammengefügt („synthetisiert“), wobei die Einheit des Denkens („synthetische Einheit der Apperzeption“) eine große Rolle in Kants Erkenntnistheorie spielt.

      Kant bringt damit die Auffassungen seiner rationalistischen und empiristischen Vorgänger wie folgt zusammen: Aus rationalistischer Sicht beruht die Erkenntnis auf dem Verstand und bezieht ihre Gewissheit aus Methodenidealen der Mathematik; aus empiristischer Sicht beruht sie auf Sinneswahrnehmung bzw. Erfahrung. Nach Kant arbeiten Verstand und Wahrnehmungsvermögen zusammen, wobei die reinen Formen der Anschauung, Raum und Zeit, das Bindeglied bilden, welches den reinen Verstandesbegriffen Sinn und Bedeutung verleiht. Die Natur ist danach nicht vom Erkenntnisvermögen unabhängig, sondern sie wird durch unsere Erkenntnis vorstrukturiert, in Form von allgemeinen Naturgesetzen, die der Erfahrung genauso wie der mathematischen Physik zugrunde liegen.

      3.2 Naturgesetze

      Kants Erkenntnistheorie begründet auf diese Weise eine Theorie der Natur, nach der die gesetzmäßige Struktur der Natur grundsätzlich identisch ist mit der Struktur unserer Erfahrung (→ II.7). Sie umfasst drei allgemeine Naturgesetze: (i) den Satz von der Beharrlichkeit der Substanz, nach dem wir die Dinge als Träger von konstanten, |38|dauerhaften Eigenschaften denken; (ii) das Kausalprinzip, nach dem wir Ereignisse entsprechend dem Gesetz von Ursache und Wirkung verknüpfen, und (iii) ein Prinzip der Wechselwirkung, nach dem alles, was wir zugleich im Raum wahrnehmen, in durchgängiger Wechselwirkung steht (Kant 1781/1787: A176 ff./B218 ff.).

      Diese allgemeinen Naturgesetze sind auf die mathematische Physik zugeschnitten, genauer: auf die Grundbegriffe von Newtons Mechanik, wie das Werk Metaphysische Anfangsgründe der Naturwissenschaft (Kant 1786) zeigt. Dort leitet Kant aus den allgemeinen Naturgesetzen der Kritik der reinen Vernunft u.a. einen Massenerhaltungssatz, Newtons Trägheitsgesetz sowie die Konstitution der Materie durch zwei Grundkräfte her. Diese Herleitung erfolgt a priori aus den formalen Aspekten von Kants Naturbegriff, d.h. aus den oben skizzierten allgemeinen Naturgesetzen und der bloßen Annahme, dass es überhaupt etwas in Raum und Zeit gibt, was Gegenstand des „äußeren Sinns“ bzw. unserer Sinneswahrnehmung ist.

      3.3 Die Vernunftkritik

      In der „transzendentalen Dialektik“ der Kritik der reinen Vernunft kritisiert Kant die traditionellen metaphysischen Konzepte einer unsterblichen Seele, der Welt im Ganzen und des Gottesbegriffs. Sie sind für ihn spekulative Vernunftideen, mit denen sich die Vernunft in ihrem metaphysischen Bedürfnis übersteigt, insofern sie den reinen Verstandesgebrauch in unzulässiger Weise auf erfahrungstranszendente Bereiche ausweitet. Die Bildung dieser Begriffe übersteigt die Grenzen objektiver Erkenntnis und gaukelt dem Denken Gegenstände vor,