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Sprachtherapie mit Kindern


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Kinder (TPT) Nur der TPT erfüllt die aktuellen internationalen Richtlinien für die Konzeption eines Aussprachetests. Ebenfalls liegen nur für den TPT erste Normierungen vor (Albrecht et al., in Vorbereitung). Die anderen Materialien können nur zur Orientierung, nicht aber zur Erstellung einer sprachtherapeutischen Diagnose dienen.

      Daher bleibt eine eindeutige Diagnose für türkisch-deutsch bilinguale Kinder schwierig. Es ist Sprachtherapeuten momentan kaum möglich, eine auffällige phonetisch-phonologische Entwicklung bei mehrsprachigen Kindern von einer unauffälligen zu unterscheiden (Neumann et al. 2016). Es wird deutlich, dass spezifische Herausforderungen in der Diagnostik und Therapie von Aussprachestörungen bei mehrsprachigen Kindern vorherrschen. Zu diesen gehören explizit das mangelnde Wissen über den typischen Phonologieerwerb bei mehrsprachigen Kindern und über die Interferenz der phonologischen Systeme der Erst- und Zweitsprache (Kannengieser 2015). Als problematisch kann auch die unzureichende Berücksichtigung der individuellen Spracherwerbsbiografien (simultan-bilingual vs. sukzessiv-bilingual) in den erhältlichen Erhebungsverfahren gesehen werden sowie die unzureichende spezifische Qualifikation der Sprachtherapeuten in der Praxis (Fox-Boyer / Salgert 2014).

      3.10 Diagnostisches Vorgehen bei verbaler Entwicklungsdyspraxie

      ■ Untersuchung der oro-motorischen Funktionen inklusive der Diadochokinese,

      ■ Untersuchung der Prosodie im Hinblick auf Wortbetonungsmuster und Intonation sowie

      ■ Untersuchung allgemeiner Sprachkompetenzen.

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      Korntheuer, P., Gumpert, M., Vogt, S. (2014): Anamnese in der Sprachtherapie. Ernst Reinhardt, München / Basel

      Zusammenfassung

      Auf der Basis einer ICF-orientierten Anamnese sollten Hypothesen über die vorliegende Problematik aufgestellt werden. Aus diesen Hypothesen lassen sich die diagnostischen Schritte ableiten. Das zentrale Untersuchungsinstrument, das in jedem Fall angewendet werden sollte, ist eine direkte Untersuchung der Aussprache. In der Regel wird hierfür ein Bilderbenennverfahren durchgeführt. Nicht alle Verfahren, die deutschsprachigen Sprachtherapeuten zur Verfügung stehen, berücksichtigen allerdings alle Kriterien, die laut Literatur berücksichtigt werden sollten, damit eine verlässliche Diagnose erstellt werden kann. Die routinemäßig verwendeten Verfahren sind daher von ihren Anwendern kritisch zu betrachten.

      4 Therapie

      Obwohl Therapeuten und Medizinern bekannt war, dass Kinder mit Aussprachestörungen keine homogene Gruppe darstellen, wurde bis zum Jahr 2000 in Deutschland fast ausschließlich der Ansatz der „klassischen Artikulationstherapie“ nach Van Riper (1963) gelehrt und durchgeführt. Dies führte dazu, dass die Therapie von Aussprachestörungen in vielen Fällen sehr langwierig, uneffektiv oder sogar unwirksamen war.

      Erst Mitte der 1990er Jahre und vor allem mit Beginn des 21. Jahrhunderts setzten sich mehr und mehr phonologische Therapieansätze durch. Die Möglichkeit der Differenzialdiagnostik, zahlreiche Veröffentlichungen über Therapieansätze und deren Wirksamkeitsnachweise bedeuten für Kinder mit Aussprachestörungen im Jahr 2017, dass ihnen schneller und wirksamer geholfen werden kann. Für die Therapeuten bedeuten die neuen Erkenntnisse jedoch die notwendige Auseinandersetzung mit kontinuierlich neuem Wissen, mehr diagnostischen Schritten, vielfältigen Therapieansätzen und individualisierten Entscheidungen pro Klient. Unterstützung finden sie in mehreren internationalen Werken aus dem angloamerikanischen Raum, die die häufigsten verwendeten Ansätze, deren Einsatzgebiete und (wenn vorhanden) deren Effektivitätsnachweise für das Englische vorstellen (Bowen 2009, Williams et al. 2010, Bankson et al. 2013, McLeod / Baker 2017). Für den deutschsprachigen Raum liegen diese Informationen in Fox-Boyer et al. (2014b) vor. Das folgende Kapitel beschreibt die in Deutschland gängigen Therapieverfahren für die verschiedenen Formen der Aussprachestörungen. Ein besonderer Schwerpunkt liegt auf einer praktischen Veranschaulichung der verschiedenen phonologischen Ansätze.

      4.1 Motorisch orientierte Therapieansätze

      Zielsetzung Die Zielstellung der Artikulationstherapie ist die zu 100 % korrekte Realisation der betroffenen Phone, isoliert und in jeglichem linguistischen Kontext, vor allem aber in der Spontansprache.

      Therapie nach Van Riper Die klassische Artikulationstherapie wurde von Van Riper zuerst 1939 beschrieben (Van Riper 1939, Van Riper / Irwin 1953). Sie hat ihre Wurzeln in der bis in die 1970er Jahre hinein vertretenen Annahme, kindliche Aussprachestörungen seien in erster Linie Störungen der Artikulation (Elbert 1997). Nach damaliger Auffassung handelte es sich um ein eher peripheres motorisches Problem. Man vermutete, der Aussprachestörung lägen entweder eine sprechmotorische Ungeschicklichkeit zugrunde, welche letztlich auf eine verzögerte neuronale Reifung zurückgeführt wurde, oder Defizite in der auditiven Wahrnehmung von Sprachlauten. Van Riper und Emerick (1984) fassten den Ansatz folgendermaßen zusammen:

      „Die traditionelle Artikulationstherapie kennzeichnet sich durch die Abfolge von folgenden Aktivitäten: (1) sensorisch-perzeptives (Hör-)Training zur Identifikation des Standardlautes und dessen Diskrimination von der Fehlproduktion durch das Beobachten (scanning) und das Vergleichen; (2) Variation und Korrektur der verschiedenen Produktionen des Lautes, bis dieser korrekt produziert werden kann; (3) Stärkung und Stabilisierung der korrekten Produktion; und (4) schließlich Transfer der neuen artikulatorischen Kompetenzen in die Alltagskommunikation. Dieser Prozess wird normalerweise zunächst auf der isolierten Lautebene begonnen, dann auf der Silben- (CV, VC, CVC), Wort- und schließlich der Satzebene durchgeführt“ (Van Riper / Emerick 1984, 206).

      Hörtraining Im Rahmen des Hörtrainings (auditory bombardment) soll das Kind in die Lage versetzt werden, ein Zielphon in jeglichem noch so minimalen Kontrast zu erkennen. Dem Kind werden zunächst einzelne Phone vorgesprochen und es soll entscheiden, ob es sich bei dem jeweiligen Phon um das Zielphon handelt. Dabei wird zunächst in großer Opposition gearbeitet, was bedeutet, dass das Zielphon in Kontrast zu einem möglichst unterschiedlichen Phon (Unterscheidung in den drei Merkmalen Artikulationsort, Artikulationsart, Stimme) erkannt werden soll (z. B. Zielphon: / s / ; große Opposition: / k / , / l / oder Vokale). Gelingt dies dem Kind, so wird in kleinerer Opposition gearbeitet, was bedeutet, dass sich Zielphon und Kontrastphon nur in zwei Merkmalen unterscheiden (z. B. Zielphon: / s / ; mittlere Opposition: / f / ). Der kleinste Oppositionskontrast bedeutet, dass sich Zielphon und Kontrastphon nur noch in einem Merkmal unterscheiden (z. B. Zielphon: / s / ; minimale Opposition: / z / , / θ / ). Diese Oppositionshierarchie wird auf jeder linguistischen Ebene, dem isolierten Laut, der Silbenebene (CV-Abfolgen), der Wort-, Satz- und Textebene eingehalten.

      Van Riper / Emerick (1984) und andere Autoren (z. B. Winitz 1975) sprechen sich dafür aus, das Hörtraining immer der Lautproduktion vorausgehen zu lassen. Dies bestätigten Wolfe et al. (2003), indem sie ein reines Produktionstraining mit einer Kombination aus Produktions- und Hörtraining bei Kindern verglichen, die vor der Behandlung Schwierigkeiten hatten, die Ziellaute korrekt