(Rvachew 1994, Wolfe et al. 2003) konnten die Effektivität der Artikulationstherapie zeigen. Allerdings konstatierten andere Studien (Klein 1996, Pamplona et al. 1999, Teutsch / Fox 2004), dass Kinder mit phonologischer Aussprachestörung mithilfe der klassischen Artikulationstherapie geringere Fortschritte machten und eine längere Therapiedauer benötigten als Kinder, die eine phonologische Therapie erhielten.
4.2 Phonologische Therapie
Zielgruppe Zielgruppe für die phonologische Therapie sind Kinder, die die bedeutungsunterscheidenden Kontraste zwischen Lauten ihrer Muttersprache nicht korrekt realisieren. Dies ist sowohl bei der phonologischen Verzögerung, als auch bei der konsequenten phonologischen Störung der Fall.
Bei einer phonologischen Verzögerung sollte mit der Behandlung frühestens sechs Monate nach dem Überwindungszeitraum für den jeweils betroffenen Prozess begonnen werden. Bei kleineren Kindern bis zum Alter von fünf Jahren konnte gezeigt werden, dass bei einer Verzögerung von sechs bis neun Monaten häufig eine spontane Überwindung der Symptomatik auftritt (Brodbeck / Fox 2016). Ab dem Alter von fünf Jahren ist eine solche spontane Remission eher selten.
Bei Vorliegen einer konsequenten phonologischen Störung sollte schnellstmöglich nach der Aufdeckung der Problematik mit der Behandlung begonnen werden, im günstigsten Fall im Alter von 3;6 bis 3;11 Jahren. Zu diesem Zeitpunkt haben die Kinder meist noch kein ausgeprägtes Störungsbewusstsein entwickelt, so dass sie therapeutischen Schritten gegenüber eher aufgeschlossen sind. Je älter die Kinder werden, desto größer ist das Risiko, dass sie ein negatives Störungsbewusstsein aufweisen können, was sich dann in Form von Rückzug, Wut, Schweigen, Verweigerung äußern kann (Zollinger 2008). Je länger Kinder an eine pathologische Realisation von Lauten gewöhnt sind, desto schwieriger wird es, die antrainierten Muster auch im spontanen Sprechen zu überwinden. Auch aus diesem Grund ist eine frühzeitige Therapie angebracht.
Zielsetzung Ziel der phonologischen Therapie ist es, dem Kind die nicht realisierten Lautkontraste in der Therapie zu vermitteln, so dass es sein eigenes Sprechen verändert. Das Kind soll lernen, die Kontraste wahrzunehmen. Es soll sich in der Realisation der Kontraste erproben und schließlich eine Generalisierung des Erlernten vornehmen. Dabei ist die phonetisch korrekte Realisation von Lauten nicht notwendigerweise von Bedeutung, d. h., eine Therapie kann auch erfolgreich sein, wenn ein Kind nach Überwindung einer Plosivierung ein interdentales anstatt eines alveolaren / s / bildet.
phonologische Therapieansätze In der Literatur werden verschiedene Ansätze zur phonologischen Therapie beschrieben. Alle Ansätze bis auf den Ansatz P. O.P. T. (Psycholinguistische orientierte Phonologie Therapie, Fox-Boyer 2015, 2016a) wurden im angloamerikanischen Raum für englischsprachige Kinder konzipiert. Der älteste Ansatz ist die Minimalpaartherapie (Weiner 1981), gefolgt von der zyklischen Therapie nach Hodson / Paden (1991) und der Metaphon-Therapie nach Howell / Dean (1991). Alle hier genannten Therapiekonzepte sollen im Folgenden kurz skizziert und deren praktische Anwendung anhand eines Prozesses, der Plosivierung aller Frikative, verdeutlicht werden. Abschließend werden aktuelle Wirksamkeitsnachweise für diese Verfahren dargestellt.
4.2.1 P.O.P.T.
Die Psycholinguistische orientierte Phonologie Therapie (P.O.P.T., Fox-Boyer 2015, 2016a) basiert auf dem Sprachverarbeitungsmodell von Stackhouse / Wells (1997). Sie orientiert sich damit zum einen am kindlichen Ausspracheerwerb, aber auch an den betroffenen Ebenen und den nachfolgend indirekt betroffenen Verarbeitungsebenen.
P.O.P.T. ist als Intervalltherapie konzipiert, d. h., nach einem Therapieintervall von maximal 25 bis 30 Therapieeinheiten folgt eine dreimonatige Therapiepause. Innerhalb des ersten Therapieintervalls wird ausschließlich an einem phonologischen Prozess gearbeitet. Dieses Intervall wird abgeschlossen, sobald das Kind entweder in der dritten Phase von P.O.P.T. angekommen ist oder wenn die maximale Anzahl an Therapieeinheiten erreicht ist. Während des Therapieintervalls wird ausschließlich auf der phonologischen Ebene gearbeitet. Weitere betroffene sprachliche Ebenen werden nicht parallel behandelt.
P.O.P.T. ist hierarchisch aufgebaut. Beginnend mit einer Vorphase, die insbesondere in das metasprachliche Arbeiten einführt, setzt sich P.O.P.T. durch drei Phasen fort.
Vorphase In der Vorphase werden dem Kind vom Therapeuten Wörter vorgesprochen. Es muss entscheiden, ob die gehörten Wortformen korrekt oder inkorrekt sind, d. h., eine Falsch-richtig-Entscheidung muss gefällt werden.
Phase I Die erste Phase zielt auf die Überarbeitung der Wortform, d. h. der phonologischen Repräsentation ab. Das Kind übt auf rein rezeptiver Ebene die Identifikation von Ziel- und Ersatzlauten auf verschiedenen linguistischen Ebenen, vom isolierten Laut bis zum gehörten Wort. Dieses Üben geschieht auf der Ebene der phonetischen Diskrimination (isolierter Laut) aber vor allem auf der Ebene der phonologischen Erkennung. Es wird davon ausgegangen, dass das Kind auf der Basis dieser Übungen automatisch eine Überarbeitung seiner bisher gespeicherten Wortformen vornimmt. Im Rahmen dieser Phase bietet der Therapeut dem Kind auditive Stimuli bestehend aus Ziel- und Ersatzlauten des betroffenen Prozesses an. Zunächst werden dafür die Ziel- und Ersatzlaute eingeführt, indem möglichst multisensorische und verbale Erläuterungen für jeden Laut gegeben werden und dieser auch mit einem Lautsymbol belegt wird. Die Identifikation des jeweils gehörten Lautes beginnt auf der isolierten Lautebene, gefolgt von CV oder VC Kombinationen. Anschließend muss das Kind die Ziel- und Ersatzlaute aus Pseudowörtern unterschiedlicher Komplexität heraushören, bevor diese Aufgabe auf Wortebene durchgeführt wird. Auf eine nächsthöhere Ebene wird immer dann übergegangen, wenn der Therapeut davon ausgehen kann, dass das Kind die vorherige Ebene beherrscht, d. h., dass ca. 70 bis 90 % der Stimuli korrekt identifiziert werden.
Phase II In der zweiten Phase übt sich das Kind in der Produktion der Ziel- und Ersatzlaute auf isolierter Lautebene, aber auch in Konsonant-Vokal-Verbindungen. Das Ziel dieser Phase ist das Erreichen einer phonemisch korrekten Lautproduktion der Ziellaute in Kombination mit Vokalen. In dieser Phase werden häufig Würfelspiele gespielt, bei denen pro Schritt eines Spielsteins einer Lautäußerung zu machen ist. Der Therapeut beginnt und gibt bei jedem seiner Züge einen zu machenden Laut oder eine Konsonant-Vokal-Verbindung vor, die das Kind in seinem Zug ebenfalls produzieren muss.
Phase III Das Ziel der dritten Phase ist die beginnende Überarbeitung der bisher gespeicherten motorischen Programme. Das Kind übt sich im korrekten Einsatz der Ziel- und Ersatzlaute auf Wortebene mit anschließender metasprachlicher Reflexion. Das Kind soll probieren, die neu erlernten Ziellaute und die altbekannten Ersatzlaute in Wörtern korrekt anzuwenden. In dieser Phase kommt dem Reimen eine besondere Bedeutung zu, aber es können auch andere Formen von Minimalpaaren zum Einsatz kommen. Die Phase ist abgeschlossen, sobald dem Kind die korrekte Wortproduktion in der Übungssituation gelingt. In der anschließenden Therapiepause findet in der Regel eine Generalisierung des Erlernten ohne therapeutische Unterstützung statt. Das Therapiehandbuch P. O.P. T. – Psycholinguistische orientierte Phonologie Therapie (Fox-Boyer 2015) beschreibt die Durchführung dieses Therapieansatzes für verschiedene phonologische Prozesse. Tabelle 6 skizziert das Vorgehen anhand des Prozesses „Plosivierung aller Frikative“.
Tab. 6: Exemplarische Durchführung der Therapie nach P. O.P. T. bei dem Prozess „Plosivierung aller Frikative“
Fox-Boyer, A. (2015): Psycholinguistisch orientierte Phonologie-Therapie. Therapiehandbuch. Schulz-Kirchner, Idstein
4.2.2 Metaphon
Bei Metaphon (Howell / Dean 1991, übersetzt von Jahn 2007) handelt es sich um einen in Deutschland verbreiteten Therapieansatz für phonologische Störungen. Dieser Therapieansatz wurde für Kinder mit phonologischen Aussprachestörungen ab dem Alter von vier bis fünf Jahren entwickelt.
Das Ziel der Metaphon-Therapie ist die Überwindung verzögerter oder pathologischer phonologischer