Wörter stabilisiert werden sollen. Es werden Wörter verwendet, die das Kind phonetisch aussprechen kann. Die vierte Phase betrifft die Wortauswahl für die folgende Therapie, wobei dem Kind neue Zielwörter vorgelegt werden. Es werden für die nächste Stunde die Wörter ausgewählt, die das Kind am besten benennen kann. In der fünften Phase werden Übungen zur phonologischen Bewusstheit durchgeführt. In der sechsten Phase wird die auditive Stimulation aus Phase zwei wiederholt, bevor die siebte Phase, die Erläuterung der Hausaufgaben, die Therapiestunde abschließt.
Tabelle 8 verdeutlicht den Therapieablauf für einen Zyklus für ein Kind mit folgenden Prozessen: Plosivierung aller Frikative (100 %), Reduktion von Konsonantenverbindungen (80 %), glottale Ersetzung von / ʁ / (100 %), Vorverlagerung von / j / zu [l] (100 %).
Tab. 8: Exemplarische Durchführung eines Zykluses für ein Kind mit folgenden Prozessen: Plosivierung aller Frikative (100 %), Reduktion von Konsonantenverbindungen (80 %), glottale Ersetzung von / ʁ / (100 %),
Hild, U. (2008): Der Zyklische Therapieansatz – phonologische Behandlung für junge Kinder. Forum Logopädie 22, 22-27
Hodson, B. W. (2006): Identifying phonological patterns and projecting remediation cycles: Expediting intelligibility gains of a 7 year old Australian child. Advances in Speech-Language Pathology 8(3), 257-264
4.2.4 Minimalpaartherapie
Die Minimalpaartherapie wurde ursprünglich von Weiner (1981) konzipiert. Auf ihrer Basis wurden vielfältige Variationen, z. B. die „konventionelle Minimalpaartherapie“ (Barlow / Gierut 2002) oder die „Behandlung minimaler Oppositionskontraste“ (Gierut 1990) aber auch die „maximalen Oppositionen“ (Gierut 1989) oder die „multiplen Oppositionen“ (Williams 2006) entwickelt. Folgende drei gedankliche Säulen liegen allen Formen zugrunde:
1. Die strukturierte Veränderung einer Gruppe oder Gruppen von Lauten, die fehlerhaft produziert werden.
2. Das Hervorheben von Merkmalskontrasten statt akkurater Lautproduktion.
3. Die Betonung liegt auf der Verwendung von Lauten zu kommunikativen Zwecken.
Auch Hacker und Wilgermein (2003) beziehen sich für die deutsche Sprache auf die Originaltherapie nach Weiner (1981).
Anbieten von Minimalpaaren Ziel der Behandlung ist es, dem Kind über das Anbieten von Minimalpaaren, die sich nur durch ein Phonem unterscheiden, zu verdeutlichen, dass unterschiedliche Phoneme für die jeweilige korrekte Wortbedeutung ausschlaggebend sind. Dabei werden die Minimalpaare so ausgewählt, dass sie sich in dem Phonem unterscheiden, das durch einen phonologischen Prozess als Kontrast nicht realisiert wird. In einem ersten Schritt werden diese Kontraste der Wortbedeutung rezeptiv erarbeitet. Anschließend wird das Kind aufgefordert, die Kontraste selber zu realisieren. Sollte die Produktion der Ziellaute nicht gelingen, werden diese mithilfe motorischer Therapieansätze (Kap. 4.1) angebahnt. Gelingen die Wortproduktionen korrekt, werden die Minimalpaare auf Satzebene stabilisiert. Für das Deutsche ergibt sich die Schwierigkeit, dass es nur wenige abbildbare und dem kindlichen Wortschatz entsprechende Wortpaare für die einzelnen Prozesse gibt. Daher muss die Therapie, wie im Original vorgeschlagen, deutlich modifiziert werden, damit sie durchführbar ist (Tab. 9).
Tab. 9: Exemplarische Durchführung der Minimalpaar-Therapie am Beispiel des Prozesses der vollständigen Plosivierung
Phase | Ebene | Durchführung |
Phase I (Vorbereitungsphase) | Metaphonologie | 1. Prozessauswahl aufgrund phonologischer Prozessanalyse (Plosivierung) 2. Heraussuchen eines entsprechenden Minimalpaares (MP) (Plosiv-Frikativ, z. B. /v/-/k/) Phonemkontrast kann mit Kind zuvor verbalisiert und gemeinsam erarbeitet werden. |
Phase II (Repräsentations- = Therapiephase) | ||
Metaphonologie | Wortbedeutung klären (Wanne-Kanne) | |
rezeptiv | • rezeptive Diskrimination von Minimalpaaren• Therapeut spricht MP in willkürlicher Reihenfolge vor und Kind muss passende Zuordnung (z. B. Handlung) durchführen | |
produktiv | • Produktion von Minimalpaaren• Rollentausch zu vorherigem Schritt | |
produktiv | • Transfer• Rollenspiele/Bildbeschreibung, um Erlerntes auf weitere Minimalpaare des Prozesses zu übertragen |
Baker, E. (2010): Minimal Pair Intervention. In: Williams, A. L., McLeod, S., McCauley, R. J. (Ed.): Intervention for speech sound disorders in children. Paul Brookes, Baltimore, 41-72 (inklusive Video)
Hacker, D., Wilgermein, H. (2003): Aussprachestörungen bei Kindern. Ernst Reinhardt, München / Basel
4.2.5 Evidenzen zur Therapieeffektivität
Laut internationaler Literatur gehören funktionelle Aussprachestörungen zu den logopädischen Störungsbildern, für die bis 2017 der umfangreichste Nachweis positiver Behandlungseffekte erbracht wurde (Law et al. 2010, Baker / McLeod 2011). Dennoch liegen bis heute nur sehr wenige randomisierte Kontrollstudien vor, so dass die vielfältig existierenden Wirksamkeitsnachweise (Einzelfall- oder Kleingruppenstudien) im Cochrane Review nicht berücksichtigt werden können (Law et al. 2010).
Baker / McLeod (2011) beschreiben in ihrem narrativen Review, dass zahlreiche Studien zwar die Wirksamkeit eines Ansatzes belegen möchten, dies allerdings ohne den Vergleich mit einer Kontrollgruppe oder einem anderen Therapieansatz. Zu beachten ist, dass sich sowohl der Cochrane Report als auch der genannte narrative Review ausschließlich auf Therapiestudien in der englischen Sprache beziehen. Bis 2017 gibt es keine internationale Veröffentlichung, die darstellt, ob die für die englische Sprache konzipierten Therapieverfahren auch in anderen Sprachen wirksam sind. Fox-Boyer et al. (2014b) stellten erstmalig die Evidenzlage für die in Deutschland am häufigsten angewendeten Therapieverfahren bei Aussprachestörungen zusammen und beachteten dabei sowohl Evidenzen für die englische Sprache, aber insbesondere auch vorliegende Evidenzen für das Deutsche.
4.3 Therapie der inkonsequenten phonologischen Störung
Zielgruppe Die Inkonsequenz-Therapie (Fox-Boyer 2016a) und die Kern-Vokabular-Therapie (Dodd et al. 2004) richten sich an Kinder, die inkonsequent in ihrer Wortrealisation sind (Inkonsequenzrate > 40 %) und deren Imitationsleistungen deutlich besser als ihre spontanen Sprechleistungen sind (Abgrenzung zur VED in Kap. 2.3.5).
Die Inkonsequenz-Therapie ist für Kinder ab dem Alter von 2;8 Jahren geeignet. Laut Schäfer / Fox (2006) ist dies der Zeitpunkt, zu dem Kinder, die mit deutscher Muttersprache aufwachsen, die physiologische Phase der inkonsequenten Wortrealisation, ausgelöst durch das schnelle Wortschatzwachstum, definitiv überwunden haben. Des Weiteren konnte gezeigt werden, dass diese Form der Therapie mit Kindern gegen Ende des zweiten Lebensjahres durchführbar ist (Fox 2000). Für die Kern-Vokabular-Therapie finden sich in der Literatur keine Altersangaben.
Zielsetzung Ziel der Therapie ist es, den Kindern eine konsequente Wortrealisation zu ermöglichen, was bedeutet, dass sie dasselbe Wort immer gleich aussprechen und dass sich dadurch ihre Verständlichkeit deutlich erhöht. Während Dodd et al. (2006) davon ausgehen, dass mithilfe des Kern-Vokabular-Ansatzes nicht nur das Erreichen der konsequenten Wortrealisation, sondern auch einer symptomfreien Aussprache möglich ist, ist die Inkonsequenz-Therapie (Fox-Boyer 2016a) mit dem Ziel konsequenter Wortrealisation nur als Therapieeinstieg anzusehen. Mithilfe dieses Ansatzes wird in der Regel keine Symptomfreiheit erreicht, so dass die Behandlung mithilfe weiterer Ansätze fortgeführt werden muss.
4.3.1 Inkonsequenz-Therapie
zeitlicher Rahmen Die Inkonsequenz-Therapie nach Fox-Boyer (2016a) wird zehn Stunden lang durchgeführt.