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Handbuch der Soziologie


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vollzieht, in dem der Handelnde stillschweigend auf gesellschaftlich vorgegebene Sinnmuster rekurriert, ist die holistische Erklärungsrichtung vorzuziehen. In diesem Fall gilt es, Soziales durch Soziales zu erklären. Denn das Handeln wird hier viel eher durch ein Wissen darüber erklärt, welche vorgeprägten Sinnmuster der gesellschaftliche Wissensvorrat für welche Situationen bereithält, als durch ein deutendes Verstehen des subjektiven Handlungssinns der Akteure (welches im Übrigen ja auch nichts anderes als eben dies zum Vorschein bringen könnte). Dort, wo dem Handeln eine eigenständige Sinnbildung und bewusste Handlungsplanung zugrunde liegt – sei es, weil der gesellschaftliche Wissensvorrat kein passendes Sinnmuster zur Bewältigung der betreffenden Situation bereitstellt (oder dem Akteur das diesbezügliche Wissen fehlt), sei es, weil ein entsprechendes Sinnmuster subjektiv sinnhaft überformt oder ergänzt wird – kommt es dagegen auf das deutende Verstehen des subjektiven Handlungssinns an. In dem Maße, in dem der Sinn, den die Akteure ihrem Wahrnehmen und Handeln zugrunde legen, von ihnen aus gesellschaftlich vorgeformten Sinnmustern übernommen werden, verlangen die resultierenden sozialen Phänomene nach einer holistischen Erklärung. In dem Maße, in dem der Sinn, den die Akteure ihrem Wahrnehmen und Handeln zugrunde legen, von ihnen bewusst sinnhaft subjektiv generiert wird, können die resultierenden sozialen Phänomene angemessen nur atomistisch erklärt werden. Die beiden Erklärungsrichtungen schließen sich dabei in keiner Weise wechselseitig aus. Dies umso weniger, als im empirischen Normalfall damit zu rechnen ist, dass die aktuelle Sinnbildung menschlicher Akteure sich in unterschiedlichen Mischungsverhältnissen aus beiden Quellen zugleich speist.

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