für die Ausarbeitung einer erfolgreichen Internationalisierungsstrategie eine genaue Analyse der internationalen Konkurrenz erforderlich. Hier kann der „Diamant“ Hilfestellung geben, um nationale Wettbewerbsvor- und -nachteile der Konkurrenz [104]festzustellen. Diese nationalen Besonderheiten lassen häufig auch Aussagen darüber zu, wie das wahrscheinliche Verhalten der Konkurrenzunternehmen sein wird.
Der heimische Stützpunkt eines Unternehmens bietet nicht in allen Branchen gleiche Chancen für einen internationalen Erfolg. Der „Diamant“ kann nun dazu benutzt werden, eine Auswahl von Branchen und Branchensegmenten vorzunehmen, für die das Land ein günstiger Stützpunkt ist. Die auf der Basis des „Diamanten“ zu stellenden Fragen für diese Länderauswahl werden in Abbildung 54 wiedergegeben (Porter, M.E., 1999).
Für eine Internationalisierungsstrategie schlägt Porter vor, selektive Vorteile in anderen Ländern zu erschließen. Eine Globalstrategie kann zwar einen schwachen heimischen Stützpunkt nicht ersetzen, jedoch können Innovationspotenziale im Ausland Impulse für eine Weiterentwicklung von Vorteilen im Inland generieren. Daneben sollte das Unternehmen bemüht sein, anspruchsvolle Kunden und Märkte zu bedienen, um sich einem weltweiten Innovationsdruck auszusetzen. Durch die Ausnutzung von Vorteilen im Ausland, die aus Grundfaktoren stammen, kann eine weltweite Produktion die Stellung des Unternehmens im internationalen Wettbewerb verbessern. Auch die Internationalisierung der Beschaffung sowie der Forschung und Entwicklung schafft möglicherweise internationale Wettbewerbsvorteile.
Internationale Unternehmensübernahmen und strategische Allianzen können nach Porter den Zugang zu Auslandsmärkten und zu selektiven Fachkenntnissen ermöglichen.
Abbildung 54 gibt eine Zusammenstellung von Fragestellungen wieder, die Unternehmen anhand des „Diamanten“ untersuchen müssen (Porter, M.E., 1999).
Abbildung 54: Fragestellung für die Prognose über das Verhalten ausländischer Konkurrenten
Porter nimmt für sich in Anspruch, eine neue, umfassende Theorie zur Erklärung der globalen Wettbewerbssituation entwickelt zu haben (Porter, M.E., 1999). Hier erscheinen jedoch einige Zweifel angebracht (Fuchs, M./Apfelthaler, G., 2009; Meckl, R./Rosenberg, C., 1995).
So ist seine Auslegung der klassischen, volkswirtschaftlich orientierten Theorien zu eng. Die bestehenden Ansätze widerlegt er mit einigen diesen Theorien widersprechenden Beispielen. Die klassischen Theorien stellen jedoch nicht, wie Porter meint, Allein- bzw. Absolutheitsansprüche. Viele Elemente seines „Diamanten“ beschreiben selbst unterschiedliche Aspekte verschiedener bereits entwickelter Theorien der Internationalisierung.
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Abbildung 55: Fragen für die Auswahl von Branchen und Branchensegmenten, für die das Land ein günstiger heimischer Standort ist
Im Rahmen der Faktorbedingungen wird genauso die Verfügbarkeit von natürlichen Ressourcen und von Humankapital betrachtet, wie dies in den klassischen Theorien der Faktorausstattung der Fall ist. Auch die bessere Ausnutzung dieser Faktoren im Sinne einer besseren Kombination der Einsatzfaktoren oder einer Verbesserung des Spezialwissens der Arbeitskräfte wird bereits in der Theorie der komparativen Kosten und deren Weiterentwicklungen analysiert.
Die Bedeutung der Nachfragebedingungen ist in der Linder-Theorie für den Außenhandel bereits eingehend analysiert worden. Die Linder-These hebt für den Erfolg von Exporten insbesondere die Bedeutung der Ähnlichkeit und der Repräsentanz der Nachfragebedingungen für andere Märkte hervor. Die Marktgröße wird in der Economies-of-Scale-Theorie und das Anspruchsniveau der Kunden in der Theorie des intrasektoralen Handels für die Exportleistung von Ländern und Branchen betrachtet.
Die Erkenntnis, dass ein harter inländischer Wettbewerb die Wettbewerbsfähigkeit einer Nation oder einzelner Branchen fördert, ist nicht als neu zu bezeichnen (Meissner, H.G., 1995). Die Bedeutung der Unternehmensstrategie und der -kultur für außenwirtschaftliche Erfolge wurde in dem EPRG-Modell von Perlmutter ebenfalls eingehend erörtert.
Einige neue Aspekte ergeben sich bei der Betrachtung der Bedeutung von „Unternehmensclustern“ für die Gewinnung nationaler Wettbewerbsvorteile, wenn auch viele Argumente als Agglomerationseffekte der Standort-Theorie bekannt sind. Die Idee, dass nationale Wettbewerbsvorteile nur durch verstärkte Innovationsanstrengungen von Unternehmen oder Branchen erreicht werden können und dass dabei bestimmte Zwangsmotive bzw. Krisen förderlich sind, ist ebenfalls nicht neu (Perlitz, M./Löbler, H., 1985).
Aus den bisherigen Kritikpunkten kann man den Vorwurf ableiten, dass es Porter versäumt hat, die bisherigen theoretischen Ansätze mit ihren Erklärungsvariablen in sein Konzept einzubinden. So ist ein System von Allgemeinplätzen entstanden, das dem Theorieanspruch kaum genügt. Dabei entsteht der Eindruck, dass seine Theorie sich aus einer „sort of comprehensive laundry list against which businessmen can check their own washing“ (o.V., 1990) [106]zusammensetzt. Jedoch besteht das Verdienst von Porter darin, bereits bestehende Theorien zu einem komplexen Gebilde zur Erklärung der nationalen Wettbewerbsvorteile zusammengefasst zu haben.
Porters Theorie steht an vielen Stellen im klaren Widerspruch zu der Theorie von Ohmae. Während Ohmae argumentiert, dass ein Unternehmen seinen Ursprung verlassen muss, um „Insider“ in den Triade-Ländern zu werden, vertritt Porter die Auffassung, dass die nationalen Wettbewerbsvorteile, die eine internationale Konkurrenzfähigkeit begründen, zum überwiegenden Teil Prozessen entspringen, die von Faktoren des Heimatlandes determiniert und weiterentwickelt werden. Damit nimmt das Gewicht der Faktoren des Heimatlandes, wie z.B. Wertordnung, Kultur, Wirtschaftssystem, Geschichte, gesellschaftliche Institutionen, zu, d.h., die Vorteile, die aus nationalen Standorten erwachsen, sind für Porter wichtiger als Economies-of-Scale-Effekte, die die Triade-Strategie weitgehend tragen. Porter vertritt den Standpunkt, dass der zunehmend globaler werdende Wettbewerb den nationalen Hintergrund nicht unwichtiger, sondern im Gegenteil immer bedeutsamer macht. Er sieht die staatliche Einflussnahme als einen entscheidenden Faktor bei der Strategiewahl an, während Ohmae davon ausgeht, dass staatliche Interventionen nicht mehr greifen, da diese Reglementierungen von Triade-Unternehmen umgangen werden können. Die Übertragung oder Duplizierung des jeweiligen nationalen „Diamanten“ auf Tochtergesellschaften im Ausland ist nach Porter außerordentlich schwierig, da die Koordinations- und Informationslage einen effektiven Informations- und Wissensaustausch verhindern. Dies gilt insbesondere dann, wenn die einzelnen Tochtergesellschaften eine eigene Erfolgsverantwortung im Sinne von Profitcentern und damit kaum Interesse haben, ihr Wissen zu offenbaren. Die Idee von Ohmae geht von einem „OECD-“ oder „Triade-Bürger“ aus, der in der Realität noch nicht existiert, weshalb in diesem Zusammenhang Porter mit seiner Weltauffassung derzeit realistischer erscheint. Während die Betrachtung von Ohmae sehr stark aus der japanischen Perspektive erfolgt, ist die Analyse von Porter sehr durch die amerikanische Sicht geprägt.
Porter betrachtet seine Theorie als dynamisch, während er die bisherigen Ansätze als statische Analysen ansieht. Er vertritt die Meinung, dass der „Diamant“ nicht nur vergangene Zustände beschreiben, sondern auch zukünftige Entwicklungen voraussagen kann. Sein Ansatz selbst ist aber eher als Erklärungsmodell für Entwicklungen der Vergangenheit angelegt. Eine zukunftsbezogene Dynamik muss auch in seinem Modell angezweifelt werden.
Probleme ergeben sich bei der „Diamanten“-Theorie von Porter auch dadurch, dass er zwar immer wieder betont, dass sich die einzelnen Elemente gegenseitig positiv unterstützen müssen, um langfristige nationale Wettbewerbsvorteile zu erzielen, jedoch werden die Abhängigkeiten und der Zusammenhang zwischen den einzelnen Bausteinen nicht hinreichend dargestellt und analysiert (Grant, R.M., 1991a).
[107]Thurow