Nach ähnlichem Prinzip wie bei den Vögeln konstruierte Kaumägen kommen auch bei gewissen Fischen vor. Massenänderungen des Magens sind auch bei Schlangen mit seltenen, aber großen Mahlzeiten nachgewiesen (Ott & Secor 2007).
Abb. 2.16 Anpassungen in den Schnabelformen von drei Vangawürgern an unterschiedlichen Nahrungserwerb. Links ein Kleibervanga (Hypositta corallirostris), der ähnlich den Kleibern (Sittidae) an den Stämmen aufwärts klettert und Insekten aus Ritzen herauspickt. Der Sichelvanga (Falculea palliata; Mitte) benutzt seinen sichelförmigen Schnabel, um in tieferen Stammlöchern und unter der Rinde nach Insekten zu sondieren. Der Haken-vanga (Vanga curvirostris, rechts) besitzt ähnlich den echten Würgern einen kräftigen Hakenschnabel, mit dem er auch kleinere Wirbeltiere erbeuten kann. Man nimmt an, dass der Vorfahre der heutigen Vangawürger vor knapp 29 Mio. Jahren von Afrika nach Madagaskar eingewandert ist und die Radiation vor gut 24 Mio. Jahren einsetzte (Fuchs et al. 2006).
Säugetiere besitzen Zähne und verfügen damit meistens nicht nur über einen Fang-, sondern auch über einen Kauapparat; nur wenige Gruppen sind sekundär zahnlos geworden (Bartenwale, Kloakentiere und Ameisenbären; Abb. 2.14). Viel stärker als bei den Vögeln haben sich bei den Säugetieren deshalb mit der Bezahnung auch die Schädelformen differenziert. Chemische Unterstützung des Kauens setzt bei Säugetieren bereits in der Mundregion ein, da im Speichel Verdauungsenzyme enthalten sind. Dennoch findet der Großteil der Nahrungsverarbeitung auch bei ihnen im Magenbereich und im Dickdarm statt.
Wie bereits erwähnt, stellt die Verdauung an Carnivore und Omnivore (zum Beispiel Mensch, Schwein) geringere Anforderungen als an Herbivore. Ihr Magen ist generell einfach gebaut und der Dünndarm relativ kurz (Abb. 2.15b). Fermentierung findet erst im Dickdarm statt und ist bei dessen geringer Größe auch relativ unbedeutend. Omnivore mit höherem Anteil pflanzlicher Nahrung, vor allem solche mit saisonaler Herbivorie, verfügen allerdings über stärker entwickelte Dickdärme mit ähnlicher Funktionsweise wie herbivore Dickdarmfermentierer (Hume 2006; s. unten). Grundsätzlich nehmen aber verdauungsphysiologische Anforderungen bei Carnivoren weniger Einfluss auf die Ökologie des Nahrungserwerbs als bei Herbivoren. Für Carnivore liegen die ökologischen Herausforderungen stattdessen beim Erwerb genügender Nahrungsmengen – Aspekte, die vor allem in Kapitel 3 zur Sprache kommen. Deshalb fokussiert der Rest dieses Kapitels auf herbivore Säugetiere mit faserreicher Nahrung.
Verdauungssysteme der Herbivoren
Die speziellen Bedingungen, denen sich Herbivore bei der Ernährung zu stellen haben, sind bereits an mehreren Stellen zur Sprache gekommen. Dazu gehören:
• Pflanzennahrung (abgesehen von Samen, Früchten und Ähnlichem) ist zwar eine häufige Ressource, denn etwa 50 % des organischen Kohlenstoffs der Erde ist in Zellulose gebunden. Diese ist aber nicht einfach zu verdauen, und die Energieausbeute pro Einheit an grüner Pflanzenmasse ist damit gering.
• Die Qualität der Pflanzennahrung kann im Laufe einer Vegetationsperiode sehr stark schwanken. Meist nimmt der Proteingehalt der Pflanzen nach dem Austrieb schnell und erheblich ab; gegen Ende der Vegetationsperiode ist der Nährwert von Nahrungspflanzen oft sehr gering (in gemäßigten Klimazonen im Herbst und Winter, in den Savannen subtropisch-tropischer Gebiete in der fortgeschrittenen Trockenzeit).
• Pflanzen wehren sich mit verschiedenen Mitteln gegen Herbivoren. Gras enthält Einlagerungen von Siliziumkristallen, die beim Kauen abrasiv wirken. Blätter von Dikotylen produzieren sekundäre Pflanzenstoffe, um ihre Verdaulichkeit herabzusetzen.
Wirbeltiere können Zellulose (teilweise auch Hemizellulose) nicht direkt aufschließen, da ihre Zellen keine Zellulase produzieren. Dazu ist die Hilfe von Mikroben (Bakterien, Protozoen, Pilzen) nötig, die im Verdauungssystem unter anaeroben Bedingungen arbeiten und Zellulase bilden. Erst deren Fermentationsprodukte (vor allem kurzkettige und flüchtige Fettsäuren) können von den Herbivoren assimiliert werden. Lignin, ebenfalls ein Faserstoff, ist auch für Mikroben weitgehend unverdaulich. Die Aufschließung von Zellulose und Hemizellulose durch Herbivoren erfordert damit große Fermentationskammern und die Adaptierung des Verdauungssystems auf längere Retentionszeiten. Aus der Größe der Fermentationskammer der verschiedenen Herbivoren lässt sich so die Bedeutung der mikrobiellen Fermentierung für ihre Ernährung ablesen. Grundsätzlich haben sich unabhängig von der Stammesgeschichte mehrfach zwei verschiedene Strategien entwickelt, die sich in der Lage der Fermentationskammer in Bezug auf Magen und Dünndarm unterscheiden:
1. Dickdarmfermentierer (hindgut fermenters): Fermentation findet wie bei Omnivoren im eigentlichen Dickdarm und im Blinddarm statt; diese Därme sind anders als jene der Omnivoren aber stark vergrößert und komplexer gebaut (Abb. 2.15c, 2.17). Man kann zwischen zwei Gruppen unterscheiden (Abb. 2.18):
• Große Arten (>50 kg) fermentieren im eigentlichen Dickdarm (colonic fermenters).
• Kleine Arten (<5 kg) fermentieren eher im Blinddarm (cecal fermenters) und sind häufig kop-rophag, das heißt, sie fressen den eigenen Weichkot und teilweise auch den Faserkot.
2. Vormagenfermentierer (foregut fermenters): Die Fermentation ist in den Bereich des Magens vorverschoben, der sich dafür zu einem stark gekammerten System entwickelt hat. Auch bei den Vormagenfermentierern lassen sich zwei verschiedene Gruppen unterscheiden:
• Wiederkäuer (ruminants; Abb. 2.15e, 2.17, 2.21)
• Nicht wiederkäuende Vormagenfermentierer (Abb. 2.15d, 2.21)
Es ist zu beachten, dass im umgangssprachlichen Deutsch mit «Nichtwiederkäuer» oft die großen Dickdarmfermentierer gemeint sind.
Aufbau und Lage der Fermentationskammern führen zwischen Dickdarm- und Vormagenfermentierern zu Unterschieden bei der Effizienz der enzymatischen Verdauung und der Nutzung des mikrobiellen Proteins. Die chemische Effizienz der Fermentierung von Fasern ist hingegen bei den beiden Strategien ähnlich; Unterschiede beim Energiegewinn ergeben sich aus verschieden langen Retentionszeiten der Nahrung, die mit Kauen und Sortieren der Nahrung nach Partikelgröße zu tun haben. Die Vormagenfermentierer gewinnen bei langer Retentionszeit mehr Energie pro Einheit aufgenommener Nahrung als die Dickdarmfermentierer, sind aber bezüglich der Menge an Nahrung, die pro Zeiteinheit aufgenommen werden kann, stärker limitiert.
Dickdarmfermentierer
Dickdarmfermentierer gleichen in der Funktionsweise des Magens und Dünndarms den Carnivoren und Omnivoren. Die enzymatische Verdauung, das heißt die Assimilation von Proteinen und löslichen Kohlenhydraten, geschieht im Magen und Dünndarm, während Zellulose unverdaut passiert und erst im Dickdarm und/oder Blinddarm fermentiert wird. Bei der enzymatischen Verdauung sind Dickdarmfermentierer gegenüber Vormagenfermentierern im Vorteil, da sie die Assimilationsprodukte direkt nutzen können, während bei Vormagenfermentierern die Assimilation über den Umweg der Mikroben geschieht und durch diese zwischengeschaltete trophische Stufe die Effizienz verringert wird. Die potenziellen Nachteile liegen im Umgang mit dem mikrobiellen Protein. Bei kürzerer Retentionszeit kann Faser weniger gründlich verdaut werden, und es resultiert eine geringere Ausnutzung der Zellulose. Das Protein aus den abgestorbenen Mikroben wäre für den Wirt eine nützliche Quelle von Aminosäuren, doch Dickdarmfermentierer laufen Gefahr, es zu verlieren, weil Aminosäuren nur im Dünndarm aufgenommen werden können, die Fermentationskammern jedoch dahinter liegen. Mit diesen beiden Problemen gehen die kleinen und die großen Arten unterschiedlich um.
Abb. 2.17 Vereinfachtes Schema des Verdauungsapparats von Dickdarmfermentierern (oben; Beispiel Pferd, Equus sp.) und Wiederkäuern (unten; Beispiel Gazelle, Gazella sp.) (Abbildung neu gezeichnet nach MacDonald D., 2001).
Die großen Arten fermentieren hauptsächlich im eigentlichen Dickdarm, wo keine Sortierung nach Partikelgröße stattfindet. Sie erreichen oft im Vergleich zu Wiederkäuern kürzere Retentionszeiten und entsprechend geringere Freisetzung von Fettsäuren aus der Zellulose (Abb. 2.17). Andererseits