Werner Suter

Ökologie der Wirbeltiere


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dazu, sondern auch Wachse, Sterole, Sphingolipide und Phospholipide. Letztere bilden wesentliche Bestandteile von Membranen von mikrobiellen, pflanzlichen und tierischen Zellen. In der Ernährung aber spielen Lipide ihre bedeutendste Rolle in Form von Fetten und Ölen (Triacylglycerole, früher oft als Triglyceride bezeichnet), aber auch von Wachsen; sie dienen als Energiespeicher, da sie wesentlich energiereicher als Kohlenhydrate oder Proteine sind (Tab. 2.1). Dank der hydrophoben Eigenschaften der Lipide kann die Energie zudem «sauber», das heißt ohne größere Mengen angelagertes Wasser gespeichert werden, im Gegensatz etwa zu Glykogen, einem anderen Energiespeicher. Da Körperfett sehr direkt aus aufgenommenen Fettsäuren synthetisiert werden kann, lagern Tiere bei fettreicher Nahrung schnell entsprechende Vorräte an – etwa Lachs fischende Grizzlybären (Ursus arctos), die vor allem Gehirn und Laich der Fische fressen. Auch Omnivoren wie Hühner- und Gänsevögel können aus der in Körnern enthaltenen Stärke schnell Körperfett aufbauen (Barboza et al. 2009). Zur Mobilisierung der Fettreserven siehe Kapitel 2.7.

      Verbrennt man organische Substanz unter hoher Temperatur, etwa bei Nährstoffanalysen, so bleibt am Schluss Asche übrig. Diese repräsentiert den «anorganischen» Anteil, das heißt praktisch den Totalgehalt an Mineralen. Quantitativ ist ihr Anteil im Vergleich zur organischen Substanz relativ gering (Minerale machen im Tierkörper etwa 5 % aus), qualitativ hingegen von großer Bedeutung für verschiedene Körperfunktionen. Gemäß den benötigten Mengen unterscheidet man zwischen Makro- und Mikromineralen (oder-elementen).

      Makroelemente werden in «größeren» Mengen benötigt, die gewöhnlich in mg/g Nahrung gemessen werden. Kalzium und Phosphor sind wichtig für die Knochenbildung und die Produktion von Eischalen; männliche Hirsche haben während der alljährlichen Neuproduktion ihres Geweihs einen stark erhöhten Kalziumbedarf, weibliche Säugetiere generell während der Laktation, da die produzierte Milch reich an Kalzium und Phosphor ist. Deshalb muss die Kalziumversorgung oft über spezielle Verhaltensweisen sichergestellt werden: Carnivoren kauen Knochen, Nagetiere benagen Knochen oder abgeworfene Geweihe, und Vögel nehmen Schneckenhäuschen oder Kalksteinchen auf (Box 2.3). Phosphor ist in den meisten organischen Verbindungen vorhanden und gibt in der Regel keinen Anlass zu Versorgungsproblemen. Allerdings scheinen regionale Defizite bei Phosphor und anderen Mineralen in tropischen Grasländern die Verteilung großer Herbivoren über die Landschaft mitzubestimmen. Die Wanderungen von 1,5 Mio. Weißbartgnus (Connochaetes taurinus) im Serengeti-MaraÖkosystem (Tansania und Kenia; Kap. 6.3) werden nicht nur über das Proteinangebot der Pflanzennahrung, sondern auch über regionale Unterschiede im Phosphorgehalt gesteuert (McNaughton 1990). Natrium spielt im Wasserhaushalt des Körpers, bei der Muskelkontraktion und bei der Übertragung von Nervenimpulsen eine wichtige Rolle. Fleischnahrung liefert genügend Natrium, doch in Pflanzen kommt Natrium nur in geringer Konzentration vor. In der Regel nimmt die Natriumversorgung von den Küstengebieten (natriumhaltige Aerosole) ins Innere der Kontinente hinein ab. Herbivoren sind deshalb dort oft auf zusätzliche Aufnahme angewiesen, etwa an Salzlecken oder durch Aufnahme von Erde (Geophagie). Geophagie wird regelmäßig von vielen Arten von Huftieren, Elefanten, Primaten, Nagetieren und Vögeln praktiziert (Abb. 2.11). «Hunger» nach Kalzium und Natrium ist den Tieren angeboren (Abb. 3.6). Andere Makroelemente (Kalium, Magnesium, Chlor, Schwefel) sind in der Regel in genügender Konzentration in Pflanzen vorhanden und stellen wild lebende Tiere kaum vor Versorgungsprobleme.

      Ähnliches gilt für die Zufuhr von Mikroelementen (Spurenelementen), deren Bedarf in der Größenordnung von μg/g Nahrung liegt. Zu ihnen gehören Eisen, Kupfer, Zink, Mangan, Selen und zehn weitere Elemente. Spurenelemente haben wichtige Funktionen als Katalysatoren für oxidative oder reduktive Reaktionen. Die quantitativen Bedürfnisse nach Spurenelementen sind allgemein noch wenig untersucht; man nimmt an, dass die meisten Arten an die Versorgung in ihrem Verbreitungsgebiet angepasst sind. Regionaler Selenmangel (und auch lokaler toxischer Selenüberschuss) ist etwa aus Teilen Nordamerikas und im südlichen Afrika bekannt, scheint aber nur auf größere Herbivoren gewisse Auswirkungen zu haben, etwa über erhöhte Mortalität von Jungtieren; auch Kupfermangel kann sich ähnlich auswirken (Robbins 1993; Karasov & Martínez del Río 2007). Bei insektenfressenden Vögeln Australiens hat man nachgewiesen, dass die von ihnen bevorzugten Arthropodengruppen (Käfer, Schmetterlinge, Heuschrecken und Spinnen) nicht nur höhere Gehalte an Rohprotein und Fett aufwiesen als weniger häufig gefressene Gruppen (Zweiflügler, Hautflügler und Libellen), sondern noch ausgeprägt höhere Gehalte an allen elf analysierten Makro- und Mikroelementen (Razeng & Watson 2015).

      Ähnlich den Spurenelementen sind Vitamine in der Nahrung nur in kleinsten Mengen vorhanden, für Tiere aber unverzichtbar. Vitamine sind relativ komplexe organische Verbindungen, weisen darüber hinaus aber keine engere chemische Verwandtschaft auf und werden vor allem wegen ihrer ähnlichen Funktionen als Koenzyme unter einem Begriff zusammengefasst. Vitamine sind normalerweise essenziell, das heißt von Tieren nicht (oder nicht in genügender Menge) synthetisierbar. Vitamin C (Ascorbinsäure) ist teilweise eine Ausnahme, da die meisten Säugetiere, Vögel, Amphibien und Reptilien es synthetisieren können; manche Arten haben aber im Lauf der Evolution diese Fähigkeit bereits wieder verloren. Vitaminmängel sind bei wild lebenden Tieren schwierig nachzuweisen und scheinen vor allem dort vorzukommen, wo Populationen auf kleine Gebiete (zum Beispiel kleine Inseln) mit eingeschränkter Nahrungswahl zurückgedrängt worden sind. Wie weit ein Syndrom bei Vögeln im Gebiet der Ostsee, das zu Lähmungserscheinungen und oft zum Tod führt, auf einen Mangel an Thiamin (Vitamin B1) zurückgeführt werden kann, ist umstritten (Balk et al. 2009; Sonne et al. 2012).

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      Abb. 2.11 Auch Frucht- und Samenfresser sind auf zusätzliche Quellen von Natrium-, Kalium-, Magnesium- und Kalziumverbindungen sowie andere Minerale angewiesen. Grünflügelaras (Ara chloropterus) besuchen wie viele weitere neotropische Papageien Lehmlecken (clay licks) an steilen Flussufern, deren Gehalt an Natrium gegen 4-mal höher ist als in umliegenden Böden und etwa 6-mal höher als in der Nahrung. Neben der Bedeutung als Natriumlieferant mögen auch detoxifizierende und andere Wirkungen des Lehms eine Rolle spielen, besonders für Herbivoren, deren Nahrung durch einen hohen Gehalt an sekundären Pflanzenstoffen charakterisiert ist (Brightsmith et al. 2008; Powell et al. 2009).

      Im Gegensatz zu den bisher behandelten Nahrungsbestandteilen, die in irgendeiner Form der Ernährung dienen, sind Sekundärstoffe (secondary metabolites) Stoffe, die Pflanzen und Tiere als Abwehrstoffe gegen Prädation respektive Herbivorie produzieren. «Sekundär» bedeutet, dass sie in der Regel in der Pflanze keine primäre metabolische Funktion innehaben. Unter den Tieren sind es viele Invertebraten, aber auch Fische, Amphibien und sogar einzelne Vögel, die solche Stoffe – oft Neurotoxine – synthetisieren oder aus ihrer eigenen Nahrung gewinnen und sie dann im Körper akkumulieren. Die größte Vielfalt an Sekundärstoffen wird aber von Pflanzen produziert, vor allem von Dikotylen, viel weniger von Monokotylen (Gräsern), die zum Schutz gegen Frass eher Siliziumkristalle einlagern (Box 2.5). Die Konzentration an Sekundärstoffen ist artspezifisch und bei vielen Pflanzenarten in älteren Blättern hoch, bei anderen hingegen in jungen Zweigen. Dazu kommen Schwankungen nach Jahreszeit oder Jahr, aber auch individuelle Unterschiede. Da die Produktion mit Kosten verbunden ist, geht sie beim Nachlassen von Fraßdruck zurück. Die Wirkung der Tausenden bereits bekannter Sekundärstoffe reicht von geschmacklicher Wirkung (Bitterstoffen) über verdauungshemmende bis zu toxischer Wirkung; diese muss aber nicht für alle Konsumentengruppen gleich sein. Was zum Beispiel toxisch für Insekten sein kann, mag für Säugetiere neutral wirken. Der Abbau der Toxine geschieht durch die Mikroben im Verdauungstrakt (Kohl et al. 2014).

      Schneckenhäuschen